Saturday 30 December 2017

EU (2) — Balance the Economy, Not the Budget

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Stephanie Kelton erläutert, warum die vermeintliche Tugend eines ausgeglichenen Staatshaushalts ein Relikt aus der Zeit des Goldstandards ist.



Es ist kontraproduktiv, heutzutage noch an diesem Relikt festzuhalten.

Unter dem starren System des Goldstandards war es insofern ratsam, auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu achten, als die Menge an Geld ( = Gold) beschränkt war, und ein Staat sich ruinieren konnte, wenn er mehr Geld ( = Bezugsscheine für Gold) ausgab, als durch in seinem Besitz befindlichem Gold gedeckt war.

Doch eine derartige Verknappung des Geldes besteht nicht mehr, wenn ein Staat zum souveränen Währungsemittent wird, wie das im System des Fiat-Geldes der Fall ist – wenn man denn diese Variante politisch will.

Die europäischen Staaten, einschließlich Deutschlands, haben ihre Währungssouveränität mit der Mitgliedschaft in der EU (m. E. unklugerweise und ohne Not) aufgegeben. 

Zudem lassen sie sich in den grundlegenden Vertragstexten der EU (Maastrichter Vertrag etc.) ausdrücklich zu einer unnötig starren und verengten Haushaltspolitik à la Goldstandard verpflichten.

Demgegenüber ist ein währungssouveräner Staat nicht durch die Geldmenge eingeschränkt; er hat deswegen viel größere Möglichkeiten, die Wirtschaft durch ihre Konjunkturphasen hilfreich zu begleiten als die Länder der heutigen EU oder seinerzeit die Länder, die sich dem Goldstandard unterworfen hatten.

Um der Wirtschaft zu einem steten Kurs zu verhelfen,  muss der Staat darauf achten, dass das Geldangebot den Phasen des Konjunkturzyklus angepasst ist. 

Bei drohender Überhitzung muss der Staat auf die Bremse treten (die Staatsausgaben zurückfahren). 

Bei einem Abschwung sollte er kräftig Gas geben (das Haushaltsdefizit erhöhen).

Und bei einigermaßen reibungslosem Wachstum auf schon recht hohem gesamtwirtschaftlichen Auslastungsniveau sollte der Staat nur noch sachte beschleunigen oder vorsichtig bremsen.

Eine antizyklische Budgetpolitik dieser Art lässt sich natürlich nicht durchführen, wenn man der Wirtschaftspolitik rigide Richtwerte aufoktroyiert, wie dies die EU tut.

Das Vorzeichen und die Höhe des Staatshaushalts stehen, anders als die Verträge der EU suggerieren, in keinem ein für alle Mal festgelegten Zusammenhang mit den Erfordernissen sachgerechter Konjunkturpolitik. 

Es kann sehr wohl vernünftig sein, ein verhältnismäßig hohes Staatsdefizit zu „fahren“, um eine Krise abzuwenden oder einen Aufschwung einzuleiten.

Die vielfach suggerierte Gefahr einer Überschuldung durch ein hohes Haushaltsdefizit besteht einfach nicht. 

Als souveräner Währungsemittent ist der Staat jederzeit in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu begleichen.

Auch gehen hohe Staatsschulden durchaus nicht auf Kosten künftiger Generationen – bedenkt man die Aussage des vorhergehenden Absatzes. 

Im Gegenteil, wenn wir es heute unterlassen, Krisen abzuwenden oder die Wirtschaft wachsen zu lassen, so hat dies nachteilige Konsequenzen für die nachfolgenden Generationen, die sich auf ein niedrigeres wirtschaftliches Niveau zurückgeworfen sehen.

Was zählt ist der Auslastungsgrad der Wirtschaft. 

Wenn die Kapazitäten überstrapaziert werden, Überhitzung und Inflation drohen, sollte der Staat seine Ausgaben verringern. 

Wenn Ressourcen brachliegen, ist es angezeigt, die Wirtschaft durch Ausweitung staatlicher Ausgaben anzukurbeln.

Einen ausgeglichenen Staatshaushalt zum Ideal zu erheben, bedeutet ihn als Selbstzweck zu behandeln. 

Doch derlei ist reiner Fetischismus, der auf einer ebenso beliebten wie falschen Analogie fußt – nämlich dem Modell eines privaten Haushalts als Vorbild für den Staatshaushalt. 

Tatsächlich funktioniert ein Staat anders als der Haushalt einer Privatperson, einer Familie oder eines Unternehmens. 

Der Staat ist Währungsemittent. 

Er kann jeden Finanzbedarf, den er verspüren mag, durch Geld-Emission befriedigen. 

Gewöhnliche Haushalte sind keine Währungsemittenten. 

Infolgedessen verfügen sie über keine unbeschränkte Finanzquelle. 

Sie sind gezwungen, Geld zu verdienen (wenn das nicht andere schon für sie – Erben, Lottogewinner etc – getan haben), um ihren Finanzbedarf zu decken.

Die Architekten der EU jedoch haben das nicht verstanden.

Sie sind davon ausgegangen, dass die EU einem gewöhnlichen Haushalt gleicht.

Sie haben völlig willkürlich bestimmte Zahlenwerte in Stein meißeln lassen, die 

  • zum einen eine bloße (höchst kostspielige) Verbeugung vor der unsinnigen Haushaltsanalogie darstellen und 

  • zum anderen, eine bewegliche Anpassung an die im Wandel des Konjunkturzyklus auftretenden Notwendigkeiten der Wirtschaft mit folgenschweren Konsequenzen behindern.

Die EU ist auf dem Fundament eines austeritätslastigen Fetischs gebaut worden.

Ich schreibe „austeritätslastig“ um hervorzuheben, wie die Politik des ausgeglichenen Staatshaushalts unweigerlich dazu führt, dass 

  • die Wirtschaft stärker als nötig gebremst wird,

  • ihr Ressourcen entzogen oder vorenthalten werden gerade dann, wenn sie dieser am dringendsten bedarf und

  • eine Krise nicht abgewendet oder ein Aufschwung nicht angeschoben wird, obwohl die Möglichkeit dazu besteht. 

Daher die Dauerstagnation in der EU und der desolate wirtschaftliche Zustand vieler ihrer Mitgliedsstaaten.

Was vielmehr benötigt wird, ist eine ausgeglichene Entwicklung der Wirtschaft, nicht ein ausgeglichener Staatshaushalt.

Die Wirtschaftspolitik sollte daher bemüht sein, den Staatshaushalt dem Konjunkturverlauf anzupassen, sodass letzterer einen stetigen, niemals unnötig abbrechenden und niemals überhitzenden Wachstumspfad einschlägt.

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