Sunday 7 February 2016

Das Paradoxon der Freiheit - Ein Vortrag - (4)

Fortsetzung des dritten Teils.

Die Kernidee des Liberalismus besagt, dass Menschen imstande sind, eine begrüßenswerte und einzigartig leistungsfähige Ordnung durch selbstbestimmtes Handeln spontan zu erzeugen. Es ist in allen Belangen besser, auf freie Bürger als auf Untertanen zu setzen. Es ist für die meisten Menschen zuträglicher, sich von verlässlichen Regeln, als von herrschaftlichen Befehlen lenken zu lassen. So wichtig, diese Hypothesen des Liberalismus auch sind, sie decken nicht alles ab, was zu bedenken ist. Tatsächlich schwächt sich der Liberalismus selbst und macht sich bei vielen unglaubwürdig, indem er wichtige andere Teil der "Geschichte", in die das Phänomen spontaner Ordnung eingebettet ist, unbeachtet lässt.

Machen wir uns dies am Beispiel Hayeks klar.



Das grundlegende Manko, das Hayeks Bild spontaner Ordnung anhaftet, besteht darin, dass er den für bestimmte Zwecke nötigen Standpunkt höchster Abstraktion so gut wie nie verlässt, um von "niederer" Warte empirische Befunde wahrzunehmen, die wichtige Gesichtspunkte für die Bewertung seiner Hypothesen enthalten.

Hayek verfängt sich in einer zu engen ökonomischne Interpretation spontaner Ordnung, die er am besten erforscht glaubt in den Modellen einer idealen, freien Wirtschaft.  

Für bestimmte Zwecke der ökonomischen Analyse ist es durchaus zulässig, so stark zu abstrahieren, dass die legitime Rolle planvollen menschlichen Handelns, besonders in Politik und Staat, aus dem Blickfeld gerät. So etwa, wenn wir Gleichgewichtstendenzen im wirtschaftlichen Gebaren dem Prinzip nach genauer erfassen wollen.

Hayek aber macht sich des Ökonomismus schuldig, also des Missbrauchs der ökonomischen Betrachtungsweise durch deren Verabsolutierung oder Verengung auf besonderere Ausschnitte des Forschungsspektrums der Ökonomie.  Das abstrakte Gleichgewichtsmodell der ökonomischen Theorie - das Hayek qua ökonomische Theorie ironischerweise gerade wegen seiner Abstraktheit in Frage stellt - überträgt er völlig unkritisch auf die noch allgemeinere Kategorie der spontanen Ordnung. Das erklärt auch die frühen Verdachtsmomente, von denen wir uns in der letzten Folge zu einer tiefergehenden kritischen Analyse haben aufrütteln lassen, angesichts des einseitig harmonischen, völlig problembefreiten Portraits das uns Hayek von spontaner Ordnung malt.

In Hayeks Gedankenwelt nimmt die spontane Ordnung den Platz jener stets zum Gleichgewicht gelangenden freien Wirtschaft der klassischen und neoklassischen Ökonomie ein.

Damit begeht Hayek in seiner allgemeinen Gesellschaftstheorie und der Darstellung seines liberalen Weltbildes, die ja um die zentrale Idee der spontanen Ordnung kreisen, genau den gleichen Fehler, den er der Gleichgewichtsökonomik anlastet: er unterstellt als unstrittig genau das, was zu beweisen wäre, nämlich das unweigerliche Sich-Einspielen der Gesamtordnung auf einen zuträglichen Gleichgewichtszustand. 

Beklagt er noch das Versagen ökonomischer Gleichgewichtsmodelle, die sich der grundlegenden empirischen Frage verschließen, wie denn konkret die Daten erhoben und verarbeitet werden, die bekannt sein müssen, bevor es möglich ist, so zu handeln, dass ein Gleichgewicht überhaupt zustandekommen kann, so unterlässt es Hayek gänzlich, sich mit kritischen Fragen über die Gleichgewichtsbedingungen oder gar den Gleichgewichtscharakter spontaner Ordnung zu beschäftigen.

Spontane Ordnung ist der leuchtende Stern seiner Weltanschauung, ein Mythos, der von ihm nicht hinterfragt, allenfalls - dazu später mehr - dogmatisch verteidigt wird. 

Da hinter steckt ein Problem, dass den gesamten klassischen Liberalismus in seiner Glaubwürdigkeit schwer beeinträchtigt. Aussagen, die auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau eine zumindest vordergründige Stimmigkeit aufweisen, werden dem Test der Wirklichkeit nicht ernstlich ausgesetzt, dem Test jener Verhältnisse und Bedingungen, die erst auf einem niedrigeren Abstraktionsniveau sichtbar werden.

Daher befassen wir uns in der nächsten Folge eingehender mit den folgeträchtigen Auswirkungen, die die Wahl des Abstraktionsniveaus auf unsere Erkenntnbisfähigkeit hat.

 

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