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English readers consult "Quelle" below.
Vielleicht haben Sie diese witzelnde Lebensweisheit schon gehört: wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.
Zu den schwierigsten Herausforderungen, denen ein Mensch sich stellen muss, gehört es, eine gesunde Balance zu finden zwischen einem offenen Geist und einem Arsenal an Überzeugungen, die fest genug sind, um einen im Leben gut über die Runden zu bringen.
An uns fließt ein ewiger Strom an Neuigkeiten und unvertrauten Möglichkeiten vorüber – und die Frage ist: wie stellen wir sicher, dass uns die soliden Glaubenskerne, die uns Orientierung gewähren, nicht dogmatisch verkrusten und den aufgeschlossenen Blick verstellen.
Ein Patentrezept gibt es nicht.
Aber ich glaube, dass man am besten mit diesem Gleichgewichtsakt zurechtkommt, wenn man seine Überzeugungen nicht ganz vor den Anfechtungen derer verschließt, die anders denken.
Was für das Individuum gilt, trifft auch auf Gruppen zu, z. B. Angehörige eines Berufsstands oder Menschen, die einer ähnlichen Zielsetzung nachgehen, wie Investoren. Ich meine sogar, dass man diesen Rat verallgemeinernd auf die großen Aggregate des menschlichen Zusammenlebens beziehen kann.
Pluralismus ist gefragt, d. h. die Öffnung gegenüber fremden Gesichtspunkten und deren ernsthafte Würdigung im Rahmen eines friedlichen Meinungswettbewerbs.
Denn ich glaube, dass das Prinzip des Pluralismus am ehesten Garant ist für
Denn ich glaube, dass das Prinzip des Pluralismus am ehesten Garant ist für
- den bestmöglichen Erkenntnisfortschritt in der Wissenschaft,
- die reichhaltigste Warenproduktion in der Wirtschaft und
- das gerechteste, chancenreichste und friedlichste gesellschaftliche Miteinander der Menschen.
Mehr von mir zu dieser Hypothese hier auf Deutsch und hier auf Englisch.
Auch Cullen Roche befasst sich mit dem Thema Offenheit in seinem Rückblick auf das Jahr 2017. Darin fasst er die drei wichtigsten Lektionen zusammen, die er aus der Erfahrung der großen Finanzkrise (2007/2008) gelernt hat.
1. Die Krise hat ihn gelehrt, dass niemand im Besitz aller richtigen Antworten ist auf die Fragen, die das Finanzwesen und die Wirtschaft aufwerfen. Er empfiehlt sogar, sich eine Haltung anzugewöhnen von geradezu gefräßiger Neugier und Offenheit gegenüber Ansichten, die anders lauten als die eigenen. Bei der Annäherung an das Ideal des kritisch-objektiven Finanzanalysten ist es unverzichtbar,
- sich die Unabhängigkeit des Denkens zu bewahren,
- der Vereinnahmung durch Gruppen, die einem Kult anhängen, aus dem Wege zu gehen, und
- stets offen zu bleiben für die Möglichkeit, dass man sich geirrt haben könnte.
(Im Original: The crisis taught me that no one has all the right answers in finance and economics and that you need to be voraciously open-minded to competing views. Being an independent thinker, avoiding cult-like groups (sorry in advance – Bogleheads, MMT, Austrian Economics, etc) and always asking yourself if you could be wrong, are essential to becoming an objective critical analyst.)
2. Es ist unbedingt erforderlich, meint Cullen Roche, sich als Investor dessen bewusst zu sein, dass man ein fühlendes Wesen ist, und deshalb immer der Gefahr ausgesetzt ist, sich durch irreführende Emotionen von einer nüchternen Einschätzung abbringen zu lassen. Also immer auf Zeichen achten, die einen auf emotionale Vorurteile aufmerksam machen. Roche meint, auf diese Weise schließlich viele Mythen durchschaut zu haben, an die ihn seine Gefühle zuvor gefesselt hatten. Wer sich mit dem Finanzwesen und der Wirtschaft beschäftigt, sollte verzerrende Emotionen und politische Präferenzen an der Garderobe abgegeben.
(Im Original: I’ve busted a ton of economic and finance myths over the last 10 years [...] And I’d argue that most of them stem from some deeply emotional bias. People either have an irrational fear of the financial markets based on biased misunderstandings or they have strong political biases that corrupt their ability to think about economics objectively. When it comes to economics and finance you need to check your emotions and politics at the door.)
3. Das Bessere ist der Feind des Guten, sagt man im Deutschen. Cullen Roche formuliert es ein wenig anders: The perfect is the enemy of the good.
Ich finde, was er unter diesem dritten Punkt zu sagen hat, passt gut zu meinem eingangs angesprochenen Anliegen: Wie bekomme ich es hin, weder zu dogmatisch zu sein, noch mich zu sehr zu verzetteln in dem Überangebot anderer Meinungen?
Roche hat es gelernt, sich der Überflutung durch die Medien zu entziehen und zu verstehen, dass man nicht alles wissen und erlernen kann. Der übertrieben Wissbegierige rennt irgendwann seinem eigenen Schwanz hinterher, denn das Angebot an Ideen, die verheißen, ergiebiger zu sein als die, die man bereits kennt, ist unerschöpflich. Es ist besser einen Weg zu finden, sich mit einem zwar unvollständigen und unvollkommenen, dafür aber gründlich geprüften und solide bestückten (fachlichen und methodischen) Werkzeugkasten zu begnügen.
Der Lohn ist, dass man sich darin sicher sein kann, im aufgewühlten Meer der Investitionsmoden einen verlässlichen Kurs zu fahren, statt unentwegt die Richtung und die Arbeitsmittel zu wechseln.
(Im Original: ... trying to learn too much can be destructive. The reality is, you don’t need to know everything and you won’t ever know everything. The monetary system is too complex and too dynamic for you to understand it all. So it’s better to understand enough that you can be competent, but not so much that you become a danger to yourself. More importantly, in portfolio management the pursuit of perfection is a pitfall in that the grass will always look greener elsewhere.)
Quelle.
Hier noch einige Meinungen und Ratschläge von Cullen Roche zu Zustand und Zukunft der Finanzmärkte:
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