Saturday 30 July 2016

Eine andere Sicht der Wirtschaft (3) — KEY und SKY



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Keynesianismus und Struktureller Keynesianismus

Der Strukturelle Keynesianismus (SKY) teilt mit dem Keynesianismus (KEY) die Auffassung, dass der Kapitalismus das mit Abstand leistungsfähigste sozio-ökonomische System ist, das je existiert hat: seine Fähigkeit, Güter zu erzeugen, Dienstleistungen zu erbringen und für einen hohen Lebensstandard zu sorgen, ist absolut unübertroffen. Es ist daher nicht wünschenswert, den Kapitalismus zu beseitigen. Er verdient unsere Unterstützung. Es ist nur klug, sich an seine Gesetze zu halten, soweit sie anderen wichtigen Bedürfnissen des menschlichen Zusammenlebens nicht entgegenstehen — ein Fall, der freilich genauso ins Kalkül zu ziehen ist, wie die missbräuchliche Verwendung oder die schädlichen Nebeneffekte jedes anderen leistungsfähigen Systems. Ein starker Motor ist nicht in erster Linie dazu da, bewundert zu werden. Wir wollen vor allem, dass er funktioniert und viel leistet; dazu muss er laufend gepflegt, gewartet und gegebenenfalls verbessert werden.

Einer Schwachstelle des Kapitalismus, die der KEY in den Mittelpunkt seiner Analyse der Volkswirtschaft stellt, schenkt auch der SKY große Aufmerksamkeit: nämlich der kuriosen Neigung, die volkswirtschaftliche Gesamt-Nachfrage schon zu drosseln, bevor sie den Punkt erreicht, an dem noch viele weitere Güter und Dienstleistungen bereitgestellt werden könnten, und zwar so, dass Vollbeschäftigung erzielt und gleichzeitig die Wirtschaft nicht überhitzt wird. Das System schöpft sein volles Potenzial nicht aus. Das unterminiert die Fähigkeit vieler Menschen, auf die einzige ihnen im Kapitalismus mögliche Weise, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen: durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft oder anderer Waren und Dienstleistungen.

Für KEY wie für SKY ist es maßgeblich zu verstehen, wovon die Gesamtnachfrage abhängig ist, denn wer die entsprechenden Wirkzusammenhänge kennt, ist in der Lage, das systemische Defizit des Kapitalismus durch Nachfrage-Management auszugleichen und anstelle drohender Massenarbeitslosigkeit einen Wohlstand zu schaffen, an dem alle teilhaben.

Der große Erfolg des KEY in den 30 Jahren nach Ende des 2. Weltkriegs hat jedoch einer technokratischen Deutung dieser Lehre Vorschub geleistet, wie das Schlagwort vom Nachfrage-Management verrät. Man drehe an dieser und jener Stellgröße und schon herrscht Wohlstand: mit der Ansteuerung eines bestimmten Zinsniveaus durch die Zentralbank — man spricht von Geldpolitik — und durch Variieren der Staatsausgaben und der Steuerlast der Bürger — man spricht von Fiskalpolitik — lassen sich nach dieser keynesianische Rezeptur angeblich Konjunktur-Extreme vermeiden und stetige Vollbeschäftigung herbeiführen. Das war unter den Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit tatsächlich so. Doch im Laufe der Zeit wurde man Opfer des eigenen Erfolgs. Man verlor die besonderen Bedingungen dieser Phase des Nachfrage-Managements aus den Augen und begann, daran zu glauben, im Besitz eines technischen Verfahrens zu sein, dessen Anwendung für sich schon Vollbeschäftigung und Wohlstand gewährleistet.

Doch die letzten 25 Jahre widersprachen zunehmend dieser Erwartung. Die Arbeitslosigkeit stieg deutlich und dauerhaft an. Die Ausbreitung des Wohlstands in der Bevölkerung kam ins Stocken und wies schließlich sogar eine rückläufige Tendenz auf. Weit davon entfernt, einen lang anhaltenden Impuls auszusenden, hat die expansionistische Geld- und Fiskalpolitik deutlich an Wirkung eingebüßt. Die Hebung des Beschäftigungsniveaus durch wirtschaftspolitische Maßnahmen gelingt nur noch in bescheidener Dosierung. Vor allem aber erweist sich das herkömmliche Nachfrage-Management als machtlos im Angesicht stagnierender Löhne und zunehmender Ungleichheit in der Einkommensverteilung.

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Der SKY hebt zwei Aspekte der mangelnden Praktikabilität des klassischen KEY hervor: zum einen ist der ursprüngliche Keynesianismus blind für die Veränderlichkeit der Voraussetzungen, unter denen der soziale Ausgleich zu erzielen ist, ohne den sein Wohlstandskonzept nicht funktionieren kann. Zum anderen ignoriert er die Fähigkeit der Unternehmen, sich an die Beschränkungen anzupassen, die ihnen auferlegt werden, um sie auf sozialen Ausgleich zu verpflichten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden von unterschiedlichen Interessen gelenkt — neben vielen gemeinsamen Interessen. Beide Seiten müssen ihre Ansprüche gegenüber denen des Gegenübers geltend machen. Das heißt, sie müssen sozialpolitische Einflussnahme üben. Gerät das Kräfteverhältnis der Einfluss nehmenden Parteien aus dem Gleichgewicht, verliert auch das System der gemeinschaftlichen Wohlstandsweitung seine Balance — ungute Einseitigkeiten treten an seine Stelle.

Kurzum: Das ökonomische Problem der Wohlstandsmehrung ist eingefasst in einen größeren sozialen Kontext, den der SKY im Gegensatz zum KEY ausdrücklich mitberücksichtigt.

Wenn das Kräfteverhältnis der Sozialpartner/Sozialkontrahenten in Schieflage gerät, so dass die Arbeitnehmer nicht mehr ausreichend am Wachstum der Wirtschaft beteiligt werden und das Volkseinkommen sich zuungunsten eines großen Teils der Bevölkerung verschiebt, trifft dies den Kapitalismus an seiner empfindlichsten Flanke: denn das System der Massenproduktion bei Vollbeschäftigung bedarf einer robusten, von der breiten Bevölkerung getragenen Nachfrage. Diese ist nur gewährleistet, wenn die Arbeitnehmer durch ausreichende Höhe und Wachstum ihres Einkommens an der Prosperität der Wirtschaft beteiligt werden.

Gleichgültig wie man Einkommensungleichheit von einem ethischen Standpunkt aus bewertet, über ein gewisses Maß hinaus ist sie abträglich für die Volkswirtschaft.

Wenn Arbeitnehmer sich verständlicherweise wehren, wenn ihre Interessen übergangen werden, so gilt das Gleiche für den Unternehmer, dem die Gewinn- und Verlustrechnung im Nacken sitzt. Der Grundimpuls des Kapitalismus ist nicht die Gier, sondern der Überlebenstrieb. Ein Unternehmer, der nicht profitabel operiert, überlebt nicht lange. Wenn die Regeln, die ihn zum Abgleich mit den Arbeitnehmern anhalten, ihm beim Kampf ums profitable Überleben in die Quere kommen, lässt er sich Umgehungsstrategien einfallen. Das Resultat sind technologische und betriebsorganisatorische Veränderungen, aber auch politische Anstrengungen des Unternehmers, die im Laufe der Zeit das Terrain umgraben, auf dem sich die Sozialpartner/Sozialkontrahenten begegnen, um ihre relative Stärke zu messen.

Das bedeutet, dass nichts bleibt wie es war, und die Bedingungen einer gegenseitig vernünftigen Lösung immer wieder aufs Neue analysiert und ausgehandelt werden müssen. Deshalb ist es nicht damit getan, an bewährten Techniken des Nachfrage-Managements festzuhalten. Aus Sicht des SKY ist es unerlässlich, die aktuelle Struktur der Wirtschaft unentwegt daraufhin zu prüfen, ob sie noch ein effektives Nachfrage-Management zulässt. Dazu sind zeitgerechte Regeln für die unternehmerische Tätigkeit von Finanzinstitutionen und Firmen der Realwirtschaft, sowie ein wirklichkeitsnaher Ordnungsrahmen für die Arbeitsmärkte und die internationalen Finanzmärkten erforderlich.

Ist der KEY noch von einer eher unpolitisch-technokratischen Haltung geprägt, lässt der SKY keinen Zweifel daran, dass die Politik den Primat über die Wirtschaft innehat. Der Strukturelle Keynesianismus (SKY) leitet seinen Namen aus dieser Prämisse ab: die Struktur des Wohlstands gründet auf politischem Willen, sie ist angewiesen auf den politischen Ausgleich der Interessensgegensätze zwischen Arbeit und Kpital — ohne politische Eingriffe kann es den Wohlstand für alle nicht geben.

Thursday 28 July 2016

Eine andere Sicht der Wirtschaft (2) — Tiefenströmung

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Fortgesetzt von hier.



Plenty of Nothing ist kein pessimistisches Buch. Es ist vielmehr schonungslos realistisch. Bevor Palley uns seine Lösungen unterbreitet, deckt er die Schwierigkeiten auf, die sich seit Ende der 70er Jahre in das Grundmodell der US-Wirtschaft eingeschlichen haben. Soll aber die Hoffnung auf dauerhafte Besserung wachbleiben, gilt es zuerst Strömungen und ungute Entwicklungen aufzuspüren, die nicht leicht wahrzunehmen sind. Über Jahrzehnte brütet die Wirtschaft ihre Krankheiten aus, wohlverborgen im scheinbar normalen Auf und Ab der Konjunkturzyklen.

Kurz bevor das Buch erscheint herrscht Hochkonjunktur. Im April 1997 befindet sich die Arbeitslosigkeit mit 4,9% auf dem niedrigsten Stand seit 23 Jahren. Es macht sich überschäumender Optimismus breit. Amerika habe sich neu erfunden, sei dauerhaft gesundet. Noch vor wenigen Monaten hatte man den traumatischen Anstieg wirtschaftlicher Unsicherheit und den Niedergang der Mittelschicht beklagt.

Unbeirrt von derartigen Schwankungen in den Überzeugungen und Befindlichkeiten hat Palley die tieferen Ursachen des seit 25 Jahren andauernden Abwärtstrends im Blick — die stetige Unterhöhlung der Grundlagen des Massenwohlstands.

Unter seiner Lupe erweist sich die Textur des Booms als durchsetzt von Spuren stetigen Niedergangs: abzulesen an Tatsachen wie der, dass die Kaufkraft der im kräftigen Aufschwung dennoch stagnierenden Stundenarbeitslöhne tief unter das Niveau der frühen 1970er Jahre gefallen ist. Die Entspannung am Arbeitsmarkt kann den deutlich rüchläufigen Trend der Lohnentwicklung nicht stoppen: plenty of nothing — viel Aufschwung, der nichts bringt.

Soll sich die Lage ändern, soll der Weg zurückführen zu einer Gesellschaft, in der alle am Wohlstand teilhaben, müssen wir einen neuen Blick auf die Wirtschaft wagen – darum geht es in Palleys Buch. Denn die Umstände, unter denen die Wohlstandsgesellschaft der ersten Nachkriegs-Jahrzehnte gedeihen konnte, haben sich unbemerkt, kontinuierlich und schließlich gründlich geändert.

Natürlich darf es nicht beim Wechsel der horizonterweiternden Perspektive bleiben. Den Einsichten in das veränderte Paradigma der Wirtschaft müssen Taten folgen. Denn die Machtverhältnisse zwischen den großen sozialen Gruppen, auf denen der Wohlstand beruhte, haben sich verschoben. Neue politische Maßnahmen sind gefragt, damit sich die Verzerrungen wieder ins Lot bringen lassen. Kurzum: Erkenntnis ins Grundsätzliche und ins Neue, hier, und politische Realität und Machtstruktur, dort, müssen zusammengeführt werden, um jene Balance wiederzugewinnen, die dem Wohlstand für alle zugrunde lag.

Diese Gleichgewichtsformel umreißt den Ansatz, den Palley in seinem Buch unter der Bezeichnung des strukturellen Keynesianismus verfolgt. Dabei geht es ihm darum, eine nach keynesianischen Prinzipien gestaltete Wirtschaft mit den institutionellen Strukturen abzustimmen, welche auch weiterhin eine Politik der gesellschaftlichen Ausgewogenheit ermöglichen.

Machen wir uns deshalb mit der Bedeutung des Terminus struktureller Keynesianismus etwas näher vertraut:

Wednesday 27 July 2016

Eine andere Sicht der Wirtschaft (1)




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„Jede Menge an Nichts“ („Plenty of Nothing“) — so lautet der Titel eines 1998 erschienen Buchs von Thomas Palley. Es enthält eine Ursachenanalyse der Großen Finanzkrise, die mit dem von ihm vorweggenommenen Verzögerungseffekt fast genau 10 Jahre später zum Ausbruch kommt. Wie Palley uns in seinem Buch zeigt, ist die Große Finanzkrise mehr als eine Finanzkrise — sie ist die unvermeidliche Konsequenz der grundsätzlich neuen Richtung, die die US-Wirtschaft seit Ende der 1970er Jahre eingeschlagen hat.

Ich finde, das Buch kann dazu beitragen, Ordnung in unser Denken über die Wirtschaft zu bringen. Es hilft das störende Rauschen abstellen, das uns beim Überfliegen des Wirtschaftsteils daran erinnert, wie viel uns in Wirklichkeit unklar bleibt von den großen Schlagworten und dem Gewirr der Verbindungslinien, die ein Leser zu kennen vorgeben muss, wenn er als gebildet gelten soll.

Für mich hat die Lektüre den ebenso überraschenden wie angenehmen Nachhall, dass man ein Lehrbuch der Wirtschaft gelesen hat — aber ohne es zu merken. Verständlich und mit einem ruhigen Blick fürs Ganze, behandelt Palley viele der zentralen Themen, mit denen uns Theorie und Politik der Wirtschaft dazu zwingen, Stellung zu beziehen oder wegzuschauen und sich ignorant zu fühlen: Konjunkturschwankungen, Deflation, Inflation, Beschäftigungspolitik, Nachfragemanagement, Laissez Faire, Freihandel, das internationale Geldsystem usw.

Palley entschleiert diese schwierigen Themen und stellt ihren Zusammenhang mit der Gesamtheit des herrschenden Wirtschaftsmodells dar. Der Leser macht die Erfahrung, dass er kein Genie sein muss, um den Gralshütern der Wirtschaftsweisheit auf die Finger schauen zu können. Otto Normalverbraucher kann sehr wohl die esoterisch verengte Denkweise der Experten durchschauen; er ist zur nüchternen Durchleuchtung des wirklichen Getriebes der Wirtschaft imstande und kann auf sich selbst gestellt zu einer auf Realitätssinn gegründeten Gesamtschau des Zusammenspiels ihrer Räder und Rädchen gelangen.

Palley ist ein Wirtschaftstheoretiker von hohen Graden, wovon sich jeder überzeugen kann, der sich mit den zahlreichen wissenschaftlichen Ausarbeitungen befasst, die er im Internet bereitstellt. Das hindert ihn aber nicht daran, in diesem Buch allgemeinverständlich zu schreiben. In „Plenty of Nothing“ spricht er viel von der arbeitenden Bevölkerung, und er schreibt für sie — jene überwiegende Mehrheit der Wirtschaftsteilnehmer, die hart arbeiten müssen, um sich ein bescheidenes Auskommen zu verdienen. Er macht ihnen die Wirtschaft zugänglich, nicht zuletzt, indem er ihre Perspektive vertritt. Überzeugt und überzeugend argumentiert Palley, dass die Erfahrungen und Anliegen der „einfachen“ Bevölkerung, dass ihre Sichtweise und ihre Interessen legitim sind und maßgeblich sein sollten für die Art, wie wir die Wirtschaft wahrnehmen und gestalten.

Dem elitären Bild des neuen Wirtschaftsparadigmas (NWP), das die Wirtschaftspolitik seit Ende der 1970er Jahre erobert hat, stellt er ein eigenes, volksnahes und demokratisches gegenüber: den Strukturellen Keynesianismus. Weder verteufelt er den Kapitalismus, noch verherrlicht er ihn. Er tritt für eine Variante freiheitlichen Wirtschaftens ein, die es für nötig hält, an alle zu denken.

Seien Sie gespannt auf mehr.


Friday 22 July 2016

Keynes verstehen (5) — Die sonderbaren Methoden des umstrittenen Herrn Jean Baptise Say

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Fortgesetzt von hier.


Was Keynes' Allgemeiner Theorie ihren revolutionären Charakter verleiht, ist der in ihr enthaltene Angriff auf eine Reihe von Grundannahmen der seinerzeit vorherrschenden klassischen Ökonomik.

Im Zentrum der in diesem Werk niedergelegten alternativen Sicht auf die Wirtschaft steht die Frage der Vollbeschäftigung. Wenn Keynes vom Sayschen Gesetz spricht, so meint er damit eine Attitüde und eine Reihe von Annahmen, die sich hinter der Ansicht der arrivierten Ökonomen seiner Zeit verbarg, die von ihnen beschriebene Wirtschaft sei, wenn ungestört in ihrer Funktionslogik, in der Lage, für Vollbeschäftigung zu sorgen, dass Arbeitslosigkeit externen Faktoren zu schulden sei, und dass die vollständige Wiederherstellung der Funktionslogik einer freien Wirtschaft im Sinne der klassischen Ökonomik dazu geeignet sei, Arbeitslosigkeit vollständig zu überwinden. Anders gesagt: in einer freien Wirtschaft herrscht Vollbeschäftigung; und wenn Arbeitslosigkeit aufgrund externer Störungen (falsche Wirtschaftspolitik z.B.) entsteht, so ist das ungestörte Wirken der Mechanismen einer freien Wirtschaft das beste Mittel, den Zustand der Vollbeschäftigung neuerlich herbeizuführen.

Wie kommt die klassische Ökonomik dazu, eine Marktwirtschaft als Vollbeschäftigungsmaschine darzustellen? Das Saysche Gesetz gibt die kürzeste Antwort auf diese Frage. Ausgedrückt in einer Sentenz, die John Stuart Mill zugeschrieben wird, besagt das Saysche Gesetz, dass  jedes Angebot seine eigene Nachfrage erzeugt. Mit anderen Worten, was produziert wird, was am Markt angeboten wird, trifft immer auch schon auf ausreichende Nachfrage. Wenn dem so sei, dann gilt dies auch für den Arbeitsmarkt, und das bedeutet, dass jedem Angebot an Arbeitskraft immer schon eine ausreichende Nachfrage entspricht.

Wenn der Leser sich nun am Kopf kratzt und vielleicht ein wenig mit der Stirn runzelt, so dürfte er sich nur noch mehr wundern, wenn ich ihm versichere, dass die moderne Ökonomie nicht nur diese, sondern noch viele andere befremdliche Annahmen in ihr axiomatisches Fundament aufnimmt — zum Beispiel kennt sie weder Zeit noch Raum, und die Akteure, die in ihr wirtschaften, verfügen über vollkommenes Wissen.

Im Vergleich dazu waren die klassischen Ökonomen noch verhältnismäßig sparsam bei der Wahl theoretischer Voraussetzungen, die uns nicht nur suspekt vorkommen müssen, sondern es auch ganz entschieden sind. Von ihren modernen Kollegen werden sie in der Kunst des Drechselns absurder Annahmen noch kräftig überboten. Das liegt fast schon paradoxerweise daran, dass die Heutigen über bessere mathematische Ressourcen verfügen, die es erlauben, die Wirtschaft als ein logisch in sich geschlossenes Gleichgewichtssystem zu modellieren. Dabei besteht der Ehrgeiz der akademischen Ökonomen, lange bevor sie an die Wirtschaft denken, darin, als Vertreter einer exakten Wissenschaft zu gelten, was ihnen, wie sie fest glauben, durch den Einsatz stimmiger mathematischer Modelle gelingt. Also erst kommt der Wunsch, mit den so genannten exakten Wissenschaft gleichzuziehen. Dann kommt der Wunsch, ein geschlossenes System mathematisch zu realisieren. Die nächste brennende Ambition des Ökonomen besteht nun darin, geeignete Annahmen zu treffen, mit denen er sich seinen Herzenswunsch erfüllen kann, vor der Welt mit einem exakt wissenschaftlichen Modell renommieren zu können. Wenn diese Voraussetzungen eines geschlossenen theoretischen Modells gefunden worden sind, dann erst sieht sich der moderne Ökonom mit einem vagen Interesse nach den Geschehnissen in der Wirtschaft um.

Heute ist es leichter, die Weltfremdheit der ökonomischen Modelle nachzuweisen, die in den Wirtschaftswissenschaften und den großen wirtschaftspolitischen Institutionen zum Einsatz kommen — aber die Ökonomen sind erzieherisch darauf geeicht und verdienen ihr Geld damit, sich um anderes zu kümmern. Verglichen damit war es, rein intellektuell, zu Keynes Zeiten schwieriger, den klassischen Ökonomen auf die Spur zu kommen, da ihre Modelle noch nicht so stark formalisiert waren und es eher möglich war, kritische Annahmen vager darzustellen, zu übersehen, zu verschweigen, oder hilfreiche Unstimmigkeiten mehr oder weniger unbemerkt durchgehen zu lassen. Allein schon deshalb war immer ein gewisses Maß an Stilisierung, an künstlicher Vereinfachung, im Spiel, wenn man, wie Keynes es tat, die Fehler des ökonomischen Kanons benennen wollte. Auch wenn Keynes deswegen immer angreifbar blieb (à la „nein, das hat Say so nicht gesagt“), die Hauptstoßrichtung seiner Attacke war richtig, verheerend und erfolgreich.

Wenn ich die Zeit dazu finde, werde ich in einem späteren Post auf die kontroverse Frage eingehen, was der umstrittene Herr Jean Baptiste Say denn nun wirklich geschrieben habe und ob die diversen Interpretationen des ihm zugeschriebenen gleichnamigen Gesetzes, etwa die von Mill oder Keynes, tatsächlich als bis ins Einzelne sachgerecht gelten dürfen. Maßgeblich für den vorliegenden Post ist, dass sowohl die klassische als auch, ja mehr noch, die moderne neoklassische Ökonomie auf den Annahmen basiert, die Keynes in seiner Kritik des Sayschen Gesetzes, wie mir scheint durchaus zu Recht, an den Pranger stellt.

Eine ausgezeichnete Serie von Blog-Beiträgen und bibliographischen Hinweisen zur Geschichte und kritischen Bewertung des Sayschen Gesetzes findet man hier.

Zurück zu den sonderbaren Annahmen der klassischen Ökonomik:

Wieso erwartete die klassische Ökonomik von dem, was wir heute die freie Marktwirtschaft nennen, ein Regime der Vollbeschäftigung? Welche Annahmen benötigte sie, um sich für die These stark zu machen, dass Arbeitslosigkeit nicht der freien Wirtschaft anzulasten sei und diese vielmehr als Heilmittel gelten durfte gegen Arbeitslosigkeit?


Fortsetzung hier.  

Thursday 21 July 2016

Keynes verstehen (4) — Ökonom sein heißt glauben

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Fortgesetzt von hier.

Keynes war stark verwachsen mit der vorherrschenden Ökonomie seiner Zeit - nennen wir sie, wie er es tat, die klassische Ökonomik. Er war Schüler des großen Klassikers Alfred Marshall und lehrte selbst in Cambridge den Kanon der herkömmlichen Wirtschaftslehre. Im Laufe der Jahre entstand in ihm jedoch ein wachsender Zwiespalt:

Zum Einen fühlte er sich der klassischen Lehre verpflichtet, der wir wichtige Erkenntnisse und Methoden zu verdanken haben. Wie jedes fest verwurzelte und weit verbreitete Glaubensbekenntnis, prägt auch die kanonische Ökonomie das Selbstverständnis vieler Menschen und der sozialen Gemeinschaften, denen sie sich zugehörig fühlen. Es ist schwer, sich von diesen identitätsbildenden Denkgewohnheiten und Überzeugungen unabhängig zu machen. Die enorm starke Gravitationskraft einer sozialen Glaubensgemeinschaft kann erklären, warum Annahmen über lange Zeit Geltung bewahren, ohne hinterfragt zu werden, obwohl sie völlig ungeeignet sind, einem ökonomischen Modell jenes Mindestmaß an Realismus zu verleihen, das es benötigt, um brauchbare Erkenntnisse über die Welt zu liefern, in der wir leben.

Zum Anderen rieb sich Keynes in beschwerlichen Kämpfen an den Widersprüchen der Orthodoxie auf und durchbrach schließlich nach langem Ringen den Dünkel der arrivierten Ökonomen an verschiedenen Stellen und setzte sich bewusst zu ihnen in Gegensatz—doch zunächst nur zögerlich und ohne jemals ganz mit der etablierten Ökonomie zu brechen.

Was Keynes' ökonomische Rechtgläubigkeit vermutlich am stärksten anfocht war die Beobachtung, dass die arbeitende Bevölkerung in Großbritannien seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs bis in  die 1930er Jahre, als sein revolutionierendes Hauptwerk erschien, bei hoher Arbeitslosigkeit in beträchtlichem Elend lebte, während die ökonomische Theorie, die er in den Seminarräumen der Universität von Cambridge lehrte, einen derartigen Zustand für unmöglich erklärte oder immerhin, ihre Vertreter dazu zu berechtigen vorgab, baldige Besserung zu versprechen. Doch was nützte es denen, die im Elend lebten, wenn man ihnen verhieß, es werde ihnen irgendwann "in the long run" besser gehen. "In the long run," erklärte Keynes, "we are all dead".

In Keynes begann die Überzeugung zu reifen, dass es eine Ökonomie geben könnte, die uns dabei behilflich ist, Probleme des Hier und Jetzt besser zu verstehen, so dass wir sie in einem überschaubaren Zeitrahmen lösen können. Im Zuge dessen, sollte er schließlich auch erkennen, dass das Versprechen der klassischen  Ökonomie, die Wirtschaft korrekt zu beschreiben, wenigstens so wie sie sich "in the long run" entwickelt, ebenfalls auf tönernen Füßen stand.

In den Wirtschaftswissenschaften ist es nun einmal so, dass  die korrekte Beschreibung und Analyse ihres Gegenstands in vielen Fällen auch davon abhängt, was man sehen möchte und woran man zu glauben bereit ist. Dies wird dadurch kompliziert, dass, erstens, nicht alle glaubensbedingten Meinungsverschiedenheiten anhand eines objektiven Maßstabs bereinigt werden können, und zweitens, unterschiedliche Interessen, Ambitionen und Perspektiven selbst Teil der objektiven Sachlage sein können. Man denke nur an die Frage, wer welchen Anteil am Kuchen der wirtschaftlichen Produktion verdient oder welche Werte Geltung in einer Gemeinschaft wirtschaftender Wesen haben sollen.

Man sollte daher nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, an etwas fest zu glauben, wenn man Ökonomie betreiben will.

Die klassische Ökonomik glaubte fest an die Vorstellung von der Wirtschaft als einer besseren Dimension des menschlichen Daseins, einer selbstordnenden, natürlichen Ordnung, die frei ist von den Fehlern und der Fehlbarkeit, die durch menschliches Handeln und Wollen in die Welt geraten. Die klassische Ökonomik glaubte fest daran, dass es ein übergreifendes Gemeingut gibt, ein letztes, bestes Ergebnis des Wirtschaftens, das sich allen als ein solches einheitliches Resultat darstellt, wenn sie ehrlich und objektiv denken, und welches sich durch das unbeschädigte Wirken einer freien Wirtschaft herbeiführen lässt. In das Arsenal dieses summum bonum gehört natürlich auch der Zustand der Vollbeschäftigung, die herbeizuführen der freie Markt, der Ressourcen dorthin lenkt, wo sie am wirtschaftlichsten und nützlichsten einzusetzen sind, geradezu prädestiniert war. 

Doch genau das leistete der Markt nicht, nunmehr über Jahrzehnte, wie Keynes irritiert feststellte. Es begann ihm zu dämmern, dass etwas mit der Theorie nicht stimmte, die kalt und gleichgültig gegenüber der Geißel der Arbeitslosigkeit blieb, weil sie in ihr  kein grundlegendes Problem zu erkennen vermochte.

Als Keynes schließlich den Schlüssel zu den Irrtümern der klassischen Ökonomie gefunden zu haben glaubte, gab er ihnen einen Namen: das Saysche Gesetz.

Im Sayschen Gesetz verbargen sich drei völlig verfehlte Annahmen, auf denen jedoch die Kathedrale der modernen Ökonomie errichtet worden war.

Fortsetzung hier.

Tuesday 19 July 2016

Minsky und mehr (2) — Eine Bewertung

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Die nachfolgende Bewertung erfolgt aus (post-)Keynesianischer Sicht und setzt sich schwerpunktmäßig mit den USA auseinander. 


Bewertung


Minskys Instabilitäts-Hypothese überzeugt. Sie hat Platz für wichtige Aspekte, die die herkömmliche Ökonomie nicht zu handhaben vermag: die Logik des Wandels der Institutionen, kulturelle Einflüsse, evolutionäre Entwicklungstendenzen, Dünkel und menschliche Fehlbarkeit und die komplizierten und mitunter schädlichen Auswirkungen von Eigeninteressen, wie sie sich jenseits des Schemas von der unsichtbaren Hand bemerkbar machen.

Aus empirischer Sicht spricht ebenfalls vieles für Minskys kritische Vision: in den 30 Jahren bis zum Ausbruch der Großen Finanzkrise wurden wir Zeugen von drei Konjunkturzyklen: 1981-1990, 1991-2001 und 2002-2009. Jede einzelne dieser einfachen Minsky-Zyklen hat eine Welle an Finanzinnovationen, Deregulierung und Vereinnahmung der Aufsichtsbehörden erlebt, ebenso wie merkliche Verhaltensänderungen bei Investoren, Schuldnern und Gläubigern, die sie offener machten für die Übernahme höherer Risiken.

Insgesamt hat eine massive Ausdehnung des Grads und des Ausmaßes an Verschuldung und der Risikolast der US-amerikanischen Volkswirtschaft stattgefunden, Damit einher ging eine erhöhte finanzwirtschaftliche Fragilität sowohl bei Haushalten und Unternehmen als auch auf systemischer Ebene. Der sich in diesem Zeitraum entfaltende Super-Minsky-Zyklus bewirkte, dass die „konterkarierenden Institutionen“, welche für systemische Stabilität sorgen sollten, ausreichend stark untergraben wurden, so dass sich eine spekulative Blase im Wohnungswesen aufpumpen konnte, die sich durch die aggressive Risikopolitik der Banken zu einem gefährlichen Schneeballsystem ausweitete, das 2007 schließlich in sich zusammenfallen sollte.

Ohne Zweifel ist die Minsky-Hypothese bis zu einem nicht unerheblichen Grade richtig und insoweit ein wertvolles Erklärungsbruchstück. Man sollte sich jedoch davor hüten, in Minskys Ansatz bereits eine erschöpfende Ursachenanalyse der Großen Finanzkrise zu sehen.

Es wäre verfehlt, sich bei der Erforschung der Gründe für die Große Finanzkrise auf Entwicklungen im Finanzsektor zu beschränken — so wichtig diese auch sind. Der Entstehungshorizont der Krise ist viel weiter gespannt. Die erhöhte Bedeutung der Finanzmärkte, die  sie bereits im Vorlauf zur Krise und dann im Hergang ihrer akuten Phase erlangen, ist nur angemessen einzuordnen, wenn man den Blick öffnet für den weit über den Finanzsektor hinausweisenden Ursachenkranz. Dieser wurzelt in einem neuen Wirtschaftsparadigma (NEUWIPA), das gegen Ende der 1970er Jahre das Modell der Goldenen Zeit des Kapitalismus (1945-1975) ablöst, um den krisenhaften Entwicklungen stetig und kumulativ Vorschub zu leisten, die 2007 schließlich in der größten weltweiten Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren ihren vorläufigen Höhepunkt erleben.


Der größere Kontext der Minsky-Zyklen


Gegen Ende der 1970er Jahre beginnt sich das neue Wachstums-Modell der NEUWIPA durchzusetzen. Es ist uns bis heute erhalten geblieben. In den Jahren davor sah sich die Wirtschaftspolitik verpflichtet, einen Kurs der Vollbeschäftigung und des Gleichschritts in der Entwicklung der Löhne und der Produktivität zu verfolgen. Das Ergebnis war ein Kreislauf steigender Verbesserung: die Bindung der Löhne an den Produktivitätszuwachs gewährleistete ein robustes Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Dieses wiederum rechtfertigte Investitionen, die ein höheres Produktivitätsniveau zur Folge hatten, welches wiederum höhere Löhne ermöglichte.

Ab den 1980ern etabliert sich ein neues Wachstums-Modell, bei dem nicht mehr Vollbeschäftigung und die Tandembildung zwischen Lohn- und Produktivitätsanstieg als Motor der Gesamtnachfrage fungieren, sondern eine zunehmende Verschuldung der Wirtschaftsteilnehmer und das Aufpumpen einer inflationären Preisblase bei Vermögenswerten.

Während nunmehr die Löhne hinter der Produktivität zurückbleiben, klappt eine Einkommens-Schere auf zwischen Besserverdienenden und Lohnempfängern. Indem sich das Augenmerk von der Vollbeschäftigung abwendet und sich einer Politik der niedrigen Inflation verschreibt, verlieren die Belange der arbeitenden Bevölkerung auf breiter Front an Gewicht, indes die Interessen besonders der größeren Unternehmen eine neue Vorrangstellung einnehmen. Lohnempfänger sehen sich an vier Fronten eingeschlossen durch (1) die Globalisierung, (2) die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, (3) den Rückzug des Staats aus sozialer und wirtschaftspolitischer Verantwortung („small government“) und dabei insbesondere durch (4) die Abkehr vom Primat der Vollbeschäftigung.


Die Internationale Dimension


Die negative Wirkung des NEUWIPA auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage hat zudem eine internationale Dimension, die sich durch das US-Handelsdefizit und die Auslagerung der Produktion an ausländische Standorte ("Offshoring") bemerkbar macht. Diese verfehlte Außenwirtschaftspolitik hat die Große Finanzkrise beschleunigt, indem sie Einkommen und Beschäftigung im Inland und damit die Basis für ein Leben auf Pump und die Aufrechterhaltung der inflationären Preisblase bei Vermögenswerten untergrub.

Der außenwirtschaftliche Rahmen, der während der Präsidentschaft von Bill Clinton, Abkommen für Abkommen (NAFTA, WTO, China als gleichberechtigter Handelspartner, Politik des starken Dollars) abgesteckt und so zum Standard für die kommenden Jahrzehnte erhoben wurde, wirkt sich auf die Gesundheit der US-amerikanischen Wirtschaft wie ein dreifacher Aderlass aus:

Erstens, Nachfrage fließt über Importe aus der Binnenwirtschaft ab. Während ein beträchtlicher Teil des Inlandseinkommens im Ausland landet, wächst die Verschuldung der amerikanischen Haushalte.

Zweitens, Arbeitsplätze wandern aus den USA ab. Das Offshoring verringert das Einkommen der Haushalte, und schon die Drohung der Auslagerung drückt die Löhne, senkt das Einkommen und die Fähigkeit, sich durch Kreditaufnahme über Wasser zu halten.

Drittens, Investitionen bleiben aus und werden stattdessen im Ausland getätigt. Nicht nur, dass bestehende Produktionsstätten geschlossen und in andere Teile der Welt ausgelagert werden, auch die Investitionsmittel verlassen das Land. Ein doppelter Beschäftigungsverlust, einmal beim Bau neuer Produktionsstätten und zum anderen später bei deren Ausstattung mit einer Belegschaft.

Das Clintonsche Globalisierungskonzept richtete sich an den Interessen von Firmen aus und hatte niemals das Ziel, weltweite Märkte für den Absatz US-amerikanischer Waren zu erschließen. Vielmehr bestand die Absicht darin, eine globale Produktionszone einzurichten, in der Firmen unter für sie vorteilhaften Bedingungen Güter herstellen konnten, die sich zum Export in die USA eigneten. Diese Vision musste zwangsläufig zu einem dauerhaft wachsenden Handelsdefizit, zur Auslagerung von Beschäftigungsmöglichkeiten und zur Abzweigung von investiven Ressourcen führen.

Anhand der Logik dieses Models wird auch verständlich, dass die betreffenden Unternehmen die Politik des starken Dollars unterstützt hatten. Denn auf diesem Wege wurden die nicht mehr in den USA produzierten Waren umso günstiger für amerikanische Abnehmer. Die Gewinnmargen der Firmen profitierten davon, dass sie ihre Einnahmen in Dollars verbuchten, indes sie die importierten Produkte und Inputs in Währungen bezahlten, die unterbewertet waren.

Das verzerrte außenwirtschaftliche Modell des NEUWIPA erklärt auch, wieso die Große Finanzkrise dermaßen stark auf die Weltwirtschaft durchgeschlagen sollte. Es erlaubte vielen Ländern ein export-getriebenes Wirtschaftswachstum, mit unterbewerteter Währung, hohen Handelsüberschüssen, umfangreichen Fremdwährungsbeständen und starken Zuflüssen an ausländischen Direktinvestitionen.

Das bedeutete aber auch, dass die Weltwirtschaft gewissermaßen mit nur einem Triebwerk flog.
Alles hing sehr stark von der US-Wirtschaft und insbesondere vom Schicksal des amerikanischen Verbrauchers ab. Als es diesem schlecht ging, zog er die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft.


Wo Minskys Puzzle-Steine hineinpassen


Minsky konzentriert sich ganz auf den Finanzsektor. Insofern bleibt das vorherrschende makro-ökonomische Paradigma in seinem vollen Spektrum bei ihm unberücksichtigt. Dennoch liefert er wertvolle Puzzle-Steine, die uns helfen, das Gesamtbild genauer zu erfassen. Minsky rückt die makro-ökonomische Rolle von Schulden und die Instabilität des Finanzsektors als Mitursachen und Gestaltungskomponenten wirtschaftlicher Krisen in den Fokus.

Sein Ansatz liefert eine Erklärung dafür, warum der Krisenausbruch recht lange auf sich warten ließ, warum er über geraume Zeit hinausgezögert werden konnte, um schließlich desto wuchtiger zu explodieren. Er zeigt wie die Ausweitung des Kreditangebots bei gleichzeitiger Erhöhung der finanzwirtschaftlichen Labilität eine Stagnationskrise lange abzuwehren vermag.

Dank steigender Verschuldung sind die Verbraucher in der Lage, trotz stagnierender Löhne und aufscherender Einkommensungleichheit, ihren Lebensstandard zu halten, indes der Boom an den Finanzmärkten, Haushalte und Firmen Sicherheiten liefern, mit denen sich ihre schuldenfinanzierten Ausgaben unterlegen lassen.

Im Rahmen des NEUWIPA basiert Wirtschaftswachstum auf der Einkommensumlenkung von Arbeitnehmern zugunsten von Unternehmensgewinnen und des Einkommens höherer Management-Chargen. Die Arbeitnehmer verschulden sich zunehmend, während Unternehmen durch Aktienrückkauf und fremdfinanzierte Übernahmen zum Finanz-Boom beitragen.

Finanz-Innovationen und die Deregulierung des Finanzsektors erleichtern die Ausweitung des volkswirtschaftlichen Verschuldungsniveaus und werden damit zu Strukturmerkmalen, die unerlässlich sind, um das NEUWIPA-System aufrechtzuerhalten.  Innovationen und Deregulierung sorgen dafür, dass neue Finanz-Produkte einen erhöhten Verschuldungsgrad zulassen und sich das Spektrum von Vermögenswerten, die zu Besicherungszwecken eingesetzt oder besichert werden können, kräftig ausweitet.

Darin kommt der Inflation der Immobilienpreise eine herausragende Stellung zu, da mit ihnen die Bemessungsgrundlage wächst, auf die sich zusätzliche Schulden türmen lassen. Ein größeres Angebot an fremdfinanzierten Immobilienfinanzierungsmöglichkeiten treibt die Immobilienpreise in die Höhe. In diesem Zusammenhang ist der Umstand zu sehen, dass in Zeiten des NEUWIPA Wirtschaftsaufschwünge stets einhergehen mit inflationären Höhenflügen bei Immobilienpreisen.

Freilich ist diese Art von Dynamik auf Dauer nicht durchzuhalten, da sie darauf basiert, dass das Maß der Verschuldung und die Immobilieninflation gleichzeitig mit dem Einkommensrückgang der Haushalte voranschreiten. Ist der Punkt erreicht, an dem die Haushalte keine weiteren Schulden eingehen können, entweder weil sie ihre Verschuldungsgrenze erreicht haben oder die Immobilieninflation zum Stillstand gekommen ist, kann die Aufwärtsspirale, die den Haushalten gewissermaßen einen persönlichen Geldautomaten im neuen Haus mitlieferte und der Bauindustrie eine florierende Auftragslage bescherte, sich nicht mehr höher schrauben — und plötzlich hört die Musik auf zu spielen.

Minsky erlaubt es uns zu verstehen, warum das Modell der NEUWIPA die Stagnation, auf die sie unweigerlich zusteuert, über Jahrzehnte herausschieben konnte: Innovationen (a) zwecks Streckung des Verschuldungspotenzials aber auch (b) zwecks Umgehung aufsichtsbehördlicher Bestimmungen, Deregulierung, und zunehmender, auch zeitgeistgetriebener Heißhunger auf risikoreichere Engagements haben das Finanzsystem dahin gebracht, die Obergrenze für das vertretbare Schuldenvolumen weit nach oben zu versetzen und das Angebot an Krediten dramatisch zu erweitern.

In der so erkauften Zeit konnte das NEUWIPA die Patina eines scheinbaren Wohlstands ansetzen, indes der hoch hinaufgeschraubte Verschuldungsgrad einen umso tieferen Fall für die Zeit der schließlich einsetzenden Krise vorbereitete. Ohne schuldenfinanziertes Wirtschaftswachstum und ohne schuldengetriebene Inflationsblasen bei Vermögenswerten hätte sich das NEUWIPA-Modell schon sehr viel früher in einem Zustand zähfließender Stagnation festgefahren. Damit ist auch klar, wieso es nach dem Crash zu lang anhaltender Stagnation kommen musste.

Fazit

Was Minsky in seiner Analyse des Finanzsektors an grundlegenden Tendenzen und Neigungen offenlegt, liefert aufschlussreiches Material, das uns lehrt, wie der wirtschaftliche Stillstand, den das seit den 1980er Jahren vorherrschende NEUWIPA unweigerlich bewirken muss, nur durch kunstvoll verlängerte Finanzexzesse vorläufig abzuwenden war.

Ein Blick über Minsky hinaus, verrät jedoch, dass die tieferen Ursachen für die Fehlentwicklung der letzten Jahrzehnte in einer Wirtschaftsordnung zu suchen sind, die den Kurs eines leistungsfähigen, sozial ausgewogenen Nachfrage-Managements verlassen hat. Erst eine Rückbesinnung auf eine Wirtschaftspolitik, die bemüht ist, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage binnen- und außenwirtschaftlich ins Gleichgewicht zu bringen, wird die stagnativen Tendenzen des Kapitalismus überwinden und eine neue Ära des Wohlstands für alle ermöglichen.

Saturday 16 July 2016

Minsky und mehr (1) — Ein Portrait


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Minsky — den Namen hat man schon gehört. Hat irgendetwas mit dem Crash zu tun. Hier ein kurzer Abriss, in dem ich mich mit diesen folgenden Fragen in zwei Folgen Fragen befasse: Was ist Minskys Botschaft? Wie ist sie zu bewerten?


Minskys Botschaft


Die im Jahre 2007 einsetzende Große Finanzkrise wird mitunter als eine Bestätigung des analytischen Scharfsinns von Hyman Minsky angesehen. 

Die Vorhersage einer heftigen Finanzkrise folgt zwingend aus dem Kernstück von Minskys Denken—der Instabilitätsthese. Diese besagt, dass gerade gesunde wirtschaftliche Verhältnisse und eine dauerhaft stabile Entwicklung der Wirtschaft paradoxerweise den Boden für Strömungen und Veränderungen bereiten, die auf zunehmende Instabilität zusteuern. 

Stabilität gebiert Instabilität. 

Jahre und Jahrzehnte der Blüte, des Erfolgs, der Gewöhnung an gute und sichere Zeiten, verleiten uns zu einem schleichenden Wahrnehmungswandel, im Zuge dessen sich die Standards verschieben, an denen sich unsere Sensibilität für Wagnis, unser Bedürfnis nach Besonnenheit, der Ehrgeiz unserer Erwartungen ausrichten. Mit der Sichtweise ändert sich das Verhalten; neue Gepflogenheiten bürgern sich ein; es verändern sich die Institutionen, die unser Leben prägen—eine Welt neuer Selbstverständlichkeiten bricht heran. 

Was man vor langer Zeit noch als unerträglich riskant gemieden hätte, funkelt inzwischen im freundlichen Licht, in dem die Errungenschaften und die kühnen Zeichen einer neuen Zeit erstrahlen. Unbemerkt bleiben die Risse, aus denen Spannungslinien werden und eines Tages Abgründe. Erfolg und Substanz, über Jahrzehnte gewaltig angewachsen, halten ebenso große Belastungen aus. Der Puffer des Wohlstands und die Dynamik des Fortschritts machen es nicht immer leicht, die Übertreibung, den Unterschied zwischen Chance und Zockerei wahrzuhaben. Dann plötzlich der Krach — the Minsky Moment.

Minskys Theorie fokussiert auf den Finanzsektor einer kapitalistischen Wirtschaft. Sie sieht diesen Bereich sich in einem doppelten Lebenszyklus entfalten—dem einfachen Minsky-Zyklus und dem Super-Minsky-Zyklus.

Der einfache Minsky-Zyklus (4 bis 8 Jahre) bezieht sich auf die Art der Finanzierung, die Gestaltung von Finanzinstrumenten sowie die Bedingungen, die zu finanzwirtschaftlicher „Fragilität“ führen, sprich zur Aushöhlung der Qualität von Haushalts- und Unternehmens-Bilanzen. Der Erosionsablauf nimmt seinen Anfang in einer durch „hedge finance“ gekennzeichneten Phase, in der die erwarteten Einnahmen der Schuldner als ausreichend eingeschätzt werden, sowohl den Kapitalanteil als auch die Zinsen eines Kredits zu bedienen. In der folgenden Phase, bezeichnet als „speculative finance“, sind nur noch die Zinsen durch Einnahmen gedeckt. Und in der Schlussphase, „Ponzi finance“ genannt, stützt man sich auf Kapitalgewinne, um den Schuldendienst zu leisten.

Dem einfachen Minsky-Zyklus liegt eine psychologische Betrachtungsweise zugrunde: die Akteure zeichnen sich durch zunehmenden Optimismus aus, der sie dazu bewegt, Vermögenswerte und den künftigen Zufluss der Einnahmen mit großer Zuversicht zu bewerten, und ihre Risikotoleranz in der Erwartung zu erhöhen, dass sich „die fetten Jahre“ auf unabsehbare Zeit fortsetzen. Von diesem Optimismus sind sowohl Schuldner als auch Gläubiger ergriffen, was zur Folge hat, dass die disziplinierende Wirkung der Märkte, an denen sie sich begegnen, eine fortschreitende Schwächung erleidet.

Der grassierende Optimismus schlägt sich auch darin nieder, dass sich mit der Verlängerung konjunktureller Episoden die Vorstellung vom „Tod der Konjunkturzyklen“ immer stärker breit macht. In den 1990er Jahren vernahm man die These von der „New Economy“, in der man die Konjunkturschwankungen verdrängt wähnte durch ein fortwährendes Wachstum der Produktivität. In den 2000er Jahren war die Rede von der „Great Moderation“, einer These, wonach es den Zentralbanken gelungen war, das Auf und Ab der Konjunktur mittels geldpolitischer Maßnahmen zu bezwingen, die  angeblich einem verbesserten Verständnis der Wirtschaft zu verdanken waren. Ein Anzeichen für den einfachen Minsky-Zyklus, sind diese Meme hochgradig virulent, erfassen alle, auch maßgebliche Persönlichkeiten der Aufsichtsbehörden und der Wirtschaftspolitik. 2004 bekannte sich z.B. Ben Bernanke, Chef der Federal Reserve, zur These von der „Great Moderation“, der großen Beruhigung der Finanzmärkte.

Der einfache Minsky-Zyklus ist in jedem Konjunkturzyklus anzutreffen. Ergänzt wird er durch den Super-Minsky-Zyklus, dessen Aufbau sich über mehrere Konjunktur-Kämme, also über Jahrzehnte, erstreckt. Der Super-Minsky-Zyklus stellt einen Prozess dar, der Unternehmen verändert, die Konventionen, die sich auf wichtige Entscheidungen der Geschäftsleute und der Politik auswirken, die grundlegenden Strukturen, einschließlich des Bereichs der Aufsichtsbehörden, welche maßgeblich sind für die Gestaltung, die Steuerung, und die Überwachung von Märkten. Diese Strukturen, Minsky nennt sie „thwarting institutions“ — „konterkarrierende Institutionen“ — sind von entscheidender Bedeutung für die Stabilität kapitalistischer Volkswirtschaften.

Dieser Prozess der Aushöhlung und Umgestaltung erstreckt sich über mehrere Konjunktur- und einfache Minsky-Zyklen. Die beiden Typen von Minsky-Zyklen laufen gleichzeitig ab, so dass Erosion und Metamorphose sich kontinuierlich von Zyklenkamm zu Zyklenkamm fortsetzt. Eine schwere, das Überleben des Systems bedrohende Finanzkrise bricht erst dann über die Wirtschaft herein, wenn der Super-Minsky-Zyklus genügend Zeit hatte, die „konterkarierenden Institutionen“ grundlegend zu unterminieren. Bis dahin erleidet die Wirtschaft eine Abfolge von Auf- und Abschwüngen, die von geringerer Tragweite sind. Hat eine Krise großen Stils die Wirtschaft schließlich erfasst, bricht eine Periode heran, in der die „konterkarierenden Institution“ Erneuerung mit neuen, wirkungsvolleren Regeln und Vollzugsorganen erfahren.

Man kann den Super-Minsky-Zyklus als den Korridor ansehen, durch den mehr und mehr Finanzrisiken in das Wirtschaftssystem eingelassen werden—und zwar vor allem auf zweierlei Weise, durch aufsichtsrechtliche Entspannung („regulatory relaxtion“) und durch erhöhte Risikobereitschaft. Auf diesem Wege steigen sowohl die Nachfrage nach als auch das Angebot an Risiken.

Die „aufsichtsrechtliche Entspannung“ erfolgt in drei Dimensionen. 

Erste Dimension: Sie wirkt durch „regulatory capture", d.h. durch  „Kapern“, sprich Anwerben und Sich-Gewogen-Machen der Aufsichtsbehörden oder deren Eingewöhnung in das erwünschte neue Regime. Dies führt dazu, dass die Einrichtungen, die dazu dienen sollen, die Ausbreitung übertriebener Risiken zu verhindern, sich in die Ambitionen, Interessen und Handlungsneigungen der zu beaufsichtigenden Akteure verstricken oder auf andere Weise geschwächt werden. Die vergangenen 30 Jahre legen beredtes Zeugnis von der Vereinnahmung der Aufsichtsbehörden — der US-Zentralbank, dem Finanzministerium oder der Securities and Exchange Comission — durch das von ihnen zu beaufsichtigende Klientel ab.

Eine zweite Dimension erleben wir in Gestalt des “regulatory relapse” — der Neigung von Aufsichtsbehörden, gewissermaßen rückfällig zu werden, indem sie das Opfer von "Gedächtnisschwund" oder der gefälligen Umdeutung geschichtlicher Erfahrungen werden. Auch sie, wie andere Gesellschaftsteilnehmer, sind nicht davor gefeit, die Lektionen der Vergangenheit zu vergessen und der Rhetorik des Zeitgeists zu erliegen. Dies und ideologische Neuerscheinungen veranlassen sie Bestimmungen auszuweichen im Glauben, dass die Umstände sich gewandelt und der Zweck, sie aufrechtzuerhalten, gegenstandlos oder weniger triftig geworden ist. In diesem Zusammenhang haben Ökonomen mit ihren Theorien über „the Great Moderation“ und die Wirksamkeit selbstregulierender Arrangements beträchtlichen Einfluss geübt

Eine dritte Dimension betrifft “regulatory cescape”, die Erhöhung von Risiken durch Umgehung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen mit Hilfe von innovativen Finanzprodukten und Praktiken, an die nicht zu denken war als die geltenden Regelungen beschlossen worden waren.

Parallel zu den geschilderten Strategien der Vereinnahmung, Entspannung und Umgehung des aufsichtsrechtlichen Zugriffs ist zu beobachten, dass sich auch die Schuldner für ihren Teil erhöhten Risiken aussetzen. Erstens, Finanzinnovationen gestatten es Schuldnern, sich einen größeren Umfang an Verbindlichkeiten aufzuladen. Man denke an home equity Kredite (ohne Eigenbeteiligung) oder Hypotheken, die so ausgestaltet sind, dass zunächst verhältnismäßig niedrige Zinsen zu zahlen sind, bevor dann in späteren Jahren, die Zinsforderungen stark ansteigen.

Zweitens, auch Marktteilnehmern schwindet die Erinnerung an warnende Episoden aus der Vergangenheit — so wurden diejenigen, die die 1930er erlebt und es gelernt hatten, mit Aktienengagements vorsichtig zu sein, abgelöst durch die Baby Boomer, welche sich zu enthusiastischen Aktienbesitzern entwickeln sollten.



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Friday 15 July 2016

Keynes verstehen (3) — Auf Forschungsreise in der Geisterbahn



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Keynes schreibt ausdrücklich in seiner Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und Geldes, dass er sich in diesem Werk zuvörderst an seine Berufsgenossen wendet, die Ökonomen. Er möchte sie dazu überreden, einige der grundlegenden Annahmen zu überdenken, auf denen der gewaltige Aufbau der klassischen Ökonomie — der Wirtschaftstheorie seiner Zeit —  ruht.

Bei der Darstellung Keynesens neuartiger Theorie sieht man sich freilich vor folgende Schwierigkeit gestellt: Gelingt es einem, die Kernaussagen der Keynesschen Ökonomie knapp und klar zu vermitteln, werden sich viele Leser, besonders die unbefangene, klar denkende Nichtfachfrau, darüber wundern, wie leicht sich die Ergebnisse dem gesunden Menschenverstand erschließen. 

Das soll eine Revolution sein? wird sich vielleicht der eine oder andere fragen. Es ist jedoch nicht unmittelbar ersichtlich, dass Keynes’ sorgfältiges Abprüfen der falschen Grundannahmen der klassischen Ökonomie unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, zu einem neuen, der Realität weitaus besser angepassten Model der Wirtschaft durchzudringen. 

Um diesen nicht gerade vordergründigen Umstand deutlich zu machen, muss man schon ein wenig ausholen und die Leser bitten, sich schrittweise vertraut zu machen mit der atemberaubenden Phantastik der klassischen Ökonomie – zumal deren haarsträubende Annahmen in der neueren, und zeitgenössischen Wirtschaftstheorie — auch unter dem Decknamen des Keynesianismus — fröhliche Urständ feiern und zu den geistigen Ursachen der Fehlentwicklungen zu rechnen sind, die sich in den großen Volkswirtschaften sowie im Globalisierungsprozess abzeichnen.

Also machen Sie sich zunächst einmal auf eine kleine Fahrt durch die bald grell aufblitzende, bald kalt-schummerige Geisterbahn gefasst, die sich, vielleicht nicht ganz erwartet, im Elfenbeinturm der konventionell denkenden Ökonomen verbirgt. 

Keine Sorge, für einen Herzinfarkt wird es nicht reichen, aber seien Sie nicht überrascht, wenn das eine oder andere wirtschafttheoretische Schreckgespenst, das Ihnen unter jähem Geschepper und gruselig-hallendem Gelächter vor den Wagen springt, das Gemüt aufwühlt, und Ihnen bisweilen der Schrecken in die Glieder fährt; bestimmt aber werden Sie am Ende froh sein, dem künstlichen Gelass endlich zu entkommen.

Und denen, mit besonders starken Nerven, sage ich: Bringen Sie ein wenig Geduld mit. Ich werde mein Bestes tun, auch Ihr Interesse wach zu halten. Schließlich sind Keynes’ analytische Befunde nicht ganz so trivial wie ich es vielleicht habe erscheinen lassen in dieser Vorausschau — vor allem werden sie Ihnen zu einem reichen Ertrag verhelfen, sobald Sie, gewappnet mit Ihrem neuen Blick für die Wirtschaft, an die Phänomene herantreten, die Ihnen aus den Schlagzeilen der Presse allzu geläufig sind.

Gestatten? Ich schiebe Ihre Gondel an. Und auf geht’s.



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Thursday 14 July 2016

Keynes verstehen (2) - Makro-Ökonomie - ein Kind des neuen Liberalismus



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Keynes ist der Vater eines neuen Wissenschaftszweiges — der Makro-Ökonomie. Die Geburtsstunde der modernen Makro-Ökonomie schlägt, als John Maynard Keynes im Februar des Jahres 1936 sein Hauptwerk veröffentlicht: die AllgemeineTheorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes.

Ein Versuch, die Ursachen der Weltwirtschaftskrise zu ergründen, stellt Keynes' Allgemeine Theorie zugleich einen neuartigen Ansatz dar, das Gesamtbild des modernen Kapitalismus in seinen wesentlichen Merkmalen zu erfassen.

Der Grundgedanke, aus dem Keynes wichtige, vom vorherrschenden Bild der Volkswirtschaft abweichende Schlussfolgerungen zieht, ist denkbar einfach: Das Leistungsniveau einer Wirtschaft wird bestimmt durch die Nachfrage nach  

Gütern + Dienstleistungen ( = Produktion = Output).

Bei unzureichender Nachfrage sind Unternehmen gezwungen, die Produktion und damit den Beschäftigungsumfang herunterzufahren, so dass die Wirtschaft in einen Abschwung gerät.

Besonders brisant ist Keynes’ Portrait der Wirtschaft, weil es eine Erklärung dafür enthält, warum eine Marktwirtschaft nicht automatisch dafür sorgt, dass genügend Nachfrage entsteht, um Vollbeschäftigung zu gewährleisten. Nach dem Keynesschen Modell ist es sogar so, dass eine Marktwirtschaft, nicht nur in Ausnahmesituationen wie der Weltwirtschaftskrise, sondern auch in ihrem gewöhnlichen Betriebsmodus meist unter dem Nachfrageniveau bleibt, das benötigt wird, um Vollbeschäftigung zu erzielen.

Keynes vertrat die Ansicht, dass der dem kapitalistischen System innewohnende Trend zur Arbeitslosigkeit unnötig sei. Er glaubte, anhand der Erkenntnisse seiner Theorie einen Ausweg gefunden zu haben aus der Unwirtschaftlichkeit, den schädlichen sozialen Folgen und dem persönlichen Leiden, die mit Arbeitslosigkeit verbunden sind.

Keynes war kein Gegner der Marktwirtschaft; er war sich ihres außerordentlichen Leistungsvermögens und ihrer wohltätigen Auswirkungen bewusst. Es war keineswegs seine Absicht, sie durch revolutionäre Gewaltmaßnahmen aufs Spiel zu setzen.

In mancherlei Hinsicht war er sozialkonservativer und liberaler als ihn seine Opponenten zeichnen. Seine Schriften belegen ein skeptisches Bekenntnis zum Liberalismus, den er so wenig von einer kritischen Bewertung ausnahm, wie den Kapitalismus.

Man darf Keynes zu den pragmatischen Liberalen zählen, die sich um die Jahrhundertwende von der Einseitigkeit des klassischen Liberalismus, den der rasante Aufstieg des Kapitalismus überholt hatte, abwandten, um die Grundwerte des Liberalismus als Fundament für die aufblühende Sozialdemokratie zu nutzen.

Der klassische Liberalismus war bemüht gewesen, die progressiven sozialen Kräfte der bürgerlichen Welt vor den reaktionären Hindernissen und Eingriffen von Absolutismus und Aristokratie mit der Forderung zu schützen – „lasst sie in Ruhe, lasst sie doch gewähren“ – „laissez faire, laissez passer“.

Der neue Liberalismus, dem Keynes zuzurechnen ist, erneuert diese Forderung, progressive soziale Kräfte zum Zuge kommen zu lassen, vor dem Hintergrund einer veränderten Welt, in der die Ausbreitung der gedeihlichen Effekte der Freiheit zugunsten einer untereinander versöhnten Bevölkerung neuer Regeln und verständiger Gestaltung bedarf.

Um das Leistungspotenzial der sich entfaltenden freiheitlichen Kultur aufzuschließen, sind neue Maßnahmen erforerlich. So kommt es dem Staat zu, die gigantischen Kräfte, welche der Kapitalismus freisetzt, auf Vollbeschäftigungs-Kurs zu halten. Dazu stehen ihm Mittel zur Verfügung wie Steuern, Arbeitslosigkeitsversicherung, ein rechtlicher Rahmen für die Lohn- und Einkommensgestaltung, staatliche Investitionen in die Infrastruktur und zahlreiche andere Aufgaben — das zinspolitische Nachfrage-Management der Zentralbank etwa — mit denen der Staat öffentliche Güter bereitstellt, die sich anbieten, um das Gemeinwesen im Zeitalter des Kapitalismus besserzustellen.

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Tuesday 12 July 2016

Keynes verstehen (1) — Ein reizvolles Versprechen von Glaubwürdigkeit

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Schwarz-weiße Schatten

Freunde und Gegner des Markts stehen sich spinnefeind gegenüber. Den scharf gezogenen Gegensatz zwischen freiem Markt und zügelnder Wirtschaftspolitik empfinde ich als unglaubwürdig. Beide Lager überziehen. Es scheint als wären die Kontrahenten Opfer eines politischen Zwangs zur Einseitigkeit. Der Eifer des Markt-Kritikers macht ihm zum Markt-Gegner. Der Marktwirtschaftler duldet keinen Zweifel an der Wohltätigkeit der frei wirkenden Kräfte. Gleichgültig welcher Richtung die Adepten angehören, sie scheinen sich zu einer pauschalen Aversion verpflichtet zu fühlen—die einen gegenüber "dem Markt", die anderen gegenüber "Eingriffen in den Markt".

Dabei ist "der" Markt ein Gebilde, das es in Reinform niemals geben kann. Schließlich umspannt "der" Markt ein vielschichtiges Geschehen, das ohne äußeres Einwirken weder in Gang kommt noch Bestand haben kann. Beileibe nicht alle Interventionen sind schädlich. Die löblichen Merkmale von Märkten entspringen letztlich immer einem Zutun von Außen. Und so beruhen die Feindbilder, die ihre Freunde und Gegner entzweien, oftmals nur auf Einbildungen. Sie sind Spiegelungen von Interessen, geistigen Vorlieben und Irrtümern. Im Getriebe der Zwistigkeiten werden aus Zusammenhängen Teilstücke herausgebrochen und zu Gegensätzen neu komponiert. Phantasien bemächtigen sich der Wirklichkeit. Und verändern sie.

Für die Einen ist das Leistungsvermögen der Wirtschaft eine Selbstverständlichkeit—wenn sie nicht gar in Abrede gestellt wird—und das ganze Augenmerk gilt dem Übel, das sich angeblich durch sie verwirklichen soll. Für die Anderen lässt das Staunen und Frohlocken über die Wunder der Wirtschaft keinen Raum für eine kritische Bestandsaufnahme ihrer Grenzen, Fehler und schädlichen Nebeneffekte. Ist für die Einen alles gut, so ist für die Anderen alles schlecht.

Keynes' Reiz

John Maynard Keynes ist mir als eine Stimme aufgefallen, die aus dem Chor der einseitigen Schlachtenrufe mit ganz eigenem Klang herauszuhören ist. Er scheint mir das eigentümliche Exemplar eines Denkers zu sein, der sich durch sein Bekenntnis zum Kapitalismus verpflichtet sieht, diesen unvoreingenommen und schonungslos kritisch in Augenschein zu nehmen. Keynes' Haltung enthält ein reizvolles Versprechen von Glaubwürdigkeit. Freilich sind das einstweilen nur Vorschusslorbeeren.

Schauen wir uns den Mann einmal etwas genauer an.

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Wednesday 6 July 2016

Politics - 8 - [Draft]**


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§ 11 Civil Society and the Political Culture of Democratic Freedom


No single vision captures freedom fully, she is not the mental possession of any person, school of thought, movement or institution; she belongs to no political party. No government and no organ of public opinion, no agent or entity whatsoever is entitled to claim authority over determining what freedom is and what she is not. Liberty is essentially ideology-free. Liberty requires procedures guiding us in her discovery, but she is impervious to blueprints that dictate her shape and the nature of her fruits.

Civil society is the alternative to the politics by domination that has been the distinguishing hallmark of all eras prior to the emergence of freedom. Civil society takes the privilege of politics out of the hands of the few and divides it among the entire adult population. Civil society, which is the base of political emancipation and all formal channels of politics in modern society, is the result of a community where political domination of the population by a power elite is ruled out, not only in principle,  and by constitutional construction and effort, but also by the fact that every individual is in very large measure effectively insulated in her everyday activities outside of politics and in the pursuit of her personal ambitions and plans from arbitrary tutelage by holders of power.

The political culture of democratic freedom represents the counter-model to the way in which politics is organised in a closed access society. It is the strict ban on any systematic efforts to exclude the adult population from decisions concerning the exercise of power and the determination of power's purposes that makes politics constitutive of freedom. Owing to the taboo imposed on exclusive political competence by an insulated and unchallenged minority and the concomitant possibility of mass political participation that it is a free society that is permeated by politics more comprehensively than any other type of society during the history of mankind.

Politics in a free society is submerged in a matrix of political culture, which, in turn, is submerged in the freedoms of autonomous individuals operating in civil society. While our attention tends to be focused on the signal features of professional and organised politics (elections, parliament etc.), it is important to realise that these are functionally hardened structures in the centre of a vast network of political inclination, license that emerges from the vast latitude that the individual enjoys vis-à-vis the strongest authorities in society. In a closed access society of highly centralised and and highly exclusive political activism nothing—in principle, and not much in practice— was allowed unless it was expressly authorised by the power-holders. A change of garment, a liaison, a new job, the absence in church etc—new and individualised action was ostentatious in that system, immediately detected and at once subject to the judgement and authoritative ruling of the powers-that-be.

By contrast, the political nature of a free society is rooted in the implacable rejection of political intrusion by a ruling minority and the resultant infinity of options for personal choice. Choice becomes a right, a tool, and an experience for everyone, and so does identity and political conviction and the participation in politics, giving rise to a multiplicity of voiceable skepticism, dissent, and counter-argument whose ubiquity and entrenchment in the practical concerns of the free are capable of outweighing any political force intent on old-fashioned domination.

The question is how did we get to cross the threshold between closed access and open access society? And are we liable to revert to old ways?


§ 12 The Changing Nature of Political Agency — From Closed Access Society to Open Access Society


In transitioning from a closed access society to an open access society, politics assumes an altogether new character. The right to take political decisions is no longer vested in a select group of privileged social status, instead political rights are democratised, i.e. they are dispersed more broadly among the population—increasingly so. The individual experiences political empowerment. But there is an all-important condition that comes with her elevation to the status of co-shaper of what counts as socially valid in a community. Previously political agency meant that the person eligible for it could determine the duties and other constraints binding on a clientèle subservient to her; the ability to wield political power was based on the subordination of other persons, requiring the exclusion of most other members of the community from a political status equal to hers.

The right to political action was an exclusive personal possession, constituting a prerogative for arbitrary discretion on the part of a small group of persons. Politics was autocratic or oligarchical. It was personal not in the sense of attaching to the person as such, any person—rather, it was assigned only to elect individuals, being strongly geared to furthering the personal concerns and ambitions, the fate and interests of the person in possession of political power. It entailed a wholly different way of life compared to the rest of the community.

By contrast, in modern open access societies, the personal character of politics takes on a different meaning: every person is empowered to participate in the game of politics that determines which actions are not and which are authorised by the community.

However, the nature of the right to political participation is circumscribed by formal rules that are generally binding and equally applicable to all.

The expression of personal political preferences is no longer a matter of being able to exercise arbitrary personal discretion by virtue of special status and superior power. Instead, political efficacy is contingent on social considerations embodied in the rules of political conduct.

Even if in a free society the upshot of political decisions may occasionally establish privileges for certain persons or groups, the exercise of political fiat takes place within a framework of social control and accountability that can always be used to challenge, repeal, or otherwise change a given political determination. The ultimate power to decide the legitimacy of a political issue is never ceded to the independent discretion of a person but remains tied to rules and principles reflecting the equal rights and equal duties of all participants in an open-access process of political competition. The individual participant is free to choose, express, and support her political preferences, but she is not free to enforce her choice by according herself a preponderance of decision power over all other participants of the political game.


§ 13 The Trap of Power — Personalised Politics


The social order of an closed access society is determined by relations of personal dependence on individuals endowed with exceptional coercive power. To assert his personal advantages, the dominant personality must be strong enough to act in whatever arbitrary fashion is needed to support his power and reap the fruits of dominance; not only does he himself depend on this ability to act as he sees fit, but so does the subordinate populace, which depend for their fate and station in life on the personal ties binding them to the power-holder and the favours and disfavours dispensed by him. To attain the concrete, short-term objectives of maintaining and reaping rewards from power, the power-holder must be able to act flexibly, which is tantamount to wielding arbitrary powerget what he can get, manoeuvre tactically and make concessions to maintain as much scope for his own security and  personal enrichment as he can.

At the same time, members of the ruling coalition are attracted to the world of more predictable and enduring security that is brought forth by the very norms that prevent arbitrary exercise of power. In closed access societies, there are incentives to move toward the rule of law, as opposed to the rule of (the powerful) man. However, giving up absolute power is dangerous and may give effect to (short-term) consequences too daunting to allow for change that yields greater net advantages in the long-term.

This is the threshold that has proven impossible to overcome for a long time in human history and keeps playing a significant role in the political development of mankind in the developing world, as well as yielding insight into the dynamics of regressive political developments in democratic states, where the stability and success of democracy may engender inordinate trust in the political system which gradually reverts to less carefully monitored, more authoritarian and oligopolistic forms of political dominance.


 § 14 Toward Freedom — Depersonalising Law and Power


From the tension between (a) the need and the temptation to exercise arbitrary power and (b) the desire for security, including legal certainty, arises a trend in the natural state toward early forms of the rule of law, which, of course, tends to be restricted to the dealings of the power-holders amongst themselves.

Emerging Contours of the Rule of Law

Certain rules become more authoritative than even a powerful agent. The rule of man is being superseded by the rule of law. When power used to be vested in a specific person, powerful enough to assert his wishes and whims, now it stems from abstract determinations that are general and binding to everyone—enclosed in the budding sphere of law.

The most important among the first steps toward the rule of law is the depersonalisation of law and power. In fact, as the rule of law starts its rise, law becomes power—by virtue of replacing the coercive capabilities of a personal authority to enforce her desires through the fixed and impersonal content of general and abstract norms.

Law is no longer subservient to the special, elevated status and the superior power of a specific person.

Law is no longer serviceable to the needs of agents of governance whose advantages and dominance over others are vested in a specific individual—rather than in an impersonal function and office accountable to publicly determined and publicly monitored standards.

Law addresses a public concern, a good that is not the personal possession of an individual alone, but entails the promise and the duty to deliver a common weal that is commonly authored and enforced against objective standards.

Depersonalising Rights to Spread Personal Rights

The individual continues to be the benefactor of the law but only in so far as her demands on the law are compatible with those of other participants in the egalitarian regime of law, which projects a transpersonal, public purpose.

At the base of the rule of law, we encounter the depersonalisation of legitimacy, entitlement, and power. A king could declare himself legitimised and entitled to driving a car or holding a driver's license by virtue of his status as being a king, and he might enforce this self-asserted capability using the physical power he commands. Contrariwise, today anyone who has the right to acquire a driver's license is not herself the source of the legitimacy of the right, or the entitlement and the power to exercise it, instead she is eligible to exercising the right only to the extent that she satisfies criteria that define the right irrespective of the circumstances or desires of any specific individual.

Modern personal rights (such as the right to acquire a driver's license) tend to depend on a prior historical process of depersonalising rights. The larger the number of people that are to be eligible holders of a right, the more the right needs to be made independent of personal discretion in defining, awarding, enforcing and policing it.

Law Must Become Public before It Can Be Privately Effective

At this juncture, we encounter a feature that becomes indispensable when freedom develops in more complete manner: logically and historically, first the state—the unrivalled wielder of power—must become subject to legal rules curbing arbitrariness, before a private sphere can be defined and defended by rules that afford predictable protection against wilful transgression. The rule of law must tame, it must come to dominate, the (natural) state before it can serve as a productive force in private dealings made independent of the caprice of overpowering public and non-state agents.

Depersonalising law and power is tantamount to making them publicly accountable. For what is power if it is no longer in the possession of a person? It becomes a common project. And what does "common" mean? The term implies the political participation of the public, of every adult member of society. Ultimately, power and the law are being shaped by political efforts to whose exercise every citizen is invited in a free society. That is the meaning of an "open access society."

I now turn my attention to the threshold conditions that accompany the transition from a closed access society to an open access society—from a community where politics is a privilege for a narrow circle to a community that is fully politicised in that every member of it is entitled to make his concerns felt in the determination and supervision of law and power.


Continued here.