Monday 29 February 2016

Das Paradoxon der Freiheit (13) - Ein Vortrag

Fortsetzung des zwölften Teils.

Ich hatte in Folge 11 die Frage gestellt, was von der Qualität der Hayekschen Vision zu halten ist. Als wichtigstes Qualitätsmerkmal einer politischen Vision habe ich das Freisein von ideologischer Verzerrung hervorgehoben. Eine Vision verliert ihre Glaubwürdigkeit und ihre Brauchbarkeit für die Allgemeinheit, wenn sie zur Ideologie gerät. Das tut sie, wenn sie sich der Prüfung  durch unverzichtbare Testkriterien, den so genannten intermediären Bedingungen, entzieht. Die Immunisierungsstrategie lässt sich so deuten, dass Folgerichtigkeit und Praktikabilität eines politischen Programms auf einem Abstraktionsniveau verteidigt werden, das seinen Mangel an konkreter Authentifizierung verhehlt. Dazu wird der Eindruck erweckt, 
als seien eine Reihe von konkreten Erfüllungs-Bedingungen der betreffenden ideologischen Vision
  •  erfüllt oder erfüllbar, obwohl dies nicht zutrifft 
oder
  • unmaßgeblich, obgleich deren Erfüllung unverzichtbar ist. 
Der Hayekschen Liberalismus übersieht, dass Politik grundlegender als Märkte ist; er verkennt, dass Politik, zusammen mit ihrem wirkungsvollsten Vollzugsinstrument, dem modernen Staat, Grundvoraussetzung für das Funktionieren von freiwilligen Kooperationsformen wie marktlicher Transaktionen ist. Märkte und die Möglichkeit der Interaktion freier Bürger setzen friedliche soziale Verhältnisse voraus, die immer erst politisch und mit staatlichen Mitteln herbeigeführt werden müssen. Auf fundamentalster Ebene besteht die Aufgabe von Staat und Politik darin, für Vertrauen und Gewaltlosigkeit unter den Menschen zu sorgen - eine diffizile, umfassende und entsprechend aufwändige Aufgabe, die sich nicht verträgt mit dem Kernanliegen des Hayekschen Minarchismus, die Rolle des Staats und der Politik zu minimieren. Die Freiheit benötigt viel Politik und viel Staat.


Freie Märkte leisten einen großen Beitrag dazu, das Problem wirtschaftlicher Knappheit zu bewältigen. Sie sind aber nicht selbst in der Lage, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Menschen freiwillig und selbstbestimmt miteinander Handel treiben. Bevor letzteres möglich wird, muss das Problem politischer Knappheit gelöst werden. und das ist die Aufgabe, die der politischen Ordnung einer Gemeinschaft zukommt.

Wirtschaftliche Knappheit bedeutet, dass die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, nicht ausreichen, um alle Zwecke, die uns wichtig sind, zu erreichen. Wir müssen deshalb ein Budget erstellen, mit dem wir versuchen, die uns gebotenen knappen Ressourcen auf jene Zwecke zu verteilen, die uns am wichtigsten sind. Eine Herausforderung, die sich dem Individuum, ebenso wie einer Gemeinschaft stellt. In einer Gemeinschaft stellt sich aber zusätzlich zum Problem der wirtschaftlichen Knappheit auch das der politischen Knappheit - denn als freie Menschen mit unseren eigenen Vorstellungen mögen wir Schwierigkeiten haben, uns gemeinsam auf ein Budget zu einigen, eine Rangordnung der Ziele und der ihnen zuzumessenden knappen Ressourcen.


Mit politischer Knappheit meine ich also einen Mangel an politischer Einigkeit. Das Problem hierbei besteht darin, dass die Gegenstände der Uneinigkeit so großes Gewicht für die Streithähne besitzen kann, dass jede Partei auf die Durchsetzung ihres mit den anderen Standpunkten unvereinbaren Zwecks bestehen mag. Unter derartigen Bedingungen ist es schwer, friedlich zusammenzuleben und produktiv zu sein. Die Gemeinschaft wird durch gegenseitige Feindseligkeit und Gewalt bedroht. Die Art von schwerwiegendem Zwist, der politische Knappheit auslöst, lässt sich meist nicht auf wirtschaftlichem Wege, d.h. durch Markttransaktionen aus der Welt schaffen. Wir müssen in eine andere Sphäre herüberschreiten, wenn wir Aussicht haben wollen auf Beilegung oder ausreichende Herabsetzung schwerwiegender Konflikte in grundsätzlichen Fragen. Wir müssen in das Reich der Politik herüberwechseln. Mit ihrer ganz eigenen Infrastruktur an Institutionen und Gepflogenheiten gibt sie uns die Möglichkeit, Frieden zu stiften, Vertrauen zu schaffen und Gewalt zu vermeiden - durch Debatten, Verhandlungen, Kompromisse, gemeinsame Legitimierungsverfahren und den durch diese schließlich erwirkten legitimierten Zwang gemeinsamer Regeln und gemeinsamer Prinzipien der Bestrafung von Regelverletzungen.


Der Hayeksche Liberalismus verkennt die herausragende Bedeutung von Politik und Staat bei der Sicherung von Frieden und anderen Voraussetzungen des Lebens und Wirtschaftens in einer freien Gesellschaft. 

Für Hayek stellen die konsequente Anwendung marktwirtschaftlicher Prinzipen und die Ausweitung marktwirtschaftlicher Beziehungen unter den Menschen die unbedingt zu bevorzugende Alternative zur politischen Ordnung dar. Diese Auffassung ist zum Einen falsch. Zum Anderen ist sie, wie wir gleich sehen werden, politisch verheerend für den Hayekschen Liberalismus.

Hayeks letztes Werk trägt den Titel: The Fatal Conceit - The Errors of Socialism, zu deutsch: die Tödliche Anmaßung - die Irrtümer des Sozialismus. Mit tödlicher Anmaßung meint Hayek
die Bedrohung der spontanen Ordnung einer freien Gesellschaft durch Politik und Staat (die allenthalben drohe und sofort auf den Weg zum Sozialismus führe), wobei Hayek in seiner minarchistischen Voreingenommenheit nicht nur offenkundige Bedrohungen des Allgemeinwohls durch dirigistische Politik sondern auch Errungenschaften und willkommene Grundfunktionen der politischen und staatlichen Ordnung in seine Ablehnung einschließt. Damit aber lässt sich der Hayeksche Liberalismus selbst eine tödliche Anmaßung zu Schulden kommen. Die übertriebene Zurückweisung politischen Handelns und staatlicher Gestaltung kommt dem Selbstmord des Liberalismus gleich, wenn man breite und dauerhafte Zustimmung in der Bevölkerung als Lebenskriterium einer politischen Idee zugrunde legt. Denn dort, wo politische Freiheit herrscht, ist es unrealistisch zu erwarten, dass die Menschen bereit sind, auf die wichtigen, allen zugute kommenden Leistungsbeiträge von Politik und Staat zu verzichten.

Hayek, der in einem brillanten Teil seines wissenschaftlichen Werks den wirtschaftlichen Wettbewerb als Entdeckungsverfahren deutet, ist wegen seiner minarchistischen Verblendung außerstande, diesen Gedanken auf Politik und Staat auszuweiten, die auch ein Arsenal von Entdeckungsverfahren darstellen zum Auffinden und Aushandeln von Befriedungslösungen als Grundlage für friedliche Koexistenz und Kooperation in einer freien Gesellschaft. 

Stattdessen begeht Hayek den Fehler, die selbstorganisierenden und selbstregulierenden Aspekte einer freien Wirtschaft, die ihm schon als ausschließliches Vorbild für eine spontane Ordnung gedient hatten, als das Modell schlechthin für soziale Ordnung anzunehmen. A Fatal Conceit!


Fortsetzung folgt.

Sunday 28 February 2016

Das Paradoxon der Freiheit (12) - Ein Vortrag


Fortsetzung des elften Teils.

Unter einer Ideologie verstehe ich eine Vision, die argumentativ unrichtig ist, deren tatsächliche Konsequenzen falsch dargestellt werden und unzuträglich sind. Genauer gesagt, Ideologien sind in dem Sinne undurchdacht, dass die ihnen zugrundeliegenden Prämissen nicht dazu berechtigen, die von ihren Anhängern behaupteten, verheißungsvollen, ihre Attraktivität ausmachenden Schlüsse zu ziehen.

Der Grund dafür liegt darin, dass die Plädoyers für Ideologien auf einem zu hohen Abstraktionsniveau verharren. Infolgedessen lassen sie entscheidende Faktoren außer Acht, die auf einem niedrigeren, größere Konkretheit zulassenden Abstraktionsniveau angesiedelt sind, indes sie zugleich auch bestimmend für die Folgerichtigkeit, Praktikabilität und wirklichen praktischen Folgen der betreffenden Vision sind. 

Auf höchstem Abstraktionsniveau (hoher Grad an Allgemeinheit der Aussagen) verspricht das Prinzip des Wankelmotors wegen der harmonischen Rotationsbewegung des Wankel-Kolbens größere Wirtschaftlichkeit gegenüber dem konventionellen Hubkolbenmotor, bis man Erkenntnisse eines nierdrigeren Abstraktionsniveaus (hoher Grad der Spezifizität und Konkretheit der Aussagen) einbezieht und feststellen muss, dass es beim Wankel zu unlösbaren Dichtungsproblemen kommt, so dass die Vision seiner größeren Wirtschaftlichkeit kollabiert. 

Bei technischen und anderen naturwissenschaftlichen Sachverhalten  ist es tendenziell eher der Fall, dass objektive Hinderungsgründe für die Verwirklichung einer Vision bekannt werden. Doch wenn technisch-naturwissenschaftliche Entscheidungen unzulässig politisiert werden, - es gibt auch zulässige Formen der Politisierung - unterliegen auch sie den trügerischen Effekten, mit denen sich unser Urteil unmerklich oder immerhin schwer erkennbar manipulieren lässt. Es ist für jedermann  leichter zu überprüfen, ob die Behauptung stimmt, dass ein hartgekochtes Ei bei entsprechender Rotationsbeschleunigung sich auf einer harten Oberfläche von selbst aufrichten wird, als die Behauptung, dass der Wankelmotor nicht aus technischen, sondern angeblich aus politischen Gründen gescheitert ist, namentlich aufgrund einer geschickt eingefädelten konzertierten Aktion von Fahrzeug- und Zubehörherstellern, Ölgesellschaften und ihren Handlangern in diversen Regierungen und mehreren Regierungen.

Der Wahrheit ist ohne Überprüfung auf konkreter Ebene nicht beizukommen. Doch es gibt vieles, das uns an konkreter Ermittlung hindert. Die Verhältnismäßigkeit des Prüfungs-Aufwands, hohe Plausibilität auf ersten Anschein (ich habe das sich selbst aufrichtende Ei nicht für möglich gehalten), die hohe Reputation der argumentierenden Person, die scheinbar geringe Bedeutung des in Frage stehenden Sachverhalts, fehlendes Bewusstsein für ferner liegende Konsequenzen des Sachverhalts, Glaubensbereitschaft, unbewusste Vorurteile, und tausend andere, zum Teil recht subtile Hürden, die eine Manipulationsklaviatur darstellen, derer sich die Eiferer eines politischen Ideals oft virtuos zu bedienen wissen.

Unten sehen wir die Struktur der kommunistischen Vision.


Anders als Trotzki, und wohl auch Lenin, Marx und Engels erwartet hatten, haben sich die Menschen in jenen Industriegesellschaften, die wie Großbritannien, Deutschland oder den USA, einen vergleichsweise hohen Grad an Freiheit genossen und deshalb Möglichkeiten der freien Meinungsbildung und des freien politischen Ausdrucks besaßen, nicht von der kommunistischen Vision dazu bewegen lassen, den Kommunismus in ihren Ländern zu etablieren. Sie zogen die Sozialdemokratie vor, eine soziale Reformphilosophie auf dem Sockel freiheitlicher Prinzipien.

Warum? Sie hatten die Möglichkeit, sich der intermediären Bedingungen zu vergewissern, die zwischen abstrakten Prämissen und abstrakter Conclusio der kommunistischen Ideologie auftreten, um darüber zu entscheiden, ob die Vision machbar und gut ist.


Sie hatten vor allem auch die Möglichkeit, sich von der Suggestion zu lösen, dass absolute Gerechtigkeit (z.B. Abschaffung des Arbeitsleids und aller sozialer Spannungen im Kommunismus), die Grundlage einer "guten Gesellschaft" sein müsse. In einer pluralistischen, politisch offenen Gesellschaft konnten sie die Erfahrung machen, dass schrittweise Verbesserungen, so kompromisshaft,  unvollkommen und nachbesserungsbedürftig sie auch seien, eine bessere Gesellschaft hervorbringen, als der Glaube an die absoluten Ziele und die Perfektion einer Weltanschauung, die genau betrachtet, nur von einem kleinen Teil der Gesellschaft gewollt wird, einer Weltanschauung also, die sich nach Möglichkeit einer fortwährenden Prüfung durch alle Mitglieder der Gesellschaft, die kritische Fragen und abweichende Interessen ins Felde führen, entzieht. Eine solche Weltanschauung fordert notwendig eine unfreie Gesellschaft, eine Gesellschaft, in der nicht zuletzt freier Meinungswettbewerb unterdrückt wird, weil diese Weltanschauung nur in einer unfreien Gesellschaft zu verwirklichen und (für eine Weile) am Leben zu halten ist.   

Was hat das alles mit Hayek und dem Paradoxon der Freiheit zu tun?

Wie alle Visionen, die zur Ideologie geraten, mangelt es dem Hayekschen Liberalismus an der Bereitschaft, sich den für seine Ziele maßgeblichen intermediären Bedingungen - den möglichen Hürden seiner weltanschaulichen Wunschvorstellungen - ernsthaft zu stellen.

Mit der wachsenden Freiheit des Individuums im Ausgang des feudalistischen Zeitalters (Freiheit von der Bindung an das Lehen, alternative Lebenswelt der Städte, Vertrag statt Status etc.)  entfalten sich Bedingungen, die dem Kapitalismus, also einer flächendeckende Tauschwirtschaft, zur Verbreitung verhelfen. Die effizientere Wirtschaftsform, die dem Individuum eine deutlich verbesserte Stellung gegenüber der Obrigkeit ermöglicht, schafft historisch beispiellosen Wohlstand, so dass eine neue Sozialtechnologie ressourcenmäßg unterhalten werden kann: der moderne territoriale Zentralstaat. 

Die materielle Basis des Kapitalismus gestattet es dem Staat, eine unter früheren Regimen unbekannte Machtfülle, Allgegenwart im Leben der Menschen und Fähigkeit, sozial erwünschte Leistungen, vor allem in Gestalt öffentlicher Güter, zu erlangen. Damit ist eine neue Sozialtechnologie entstanden, die auf große Nachfrage stößt, nicht zuletzt weil sie imstande ist, bisher unerreichbare Verbesserungen zu bewerkstelligen, besonders die stärkere Berücksichtigung des Volks mit seinen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Belangen. 

Freiheit erzeugt den Kapitalismus, der Kapitalismus erzeugt Wohlstand, der Wohlstand erzeugt einen Staat, der auch in der Hinsicht mächtig ist, als er in der Lage ist, der Bevölkerung dienlicher denn je zu sein. Freiheit erzeugt also Big Government. Freiheit erzeugt den weitverbreitenden Wunsch nach den Leistungen des Big Government. Freiheit bedarf eines starken Staats. Die minarchistische Grundprämisse der Hayekschen liberalen Vision, dass nämlich der Staat in enge Grenzen einzuschnüren ist, damit sich die spontane Ordnung einer freien Gesellschaft entfalten kann, erweist sich als unrichtig.  


Friday 26 February 2016

Das Paradoxon der Freiheit (11) - Ein Vortrag

Fortsetzung des zehnten Teils.

Wie wir in der 10. Folge gesehen haben, findet Hayeks Minarchismus - sein Wunsch nach einer ausgesprochen zurückhaltenden Rolle des Staats in der Gesellschaft - besonderen Ausdruck dort in seinem theoretischen Werk, wo er vorschlägt, 

den Staat

  • gemäß seiner Theorie des Währungswettbewerbs vom Geld fernzuhalten

  • gemäß seiner Theorie der Privatrechtsgesellschaft vom Recht fernzuhalten

  • gemäß seiner Theorie der Gewaltenteilung daran zu hindern, als Gestaltungsinstrument einer demokratischen Öffentlichkeit zu fungieren und stattdessen an die gesellschaftsphilosophischen Präferenzen des Hayekschen Liberalismus zu binden.

Wie gut sind diese Hayekschen Visionen?

Ich habe in der vorliegenden schriftlichen Variante des Vortrags meine Kritik an Hayeks drei Theorien bereits anklingen lassen. Im Prinzip haben die darin erwähnten Einwände zu der Hayekschen Visionen-Triade einen gemeinsamen Kern: Geld, Recht und Politik sind öffentliche Güter, also Wohlfahrtsbeiträge, die sich ohne den Staat nicht in befriedigender Form bereitstellen lassen. Dazu mehr in The State - (5) - [Draft] und The State - (8) - [Draft].



Im Folgenden sehe ich davon ab, einzelne Kritikpunkte zu behandeln, die Hayeks jeweiligen Visionen punktuell in Frage stellen, etwa der Einwand, dass alle Formen einer Geldverfassung, die Hayek je während seiner akademischen Laufbahn unterstützt - so einst auch den Gold-Standard - das Verschwinden des politischen Elements stillschweigend unterstellen, indes sie realiter undenkbar sind ohne politische Unterstützung und bei Durchführbarkeit allemal eingebunden blieben in eine politische Infrastruktur, die maßgeblichen Einfluss ausübt auf die Überlebenschancen der vorgeschlagenen Maßnahmen und die Art und Weise, wie sie sich konkret verwirklichen lassen. Wiewohl einen selbstkorrigierenden Mechanismus beinhaltend, war der Goldstandard zuvörderst ein Produkt der Politik und konnte nie etwas anderes sein.

Statt mich also in der Kritik einzelner Aspekte zu üben, möchte ich nun eher die prinzipiellen Gründen ansprechen, die Hayek, nach meiner Meinung, in eine ganz bestimmte, verfehlte Richtung locken und ihn zu seinen Irrtümern verleiten.

Es wird sich herausstellen, dass Hayek auf Irrwege gerät, weil er den Versuchungen erliegt, die eine Idee aus der Bahn des Wissenschaftlichen unweigerlich in die des Ideologischen umleiten.

Hayek untersucht die Freiheit nicht als unparteiischer Wissenschaftler, sondern tritt als Parteigänger an sie heran, um sie einer bestimmten Weltanschauung dienstbar zu machen. Das ist der Fehler, der ihn scheitern lässt. Ideologien funktionieren nicht, weder logisch noch praktisch. Warum? Das will ich gleich am Beispiel Hayeks erläutern.

Zunächst aber die Geschichte einer Reihe von Irrtümern sowie einige Überlegungen zu Struktur und Qualität von Visionen.


Betrachten wir die Vision eines neuen Motorentyps, den Wankelmotor. Dieser verspricht erheblich wirtschaftlicher zu arbeiten als der konventionelle Hubkolbenmotor. Letzterer wuchtet die Masse des Kolbens einmal in diese Richtung und dann zurück in die entgegen gesetzte Richtung. Das heißt er beschleunigt Masse, bremste sie ab, beschleunigt sie wieder, bremst sie ab und so weiter. Dieses Hin- und Herreißen kennt der Wankelmotor nicht. Er verrichtet seine Arbeit in Form einer kontinuierlichen Rotationsbewegung. Alle beweglichen Teile drehen sich um ihren Schwerpunkt, die Exzenterwelle, so dass sich der Wankelmotor vollständig auswuchten lässt.

Die Idee des Wankelmotors trägt die Struktur einer Vision in sich. Aus bestimmten Schlüsselprämissen - hier die kontinuierliche Rotationsbewegung - leiten wir eine Conclusio, eine Schlussfolgerung ab, welche das Versprechen der Vision enthält. 


Wir hatten vor kurzem die Frage gestellt, wie gut die Visionen von Friedrich Hayek seien. Das hängt von Faktoren ab, die auch die Qualität jeder anderen Vision betreffen, einschließlich des Wankelmotors.

Denn zwischen Prämissen und Conclusio einer Vision pflegen intermediäre Bedingungen zu treten, die, ein gewichtiges Wörtchen mitsprechen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob eine Vision ihre Versprechen einzuhalten vermag.

Unter intermediären Bedingungen verstehe ich eben all jene Faktoren, die maßgeblich sind für die logische Stimmigkeit einer Vision und für ihre Chancen in der wirklichen Welt, ihre Machbarkeit und realen Konsequenzen.

Schaffen es die Annahmen einer Vision das "Minenfeld" der intermediären Bedingungen unbeschadet zu überqueren, dann haben wir eine Vision, die in der Lage ist, ihre verheißungsvolle Botschaft auch tatsächlich umzusetzen.

Die Vision des Wankelmotors hat den Test der intermediären Bedingungen nicht bestanden. Genauere Analyse und der Test der Realität bringen intermediäre Bedingungen zutage, denen der Wankelmotor nicht gewachsen sind. Vor allem erhebliche Dichtungsprobleme sorgen dafür, dass sich das visionäre Versprechen höherer Wirtschaftlichkeit in sein Gegenteil verwandelt - u. a. wegen erheblich längerer Dichtflächen verzeichnet der Wankel einen sehr viel höheren Kraftstoffverbrauch als der Hubkolbenmotor.


Wer die Erkenntnisse, die die Gültigkeit des Zusammenhangs zwischen den Prämissen und den Schlussfolgerungen einer Vision widerlegt,  nicht kennt, ignoriert oder gar bewusst verschweigt, der verwandelt sich vom Visionär zum Ideologen - er verkauft Ideen, die nicht funktionieren können.

Eine der häufigsten Gründe dafür, dass aufrichtige und kluge Menschen sich zu Handlangern von Ideologien machen, besteht darin, dass sie sich bei der Verteidigung ihrer Vision auf einem zu hohen Abstraktionsniveau bewegen - was nichts anderes bedeutet, als dass sie die konkreten Verwirklichungsbedingungen, die sich auf einem niedrigeren Abstraktionsniveau befinden, außer Acht lassen. Diese Gefahr ist besonders groß im Falle politischer Theorien, wie dem Kommunismus oder dem Liberalismus, weil die Anzahl der Faktoren, die sich empirischer Überprüfung entziehen, sehr groß ist. Viele dieser Faktoren bieten sich dazu an, rhetorisch nachgebessert oder auf andere Weise durch geschickte Darstellung "entproblematisiert" zu werden. So zum Beispiel, wenn man den Umstand, dass "der Staat" als historisches Abstraktum für Verbrechen, Katastrophen oder aber auch nur für vielerlei ärgerliche Unzulänglichkeiten des Alltags verantwortlich gemacht werden kann, dazu ausnutzt, ihn als von Natur aus gefährlich und sogar bösartig darzustellen. Die allgemeine Staats-Schelte stößt bei vielen auf offene Ohren. Wenn sich erst einmal eine Gemeinde von Staatsgegner gebildet hat, kann sich deren Voreingenommenheit zu einem Faktor entwickeln, der das Staatsversagen für eine wachsende Zahl von Menschen zu einem untrüglichen Bestandteil ihrer Realität macht. Schieres Sich-Angesprochen-Fühlen und Gruppenresonnanz bilden eine neue Realitätsschicht, die das Bild des fraglichen Sachverhalts eintönen. Nur ein Absteigen auf ein niedrigeres Abstraktionsniveau, das heißt die prüfende Konfrontation mit konkreten, intermediären Bedingungen, öffnet den Blick auf andere wichtige Aspekte des Staats, die schließlich den Schluss zulassen, dass er zwar ein ambivalentes Wesen hat, das sich aber für vieles nutzen lässt, was gut für uns ist.




Fortsetzung folgt.

Thursday 25 February 2016

The State - (10) - [Draft] - Conclusion

Image credit. Continued from here.

§ 40 - Less Power Is More Power

Freedom requires stability and predictability of human interaction in a community that adds up to

  • peace, 
and in combination with other elements of freedom, to
  • cooperation on an unprecedented level of productivity.

This is where the vital link between freedom and the state comes into the picture. For its functioning, strength, and effectiveness, the state too depends on the kind of peaceful coexistence with and among its citizens that derives from stability, predictability, and productive cooperation in a community.

At the same time that the state is rationally interested in productivity- and wealth-enhancing peace, it is uniquely capable of ensuring conditions that promote a free and peaceful society.

Jean Bodin discovered and elucidated in the 16th century that less power is more power

In his work he explains that adherence to binding rules makes for credibility and efficiency in a ruler. An earnest willingness to make concessions to the needs of its subjects and even to devolve rights and responsibilities of power to them captures important segments of the populace by making them duty-bound, obligated by responsibility and sharing a stake in the stability of the order that has given them a voice and a station.

At the outset, we have roughly defined freedom as containment of arbitrariness.

In this sense, freedom gradually becomes a tool of sovereign power. The hinge that couples freedom, power, and the state is the paradoxical experience that by decreasing arbitrariness vis-à-vis his subjects the ruler gains in popularity and effectiveness. The state's ability to effect larger, socially valuable goals increases. For instance, a sovereign that consults his subjects before levying more taxes tends to foster the willingness of the people to pay taxes and thus ultimately broadens his tax base. 

Power-sharing turns compliance into voluntary cooperation.

Delegation strengthens the credibility and effectiveness of power. Thus, separation of power e.g. leaves the unpleasant task of conviction and punishment to a neutral, rule-based, objectivity-seeking agency rather than the ruler, who reserves acts of grace to his portfolio of competences, advantageously claiming to exercise power based on non-arbitrary justice while having everyone benefit from the efficiency of a professional judicial system.
  
Freedom of speech improves the level of pertinent information available to the ruler, whose ability to help or react judiciously is enhanced, which in turn buttresses her popular legitimacy. A free-spoken  citizenry with its representative bodies is instrumental in improving the monitoring of policies. Showing the people respect by according rights and power to them creates a new base for recognition and active support of the sovereign.

Power has its subtleties and paradoxes. Making the best of them is what freedom is about. At certain strategic junctures, the state can afford to be weak, because it is very strong, not only and primarily in terms of physical coercion - no, more importantly, because it has capabilities no other agents can bring to the table: consider religious toleration in Bodin's age when faith-based strife gives the state a chance to become stronger than ever.

Restricted by self-imposed religious neutrality and toleration, the state shows the way to solve the excruciating problem of violence in religiously intolerant society. It has the capacity to break the feud dynamics among religious zealots, stepping in as a level-headed mediator capable of implacable peace enforcement and reasonable arbitration in a community that cannot achieve peace without external help.

The state functions as a transrational go-between (see below) that represents its citizens but not their vengeful ambitions, repressing lethally destructive fervour by imposing conditions of peace like the prohibition of public debate on religious issues that ultimately brings about the privatisation of faith. 

In organising religious toleration, the state engages in a variant of peace-keeping whereby dangerous tension is reduced by diffusing it in multiplicity, neutralising the dangerous side-effects of faction by creating an atmosphere of pluralism. Instead of letting the foes segregate into regional base camps from which to fight religious wars, they are absorbed by a larger kingdom, where faction is reduced by plurality and peace is being kept by a tolerant role model of toleration that is stronger than any of the inflammable parties.

This is another case of the state organising transrational solutions. The latter are due to arrangements whereby contenders, locked into dissension that is insurmountable from what appears to each party to be a position of ultima ratio, are given strong incentives to avert their energies from the deadly impasse to issues often similarly weighty but more amenable to agreement. Crudely speaking, the state is in a position to entice citizens to move from

  • single shot games that provide no release from mutually destructive absolute disagreement
to 
  • iterated games that widen the horizon of mutual advantage for the involved contenders.    

Less power is more power: From Spinoza to John Milton, from Locke to Montesquieu, from Hume and Kant to Thomas Jefferson, numerous later writers associated with the liberal tradition would take up this crucial insight to expand on and variegate it. In fact, germinating liberalism and the impetus it gave to the growth of freedom are deeply inspired by the discovery of power as a productive force, a source and conduit of energy to be marshalled next to the fossil fuels and the steam engine that help make the leap into the era of open access societies.

Freedom, as I will argue more fully below in § 41, is a scales with two pans: dissension and pacification. By virtue of balancing dissension and pacification, violence and distrust are transformed into constructive competition and effective trust. For such balance to be attained,

  • the state is forced to admit dissension, if it is to operate on a satisfactory level of effectiveness, and security both for itself and for the citizenry. 
Simultaneously, 
  • the state needs to have sufficient power and authority to provide the public goods of freedom, including mechanisms - like the political infrastructure within which political competition and mass dissent take place - that keep the centrifugal (anomy-oriented) and centripetal (unduly power-concentrating) forces of open pluralism within the bounds of a society characterised by unprecedented peaceableness, personal autonomy, productivity and wealth.

§ 41 - Freedom = Democratised Dissent + Appropriate Pacification

In essence, freedom is a balance of
  • democratised high pressure mass dissent
and 
  • pacification strong enough to (a) diffuse the pressure of democratised dissent and (b) channel and (c) non-destructively combine it with the other ingredients of peaceful coexistence in a free society.

Power under Freedom

Power takes on a specific meaning in open access societies as we encounter them in the most advanced historical stage of freedom: power turns out to be dependent on dissension, while at the same time the exercise of power is conditional upon an ability to ensure pacification both by embracing the populace through competence sharing and concessions to their needs, as well as by implacable coercion based on popular legitimacy and effective trust. 

Freedom - a Balance of Dissension and Pacification 

We may summarise:

Dissension - Requirement and Result of Open Access Power:

(a) Dissension - Requirement of Open Access Power Power
(b) Dissension - Result of Open Access Power

Pacification - Requirement and Result of Power:

(a) Pacification - Requirement of Open Access Power
(b) Pacification - Result of Open Access Power Power

Politics is about
  • organising the state under conditions of open dissent and appropriate countervailing pacification, 
or, as one may also put it, politics is about
  • using the state to organise open dissent and appropriate countervailing pacification. 
Being home and dry with these results, it is time to turn to the subject-matter of politics in a free society.

Tenth of ten sequels on "The State", and 

End of Chapter "The State"

Monday 22 February 2016

The State - (9) - [Draft]

Part Three - The State - (9) - [Draft] - Bodin's Take: The State Needs Fetters To be Strong

Image credit. Continued from here.

§ 37 - Constitutionalism - Positive and Negative

In presenting my case that freedom vitally hinges on substantial and efficient government services, I shall now go even a step further. I contend that one may look at some of the central arrangements of freedom as having been consciously picked to be instrumental in bringing about a particularly strong state. To be sure, in that perspective, a powerful state is not an end in itself. Rather, it is desired because it represents the most elemental precondition of freedom. It is this attitude that inspirits the most important contribution of liberalism to the history of human institutions: constitutionalism.

By constitutionalism I mean the imposition of firm constraints on the state. More specifically, it may be regarded an attempt to direct the energies of the state into the most promising and constructive conduits.

First, however, we ought to discern negative constitutionalism (tracking the ideas of negative rights and negative liberty) from positive constitutionalism (tracking the ideas of positive rights and positive liberty - fore more see § 36).

Negative constitutionalism assumes that in order to achieve personal freedom, we must first and foremost trammel liberty's supposedly worst enemy, the state. In this reading, freedom is attained by keeping the state as small and as inactive as possible, subjecting it to intensive observation, based on a strong presumption against it. Yet, this view leaves unconsidered that liberty is a broader concept than personal freedom. The latter is feasible only because it is enclosed within a wider system of liberty, notably including the positive rule-controlled functions of the state. Which brings us to positive constitutionalism.

Positive constitutionalism understands that freedom is not a residual state of affairs attained by inaction but a creation that needs to be constantly attended to by affirmative action and an appropriate institutional framework regulated (not only but significantly) by the fundamental rules laid down in the constitution.

Although, these constitutional guidelines have extensive implications in the way of stopping possible undesirable state activity, they are equally instrumental in allowing, encouraging, and even demanding the state to take affirmative action conducive to freedom and the common weal.

Contrary to influential, in certain liberal circles perhaps nowadays even dominant, negative accounts of freedom as implied in negative constitutionalism, it is inaccurate to say that the purpose of a constitution is to shackle the state so that the individual can be free.

At least since the 16th century it has been well understood that the strength of the state is a function of judiciously chosen rules guiding and delimiting governmental competences. To impose such rules on an agent is not at all the same as enchaining it in the manner of stifling a powerfully destructive beast. No less than observing certain traffic rules shackles the ability of an ordinary driver to make the best of having a car at his disposal. Quite to the contrary.

It is advisable to discard some philological biases - "necessary evil," "Leviathan," night-watchman" etc - that easily tempt us to think of the state as a naturally evil institution that must be put in fetters and diminished if anything good is to come of it. Like a knife that is neither naturally a murderous instrument nor naturally a potato pealing instrument, the state is neither naturally evil nor naturally benign. Positive constitutionalism marks the evolutionary and historical stage in which man has learned to turn the state into a facilitator of freedom by by subjecting it to appropriate rules.

As I have argued before, freedom expands concentrically, and she is divisible in that she may apply to some persons and some parts of society but not to others. In the age of positive constitutionalism, freedom's reach and leverage increases dramatically thanks to her instrumentalising one of mankind's most advanced social technologies: the modern state.

Gradually freedom has become the ability to release the enormous positive forces contained in the modern state.

A view certainly not supported by all liberals today, historically liberalism (or more generally liberty-focussed thinking) can be seen as a strategy to realise the most desirable type of society by making the state as strong as possible.

§ 38 - The Paradox of (Absolute) Power

Prominently among the historical challenges that help father liberalism and shape its agenda are the blazing religious conflicts of the 16th and 17th century. A crucible in which many ideas are forged that exercise the political mind to this day, such as issues relating to the tension between power and diversity of opinion. Witnesses of gruesome religious strife, authors like Machiavelli, Hobbes and Bodin, struggle to understand the nature of power, its position in the battles of the day, and its calling and ability to mould the people and the times.

In their view, nothing is worse than anarchy. Even a malign authority is better than none, oppression is preferable to civil war. Hindering subjects from killing one another is the most basal demand on the highest earthly possible authority. Naturally, power gains centre stage in the deliberations of these thinkers. And so they discover that power has its subtleties, its aporias and tricky implications.

Great is the temptation to equate unrestricted exertion of force with effectiveness in dominance. The idea that power is the source that lends authority to law, rather than its content and substantive quality, legal positivism, as this doctrine will be called in later time, is an offspring of an arrogant and callous or simply a desperate flirt with absolute power. If religion is fragmented and cannot be reverted to for generally binding decisions then perhaps this competence should devolve on the temporal sovereign, the uncommanded commander. If we, prone to gridlock, cannot keep peace among ourselves by virtue of our own authority, then a higher third party authority may be needed and thus justified in ordaining peace. But what does it take to invest a party with this peacekeeping power?

Incidentally, here we have again a case of transrational amelioration - see also § 13 - a way of redirecting the energies of intractably opposed reasoning into calmer channels.

In his thinking, Jean Bodin prefigures my earlier observations on the human competition for structures of maximal power - see The State - (2) - [Draft]. All striving for power converges on the selection of an unassailable supreme wielder of power. Much of the most egregious harm man may ever be exposed to is the result of (a) the absence or (b) the unfinished installation of a monopolistic centre of power. Our reasoning is therefore irresistibly drawn to the serviceable prospects of absolute power. But there are obstacles on the way to its promises, no less for the doer than for the thinker.

Absolute power may actually be an illusion, or really just a short-lived prelude to catastrophe, to mayhem, to anarchy, and ultimately, by much blood, sweat, and tears, to more reasonable forms of power. As we have seen in The State - (6) - [Draft], no matter how powerful, the state's discretion is never unconditional. The complexity and large number of influences working on a state, let alone the state embedded in a democratic environment, bring forth a plethora of constraints that no sovereign can divest himself of. In fact, acting as if these constraints did not exist eventually saps the strength of him who proceeds with overbearing might. The very exercise of power will tend to be accompanied by conflicts and collisions that remind the sovereign harshly where to tread and where better not to. Maximising power is the process of adapting to (a) the hindrances obstructing the sovereign's unbridled will and (b) the counterforces awakened by the exertion of profuse power. Maximising power is the process of sounding out the ever present, ever changing conditions of power.

Bodin is compelled to concede that the sovereign, whom he accords the largest possible range of discretion, including the ultimate authorship of the law, is

not free
  • to choose his successor, or 
  • to sell parts of the kingdom, as if it were his private property, or
  • to levy taxes without consent, or
  • to violate just and reasonable conventions and covenants, whether of his own or of prior volition, or
  • to force magistrates to obey or execute royal ordinances that are held by them to be unjust or dishonest, or
  • to refuse to listen to the humble supplications and requests of his subjects.  
Rather than capitulating to the contradictory coincidence of (a) the need for maximal power and (b) the formidable obstructions facing it, Jean Bodin begins to figure out that the largest possible power does not resemble an unchecked blow, but instead is gathered in roundabout ways and applied with circumspect reserve.

§ 39 - Resolving the Paradoxes of (Absolute) Power

Absolute power is one of those terms that do have meaning, but lack anything corresponding in the real world. For quite naturally power is adulterated with conditions, limits, and counterforces pushing it back. In every era, human society must cope with two problems most fundamental to it: violence and mistrust. Likewise, the wielder of power needs to find a reasonable balance between a critical minimum of trust and an intolerable excess of violence. The holders of power must manoeuvre to find that balance. Distrust and destructiveness can eat them up.

But the ultimate taboo for the rational holder of power is self-destruction. In not ruling properly, i.e. paying careful attention to the limits of his power, the sovereign runs the risk of destroying himself. Power must be wielded judiciously to be lasting power.

Subjecting herself to certain restrictions, binding herself to rules that she will not overrule, is an indispensable means for the ruler to increase her effective power.

Continued here.

Crisis Watch (2) - A Post-Keynesian View - Lord Eatwell


Image credit.

I remember him from my days at Cambridge, when he was a dashing young man:

Writes Lord Eatwell of the Great Financial Crisis:
The adage that, in the absence of the prospect of growing demand, cheap money amounts to “pushing on a string” has been once again confirmed in advanced economies by the slowest recovery from any modern recession. Instead of funding real investment, monetary expansion has resulted in a boom in asset prices — not just in real estate and equity markets, but in the flow of funds into emerging market corporate bonds in the search for higher return. All these asset markets are extremely unstable, as is now all too evident. And, as has been once again demonstrated in the last 7 years, financial instability leads to substantial real economic loss.
Yet in the face of evident policy failure, and of severe asset market distortions that can only lead to further financial instability, the response seems to be “more of the same”, or even, in the case of negative interest rates, “very much more of the same”.
There was a significant fiscal expansion in the US in 2009 that had a clear positive impact. But the federal government lost its nerve and reined back on the expansion just as it was gathering pace. The quiet abandonment of severe austerity by the UK government in 2012 at least enabled something of a recovery, albeit fuelled by growing household debt. Fiscal policy works.
Given that the cost of funds to most governments is today negative in real terms (and sometimes in money terms too) it is difficult to understand the failure to initiate a major expansion of investment in infrastructure and the other major components of “supply-side” strength. This failure is resulting not just in a loss of output today, but a long-term loss of competitive productive capacity (a particularly severe problem for the UK). Fiscal policy can provide the pull on the string required to validate the monetary push.
The source

Saturday 20 February 2016

Das Paradoxon der Freiheit (10) - Ein Vortrag

Fortsetzung des neunten Teils.


Mit seinem Bekenntnis zu sozialstaatlichen Einrichtungen, das er in seinem Opus Magnum Die Verfassung der Freiheit ablegt, hat Friedrich Hayek bei Freund und Feind Verwunderung ausgelöst und sich den Unmut vieler zugezogen, die seiner liberalen Denkweise ansonsten nahe stehen.

Beide Reaktionen sind verständlich, wenn man sich vor Augen führt, wie radikal der minarchistische Liberalismus ist, der Hayeks publizistisches Lebenswerk und sein öffentliches Auftreten dominiert.

Ich habe bereits in der siebten Folge dieses Vortrags angedeutet, dass der radikale Liberalismus die Vernetztheit staatlicher Leistungen insofern verkennt, als selbst punktuelle Konzessionen zugunsten staatlicher Eingriffsrechte („Nachtwächterstaat“, minimaler Sozialstaat) nur durchführbar sind, wenn der Staat über sehr weitreichende Eingriffsmöglichkeiten verfügt. So muss er beispielsweise über einen ausgedehnten und aufwendigen Steuererhebungsapparat verfügen, wenn alle Mitglieder der Gesellschaft zum Ressourcen-Pooling herangezogen werden sollen. Die Intention, nur geringe staatliche Einmischung zuzulassen, mag sich auf „small government“ reimen. Doch die Durchführbarkeit selbst von nur geringen Eingriffen reimt sich hingegen schon auf „big government“.

Freiheit ist ausgesprochen teuer. Schließlich ist die Gewährleistung der Rechte, die jeder Libertäre vom Nachtwächter-Staat gesichert wissen will, mit gigantischen Kosten verbunden. Das Polizeiwesen, die Gerichtsbarkeit, das Verwaltungswesen, die föderalen und anderen Einrichtungen der Gewaltenteilung u.s.w. – all das verschlingt Unsummen und setzt daher einen mächtigen, umfassend präsenten und weitgehend eingriffsberechtigten Staatsapparat voraus. Small government bedeutet, dass dem Staat die Macht und die Ressourcen fehlen, unsere Freiheitsrechte durchzusetzen.

Ich glaube, das macht sich Hayek nicht bewusst - weder, wenn er den Hut des Befürworters sozialstaatlicher Leistungen aufsetzt, noch wenn er, dem Trugschluss unterliegend, dass Freiheit größtenteils durch Unterlassung und somit sehr kostengünstig zu erzielen sei, als erklärter Minarchist für den umfangreichen Katalog jener Rechte eintritt, die unsere Freiheit ausmachen. 

Für Hayek ist der Staat ebenso leicht für begrenzte Zwecke einzuspannen wie man ihn hinsichtlich grundlegender gesellschaftlicher Einrichtungen dann wieder wegdenken kann. Wie gesagt, seine normative Voreingenommenheit gegenüber dem Staat verleitet ihn dazu, nicht genauer über dessen wirkliche, empirisch greifbare Rolle nachzudenken. Hayek folgt einem doktrinär-normativen Schema, wonach die Teilnahme des Staats an einem gesellschaftlichen Projekt dann beifällig zu beurteilen ist, wenn er nur in geringfügigem Maße oder, besser noch, gar nicht im Spiele ist.

Und so sind die drei Theorien, auf die Hayek besonders stolz ist – jedenfalls verwies er auf sie, als man ihn nach seinen wichtigsten wissenschaftlichen Leistungen fragte – ausdrücklich darauf gerichtet, den Staat, den er qua Bereitsteller sozialer Leistungen als selbstverständlich voraussetzt, aus drei Kernbereichen des gesellschaftlichen Geschehens so weit als möglich auszuschließen. Er tritt für privates Geld ein, er macht Vorschläge, wie das Recht zu einer Privatangelegenheit gemacht werden kann, und versucht, den Staat in seiner politisch-parlamentarischen Ausprägung grundsätzlich daran zu hindern, Gesetze zu erlassen, die seinem minarchistischen Liberalismus widersprechen.



Hayeks drei Theorien in Kürze: Politik und Staat sind ihm zuvörderst Störfaktoren in der spontanen Ordnung einer freien Gesellschaft. Das zeigt sich ihm zum Beispiel bei der gesellschaftlichen Institution Geld. Die zweckmäßigste Form des Geldes sollte laut Hayek durch den natürlichen, spontanen Prozess des Wettbewerbs selektiert und im täglichen Gebrauch geregelt werden. Hingegen erzeugt der Staat politisiertes Geld – Geld, das von allerlei speziellen Interessen beeinflusst – z. B. durch inflationäre Wirtschaftspolitik und krisenerzeugende Zentralbankinterventionen – und damit zweckentfremdet und verdorben wird. Befreit von politisch-staatlichem Missbrauch, kann sich die leistungsfähigste Form des Geldes am Markt und somit im Wettbewerb unterschiedlicher Gelder durchsetzen. Hayek hat keinen Zweifel daran, dass sich im Währungswettbewerb das Geld eines privaten Emittenten gegenüber staatlichem Geld behaupten wird. Die zahlreichen Einwände, die sich gegen diese Überlegungen vorbringen lassen, können nicht im Rahmen dieses Vortrags behandelt werden. Es sei jedoch der Hinweis gestattet, dass vieles dafür spricht, dass Geld ein öffentliches Gut darstellt, welches sich ohne staatliche Federführung kaum bereitstellen lässt. Auch ist völlig unklar, auf welche Weise dafür gesorgt werden soll, dass politische und staatliche Interessen plötzlich ihren Zugriff auf die Geldverfassung verlieren. Für die Zwecke dieses Vortrags ist vor allem aber maßgeblich, dass Hayek seine Geldtheorie als ein Instrument einsetzt, welches vornehmlich dazu dient, den Einfluss des Staats zurückzudrängen. Mehr denn zwingende ökonomische Gründe, so will mir scheinen, ist es dieser Wunsch, den Staat auszuklammern, der seine Theorie motiviert.


Das gleiche Ideal, nämlich den die spontane Ordnung bedrohenden Staat fernzuhalten von wichtigen gesellschaftlichen Vorgängen, finden wir wieder in Hayeks Gedanken über eine Wiederherstellung des privaten Rechts, welche ihm dringend geboten erscheint, nachdem der Staat inzwischen mit seinem Recht, dem öffentlichen Recht, in Bereiche des Lebens hineinwuchert, wo er nichts zu suchen hat.  Das Recht als Instrument der Intervention soll dem Staat aus der Hand genommen werden. Vorwiegend private Anlässe, insbesondere Verletzungen des Harm-Principle, sollen das Justizwesen beschäftigen. Richter und Anwälte sollen hauptsächlich bei Anruf durch Privatpersonen aktiv werden. Ihre Zwistigkeiten sollen die Menschen in ihrer Eigenschaft als private Parteien unter sich austragen, ohne Einmischung durch die öffentliche Hand. Auch hier muss es für mich einstweilen sein Bewenden mit dem kritischen Hinweis haben, dass Freiheit und die mit ihr verbundenen Rechte und Pflichten den Charakter öffentlicher Güter haben und somit von Natur aus keine Privatangelegenheiten, sondern öffentlich zu regelnde Sachverhalte darstellen. Doch auch hier wird Hayek in erster Linie vom Ehrgeiz getrieben, einen Weg aufzuzeigen, wie der Staat sich aus unserem Leben verbannen lässt.



Und schließlich das dritte, in gewisser Weise krönende Projekt des Hayekschen Minarchismus: seine Ideen zur Reform des Parlamentarismus. Darin sucht Hayek einen Weg aufzuzeigen, wie sich Politik und Staat daran hindern lassen, Gesetze zu verabschieden, die im Widerspruch zu den Prinzipien seines Liberalismus stehen. Einerseits ein logischer Ansatz, mit dem es im Erfolgsfall grundsätzlich möglich wäre, die anderen beiden Projekte politisch abzusichern, wie ich gleich kurz verdeutlichen will. Andererseits ist diesem Bemühen der gewichtige Vorwurf kaum zu ersparen, dass Hayek einen politisch intoleranten Staats-Liberalismus ins Leben zu rufen trachtet.

Er geht von der These aus, dass es in den führenden westlichen Demokratien keine echte Gewaltenteilung gibt, da die Legislative die maßgeblichen Persönlichkeiten der Exekutive bestellt und ihnen vorgibt, was sie zu tun und zu lassen haben. Aus anderer Perspektive betrachtet könnte man sagen: Die Exekutive gibt sich selbst ihre Aufgaben und Grenzen vor und ist ihr eigener Aufseher.

Dem will Hayek einen Riegel vorschieben, indem er eine Zwei-Kammern-Legislative vorschlägt, in der 
  • ein Haus (Legislative II) das konkrete Amts-Gebaren der Exekutive im Einzelnen steuert und überwacht (hat die Regierung ihr Budget in finanzieller und zweckgerechter Hinsicht eingehalten und z. B. die im Haushalt vorgesehenen 50.000 neuen Richterroben ordnungsgemäß bewilligt, bestellen und ausliefern lassen?),
während 
  • ein zweites Haus (Legislative I) (a) die grundlegenden Prinzipien beschließt, an die die Regierung und ihr unmittelbares Aufsichtsorgan, Legislative II, gebunden sind, sowie (b) die Einhaltung dieser Grundsätze durch Legislative II und Regierung überwacht.
Offenkundig verfolgt Hayek damit das Ziel, den Staat an die von ihm favorisierte Regierungsphilosophie zu ketten. Unklar ist, mit welchem Recht er erwartet, dass die Vertreter der obersten Überwachungslegislative seine Weltanschauung ausreichend kongruent mit ihm teilen. Es ist unbestreitbar, dass Hayek das Regieren auf einen ideologischen Kanon verpflichten will, der seiner parteiischen Position entspricht.

Hayek folgt der Vorstellung, dass es so etwas wie einen Grundbestand an objektiven Erfordernissen einer freien Gesellschaft gibt, die sich in einer endlichen Folge von Rechtsgrundsätzen dokumentieren und durch entsprechend ausgebildete Überwachungsspezialisten eindeutig interpretieren, verkünden und durchsetzen lassen. Er übernimmt dabei Elemente der Kantschen Rechtsmythologie, wie das Prinzip der Universalisierbarkeit von gültigen Rechtssätzen, die eben jenen objektiv-eindeutigen Charakter des freiheitlichen Rechts gewährleisten sollen. 

Mir erscheint dieser Ansatz völlig verfehlt, weil er dem ständigen Wandel des Rechts im Zuge eines pluralistischen Wettbewerbs um seine inhaltliche Bedeutung und praktische Gültigkeit in keiner Weise gerecht wird. In einer freien Gesellschaft ist das Recht notwendigerweise stark umstritten, und es ist unbedingt erforderlich, dass bei seiner wettbewerblichen Formung auch Kräfte und Ideen zum Zuge kommen, die Hayek durch seine Überwachungslegislative grundsätzlich ausgesperrt wissen will. Es ist dieser notwendigerweise und aus gutem Grund enorm politisierte Wettbewerb, der das Recht in einer freien Gesellschaft gestaltet. Der Ausgang ist nicht vorhersehbar, auch weil der Prozess der Neugestaltung des Rechts sich nicht objektivieren lässt, schon gar nicht zugunsten der Erwartungen einer bestimmten Ideologie. 

Dagegen ist Hayek bestrebt, die Offenheit des politischen Wettbewerbs durch sein Zwei-Kammern-System einzuschränken und die Öffentlichkeit von der gesellschaftlichen Gestaltung, zu der sie drängt, unter dem Präjudiz einer liberalen Leitdoktrin fernzuhalten. Die Illiberalität dieses Vorhabens wird nur noch von ihrer Undurchführbarkeit übertroffen.


Fortsetzung folgt.

Friday 19 February 2016

Das Paradoxon der Freiheit (9) - Ein Vortrag

Fortsetzung des achten Teils.

Die gute Gesellschaft ist eine spontane Ordnung. In diese spontane Ordnung eingreifen, heißt sie schwächen und schädigen. Wenn dies auch das robuste, unermüdlich vertretene Grundmuster der Hayek-liberalen Argumentation wiedergibt, so drängen sich selbst Liberalen weitergehende Fragen auf über den genauen Grenzverlauf zwischen legitimen und illegitimen Formen der Intervention in eine spontane Ordnung.

An dieser Frage scheiden sich die liberalen Geister, bilden gegnerische Lager und "exkommunizieren" einander indem sie Richtung Sozialdemokratie driften oder umgekehrt den Großteil sozialdemokratischer Staatseingriffe verurteilen und auf die Vorzüge des minarchistischen Minimalstaats pochen. Auf dem Kontinuum zwischen Anarchismus, der die Abschaffung des Staats für die Grundvoraussetzung einer akzeptablen Gesellschaftsform hält, und dem marxististischen Sozialismus, der die ideengeschichtlich bisher umfänglichste Steuerung und Kontrolle der Gesellschaft durch den Staat fordert, und diese Forderung ab 1917 in der Praxis zunächst in Russland und dann in anderen Ländern umsetzen wird, liegen die Schwellenbereiche, jenseits derer sich der Liberalismus in anderen Ideologien auflöst. Am einen Ende: der Minarchismus, der häufig in den Krypto-Anarchismus und mitunter in den bekennenden Anarchismus übergeht. Am anderen Ende: die Sozialdemokratie. 

Unter Krypto-Anarchismus verstehe ich den in liberalen Kreisen weitverbreiteten Standpunkt derer, die es zwar ablehnen, sich als Anarchisten klassifizieren zu lassen,  zugleich in ihren typischen politischen Reaktionen aber Anarchisten gleichen, da sie sich nahezu ausschließlich in harscher Staatskritik ergehen. Minarchisten und Krypoto-Anarchisten haben eine sehr niedrige Toleranzschwelle hinsichtlich staatlicher Eingriffe. Fast alle gesellschaftlichen Probleme werden auf schädliche Staatseingriffe zurückgeführt. Es ergibt sich eine gewisse Symmetrie mit sozialistischen Argumentationsmustern: sind für den Minarchisten fast alle Übelstände das Ergebnis anmaßender staatlicher Einmischung, so sehen viele Sozialisten in "der kapitalistischen, vom Staat unzureichend gezähmten Gesellschaft" die Quelle aller Missstände.

Es ist die Wahl des Grenzverlaufes zwischen zulässigen und unzulässigen Staatseingriffen, die die Verschiebung der liberalen Identität zwischen Minarchismus und Sozialdemokratie bewirkt. Dabei ist ein vermeintlich "klassischer" Standpunkt festzustellen, wonach ein Liberaler nur solche Eingriffe duldet, die dazu dienen, die allen gleichermaßen zugestandene Privatsphäre des Individuums zu schützen. Niemand besitzt das Recht, seine Anliegen dadurch zu befördern, dass er diese geschützte Privatdomäne eines Anderen verletzt. Eingriffe und Angriffe sind nur zulässig, wenn sie diesem Schutzauftrag entsprechen.

Harm-Principle und Benefit-Principle

Nur der Schaden ("harm"), der der rechtlich bestimmten Privatsphäre eines Menschen droht, berechtigt zum Angriff in schützender Absicht oder zum anderweitigen Eingriff Dritter in die Angelegenheiten eines freien Individuums. 

Dieses "harm principle" hat eher propagandistisch-plakativen Charakter, da seine Umsetzung schnell auf grundsätzliche Hindernisse stößt. Welche Rechte die zu schützende Privatsphäre umfasst ist Gegenstand vielschichtiger Kontroversen. Man kann ein einvernehmliches gemeinsames Verständnis dieser Kategorie und der zahllosen Einzelrechte, in die sie zerfällt, schlechterdings nicht erwarten - schon gar nicht in einer Gesellschaft, in der ein hohes Maß an politischer Freiheit herrscht.

Außer in der Welt starrköpfiger Doktrinäre und Ideologen wird dieses "harm principle" schnell vom lebensnahen "benefit principle" verdrängt. Gemäß dem Benefit-Principle darf sehr wohl in geschützte Privatbereiche eingegriffen werden (z.B. Enteignung im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten wie dem Bau einer Bahnlinie), wenn sich dadurch ausreichend wichtige Vorteile für die Allgemeinheit sichern lassen - durchaus auch unter Wiedergutmachung der Nachteile, die das in seinen Freiheitsrechten beeinträchtigte Individuum erleidet.

Es ist an dieser Stelle, dass sich der doktrinäre Liberalismus abkoppelt vom freiheitlichen Denken, das unvoreingenommen an die Möglichkeiten des Benefit-Principle herantritt. Hier ist die Bruchstelle, die den ideologischen Liberalismus zurücklässt, indes große Teile des liberalen Gedankenguts nun eine gemeinsame Reise mit sozialreformerischen Kräften antreten, an deren Ende wir die moderne Sozialdemokratie vorfinden, die den Liberalismus als Fundament wählt, auf das sie ihre zahlreichen erfolgreichen Reformen und Interventionen stellt. Es ist im Übergang zwischen Harm-Principle und Benefit-Principle, dass sich die Identität des modernen Liberalen ab 1850 zu wandeln beginnt und den Stab der politischen Führung an die zutiefst im Liberalismus verwurzelte, aber eingriffsbereitere Sozialdemokratie übergibt.


Der Liberalismus Hayekscher Prägung bleibt der ursprünglichen Tradition treu, die ab 1850 zurückbleibt hinter rasant vollzogenen Neuerungen bei der Nutzung des Staats als Reformkraft und Garant neuartriger sozialer Errungenschaften. Ich kann hier nur andeuten, dass der Liberalismus in Wirklichkeit von Anfang an offen war für sinnvolle Formen politischer und staatlicher Gestaltung. Das realpolitische Aufgehen der liberalen Impulse in der modernen Sozialdemokratie und die lärmenden propagandistischen Schlachten zwischen dem doktrinären Liberalismus des Harm-Principle und seiner empörten Gegner haben uns jedoch den gegenteiligen Eindruck hinterlassen. Tatsächlich lebt der Liberalismus fort als Depositum in wichtigen Schichten des sozialdemokratischen Paradigmas, das die westliche Welt im 20. Jahrhundert politisch beherrscht hat.

Demgegenüber bewegt Hayek sich größtenteils im Bereich des Minarchismus. Sein Hauptaugenmerk gilt den selbstorganisierenden Abläufen im gesellschaftlichen Leben.


Seine beharrliche Voreingenommenheit gegenüber größeren Eingriffen in die spontane Ordnung einer freien Gesellschaft hindert ihn grundsätzlich daran, den Versuch einer entwickelten und konsistenten Theorie von Politik und Staat auch nur in Angriff zu nehmen. Vorverurteilt als Hauptschuldige des Interventionismus, sieht Hayek keine Notwendigkeit, Politik und Staat einer tiefer gehenden Analyse zu unterziehen. Dass sich Hayek gelegentlich wie von ungefähr auf den Staat beruft als Vollzugsorgan bestimmter politischer Ziele, die seine Zustimmung finden, wie etwa eine Reihe sozialstaatlicher Einrichtungen, rechtfertig den Eindruck, dass die Linienführung seiner Gesinnung nicht frei ist von erratischen Ausschlägen in Richtung Sozialdemokratie. Wir werden aber bald schon sehen wie heftig diese Ausschläge in anderen wichtigen Punkten von ihm mit minarchistischem Eifer zurückgenommen werden.


Thursday 18 February 2016

Das Paradoxon der Freiheit (8) - Ein Vortrag


In der letzten Folge haben wir gesehen, dass es ein Manko des Hayekschen Liberalismus ist, die Rolle des planvollen Handelns im menschlichen Miteinander nicht nur herunterzuspielen, sondern geradezu geringzuschätzen, indem es unter den Generalverdacht gestellt wird, dass von ihm eine Bedrohung für die gewachsene Ordnung einer freien Gesellschaft ausgehe. Genauer gesagt, konzediert Hayek, dass planvolles Handeln seine Berechtigung für Haushalte und Firmen habe, als Instrument der Politik und des Staats aber höchst suspekt und besonders schädlich bei Eingriffen in die spontane Ordnung einer freien Wirtschaft sei.

Diese Bedenken sind einerseits zu pauschal und einseitig, verkennen sie doch u. a. die bewusst gestaltenden juristischen und administrativen Grundlagen einer freien Wirtschaft, andererseits trifft es freilich zu, dass bestimmte Formen des Eingreifens, des Lenkens und Verbietens uns abbringen von dem Ziel, den größtmöglichen Nutzen aus einer spontanen Ordnung zu ziehen.


Das Problem des Hayekschen Liberalismus ergibt sich daraus, dass er das Eingreifen schlechthin zum Hauptindiz erhebt, anhand dessen sich das Auslösen einer Funktionsstörung der spontanen Ordnung erkennen lässt. So wie Hayek sich mit den Idealtypen Kapitalismus und Sozialismus beschäftigt, und Eingriffe in ersteren sofort in Verbindung bringt mit einem Umschlagen in letzteren, so wie Hayek keine Theorie der gemischten Wirtschaft hat, mit der wir es realiter zu tun haben, sondern zu einem Entweder-Oder zwischen Kapitalismus und Sozialismus neigt, wodurch jeder Eingriff in die Wirtschaft sofort Brisanz gewinnt, so fehlt ihm die Einsicht darin, dass bewusste Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in sehr großer Zahl erfolgen, und erfolgen müssen, ohne dramatische Schäden zu zeitigen und oft gerade vonnöten sind, um die auch von Hayek gewünschte Ordnung herbeizuführen, um also, wenn man so will, den Rohstoff "spontane Ordnung" für die Zwecke des Menschen zu veredeln. Es geht um die Qualität der Eingriffe, nicht darum, dass möglichst wenige erfolgen. 

Doch leider wird die Frage, "wie stehe ich zur spontanen Ordnung" unter der präjudizierenden Annahme der Schädlichkeit von Eingriffen zur Kardinalfrage der liberalen Identität im Sinne des Hayekschen Liberalismus.

Die Abgrenzung von der Sozialdemokratie, die eine offenere Haltung in der Frage der Eingriffsberechtigung an den Tag legt, ist somit ideologisch vorprogrammiert und ebenso die Richtung, in die dieses Sich-Absetzen weist - in die minimalstaatlicher (minarchistischer) Gesinnung mit ihren charakteristischen Kernforderungen: 
  • so wenige sozioökonomische Eingriffe wie möglich, 
und weil der Staat das Sagen bei Eingriffen in die Gesellschaft hat, sowohl als autorisierende Instanz wie auch als intervenierende Institution, 
  • so wenig Staat wie möglich, 
  • ein absolutes Minimum an Staat, 
Ich wage, die These aufzustellen, dass der Hayeksche Liberalismus dazu verdammt ist, in die Richtung des Minarchismus zu tendieren, weil ihm die tiefe Verwurzelung und die gewaltige Ausdehnung bewusst gestaltender Handlungen in all dem, was eine freie Gesellschaft auszeichnet, entgeht. Bevor der Markt frei sein kann, bedarf es unzähliger Bestimmungen (z.B. gesetzlicher, vertraglicher und politischer Art) - Eingriffe, wenn man so will - die seine Funktionsweise überhaupt erst gewährleisten.

Die minarchistische Vorstellung von einer Herrschaftsordnung, die sich auszeichnet durch den kleinstmöglichen Staatsapparat und die geringstmögliche Teilnahme des Staats an den Geschehnissen der Wirtschaft und der Gesellschaft, ist schlechterdings untauglich, um den realen Verhältnissen, in denen die Institutionen der Freiheit gedeihen, gerecht zu werden. Denn tatsächlich geht es vor allem um die Art, die Funktion und die Folgen von Interventionen geht, so dass die Betonung der Frage, ob viel oder wenig Staat im Spiele sei, irgendwann an der Sache vorbeigeht und zur rituellen Konzession an einen Fetisch gerät.   

Aus der immer legitimen Sorge über unzweckmäßige Eingriffe und gefährlichen Dirigismus entsteht eine ideologische Verengung und ein sektiererischer Wettstreit um doktrinäre Reinheit und Radikalität - der sich um ein wieder zu allgemein gefasstes Kriterium dreht.


Das Paradoxon der Freiheit (7) - Ein Vortrag

Forsetzung des sechsten Teils.

Abträglich ist die einseitige Betonung selbstorganisierender Prozesse, wie sie in marktwirtschaftlichen Vorgängen zu beobachten sind, nicht nur, weil andere signifikante Faktoren, politische Einflussnahme und staatliche Rahmen-Gestaltung etwa, und deren Wechselwirkung mit den autopoietischen Abläufen  unberücksichtigt bleiben oder unterschätzt werden; abträglich ist sie auch für ein abgerundetes Verständnis des Wesens einer spontanen Ordnung.

Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die menschliche Fähigkeit, auf eine spontane Ordnung bewusst einzuwirken, aus ihr zu lernen, sich ihr anzupassen und sie abzuwandeln, um größeren Nutzen aus ihr zu ziehen, ja selbst ein Evolutionsprodukt ist. Eingriffe in eine spontane Ordnung sind beileibe nicht per se immer schon dazu verdammt, Schäden und andere Nachteile hervorzurufen. Die menschliche Befähigung zu intervenieren ist Teil der Entwicklungsgeschichte und der evolvierten Leistungsmerkmale spontaner Ordnung. Unsere Spezies hat es gelernt, sich spontanen Ordnungen zuträglich anzupassen. Planvolle Gestaltung und Selbstorganisation sind keine natürlichen Gegensätze. Was die Menschheitsgeschichte betrifft, so stehen sie in einer Beziehung der Ko-Evolution zueinander. Gestalterische Eingriffe in eine spontane Ordnung sind nicht minder wichtig bei ihrer Erhaltung und fortlaufend verbesserten Nutzung als der Schutz spontaner Abläufe, vor unzuträglichen Eingriffen - wobei zu bedenken ist, dass nicht nur die Schutzoption bereits einen Anspruch auf Intervention beinhaltet, sondern auch, dass eine scheinbar nur punktuelle Schutzmaßnahme in Wirklichkeit untrennbar verkoppelt ist mit einem komplexen und äußerst umfangreichen System weiterer Interventionen, wovon hier beispielsweise nur die Institutionen der Steuererhebung und der Justizvollzugsapparat erwähnt seien - mehr hier. Das Laissez Faire genießt keinen höheren Rang als der Interventionismus; es gibt in Wirklichkeit keinen Wettbewerb um den gegenseitig ausschließenden Vorrang zwischen beiden Prinzipien. Kontext und Anlass entscheiden darüber, ob es ratsam ist, einzugreifen oder nicht.

Anthropologisch betrachtetet ist es gerade die Fähigkeit, sich innerhalb spontaner Ordnungen als kreatives und somit auch die vorgefundene Ordnung umwälzendes Wesen zu schöpferisch zu behaupten, was den Menschen von anderen Tieren unterscheidet. Der Mensch ist Mensch, indem er sich durch Erzeugung und angestrebte Befriedigung immer neuer Bedürfnisse an seine Umwelt anpasst. Es entspricht dem Wesen des Menschen, seine Umwelt umzugestalten, in die gegebene Ordnung experimentierend und zielstrebig einzugreifen. Menschliche Eingriffe in spontane Ordnungen sind wesenstypisch für unsere Spezies, erklären ihr Wesen und ihre Überlebensfähigkeit.


In allen Belangen, die das Leben und die Geschichte unserer Gattung betreffen gilt: wenn wir nur weit genug zurückschreiten, um einen großen Bildausschnitt in Augenschein zu nehmen, stellen wir fest, dass wir es mit einer spontanen Ordnung zu tun haben. Niemand hat das 20. Jahrhundert geplant. Keiner hat den Kapitalismus entworfen und dann umgesetzt. Dies sind Phänomene, die sich spontan herausgebildet haben. Doch ist damit nicht schon gesagt, dass planvolles Gestalten keine Rolle spielt bei der konkreten Ausformung dieser spontanen Ordnung und besonders bei der Entwicklung ihrer Auswirkungen auf den Menschen. Anpassungsgeschick zählt ja gerade dann besonders, wenn man nicht der Schöpfer aller maßgeblichen Bedingungen ist, sondern sich in ihnen einrichten muss. Das ist ein weiteres Argument, welches dafür spricht, dass gerade das Hineingeworfensein des Menschen in spontane Ordnungen seine Fähigkeit, auf die gegebene Ordnung in seinem Sinne einzuwirken, herausfordert, evolutorisch honoriert und im Laufe der Zeit immer stärker verbessert. Spontane Ordnung ist für den Menschen allemal Anlass zum Eingreifen, zum Umbauen, zum Manipulieren des Gegebenen.

Nehmen wir ein zeitgeschichtliches Beispiel. Es waren bewusste Eingriffe der Politik und der staatlichen Macht, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges über den Charakter und das Schicksal der alternativen spontanen Ordnungen (Gesellschaftstypen) in Westdeutschland und Ostdeutschland entschieden haben. Ludwig Ehrhard war sich über wichtige Unterschiede zwischen diesen Alternativen bewusst und hat sich gezielt für die, aus seiner Sicht und der der meisten Deutschen, bessere von beiden spontanen Ordnungen entschieden.


Fortsetzung folgt.