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Englische Zusammenfassung unten / English summary below.
Wissenschaft als Obrigkeit
Wissenschaft als Obrigkeit
„Das ist wissenschaftlich bewiesen.“ Wie oft man diesen Satz doch hört. In Wahrheit ist nichts wissenschaftlich beweisbar. Jedenfalls nicht in den Erfahrungswissenschaften, einschließlich der exakten Disziplinen der Naturwissenschaften.
Leider ist die Auffassung weiterhin weit verbreitet, dass Wissenschaft uns endgültig gesichertes Wissen beschert. Dabei können uns selbst die am rigorosesten getesteten und ausnahmslos bestätigten Prognosen der Wissenschaft keine unumstößlichen Erkenntnisse liefern.
Der Irrtum, wonach die Wissenschaften endgültig gesichertes Wissen aufspüren, wird gerne von der Politik ausgenutzt, um ihren Zielen eine unantastbare Würde zu verleihen.
Wenn die Politik sich in den Mantel endgültig geklärter Wissenschaft hüllt – die es nicht gibt –, sollten bei uns sofort die Alarmglocken schrillen. Jemand versucht, uns mit dem trügerischen Schein einer letztinstanzlichen Autorität zu „plätten“. Die Wissenschaft wird zum verlängerten Arm der Obrigkeit.
Tautologische Wahrheiten und empirisch überprüfbare Aussagen
Tautologische Wahrheiten und empirisch überprüfbare Aussagen
Ich vermute, dass es uns deshalb so schwerfällt, den irrigen Glauben an die endgültige Wahrheit der Wissenschaft abzulegen, weil wir nicht vertraut sind mit dem Unterschied zwischen
- tautologischen Wahrheiten und
- empirisch überprüfbaren Aussagen mit Wahrheitsanspruch, Wahrheitsähnlichkeit oder auch Aussagen, die in einem endgültigen Sinne wahr sein mögen, von denen wir aber nie wissen können, ob sie es sind.
Man kann Wahrheit definitorisch herstellen: „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt wie es ist.“ Das ist eine tautologische Wahrheit. Eine Aussage, die unter allen Umständen wahr ist.
Aber es sind meist nicht tautologische Wahrheiten, auf die wir uns zu berufen meinen, wenn wir glauben, die Wissenschaft habe etwas endgültig bewiesen. Wir wollen ja etwas über die uns umgebende Welt aussagen. Wenn wir den endgültigen Schiedsspruch der Wissenschaft anfordern, beziehen wir uns also in der Regel auf Sachverhalte, die durch die Erfahrung bestätigt oder widerlegt werden können. Wir beziehen uns auf Erfahrungswissenschaften (Physik, Chemie ...), nicht auf Formalwissenschaften (Logik, Mathematik ...).
Erfahrungswissenschaft und induktives Schließen, Formalwissenschaft und deduktiv-syllogistisches Schließen
Erfahrungswissenschaft und induktives Schließen, Formalwissenschaft und deduktiv-syllogistisches Schließen
Zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen diesen Wissenschaftstypen vergegenwärtigen wir uns doch einmal die unterschiedlichen Merkmale des induktiven Schließens (in den Erfahrungswissenschaften) und des deduktiv-syllogistischen Schließens (in den Formalwissenschaften).
Deduktiv-syllogistisches Schließen
Alle Menschen sind sterblich. Hans ist ein Mensch. Also ist Hans sterblich.
Diese Schlussfolgerung ist korrekt. Sie mag zufällig auch faktisch zutreffend sein. Die empirisch-sachliche Richtigkeit hat aber nichts mit der logischen Richtigkeit dieser Schlussfolgerung zu tun.
Alle Menschen sind Frauen. Hans ist ein Mensch. Also ist Hans eine Frau.
Diese Schlussfolgerung ist logisch korrekt, obwohl die Prämisse empirisch-sachlich falsch ist. Und sie wäre immer noch korrekt selbst, wenn Hans tatsächlich ein Mann und keine Frau ist.
Die Stimmigkeit eines Syllogismus hängt nicht von empirischen Befunden ab. Sie beruht vielmehr auf der Einhaltung bestimmter (mengentheoretisch deutbarer) formaler Bedingungen, nicht aber auf der faktischen Korrektheit, der in ihm enthaltenen Aussagen.
Induktives Schließen
Induktives Schließen
Demgegenüber werden die Aussichten auf Erfolg bei einer induktiven Schlussfolgerung von anderen Bedingungen bestimmt. Bei einem induktiven Schluss glauben wir uns berechtigt, von vergangenen Ereignissen auf künftige schließen zu können.
Die Sonne ist bisher immer aufgegangen, also wird sie auch morgen aufgehen.
Diese Art des Schlussfolgerns ist ohne Frage außerordentlich hilfreich in unzähligen Situationen des menschlichen Lebens. Aber sie ist nicht imstande, absolut sicheres Wissen zu gewährleisten.
Der aufgrund von Erfahrungswerten prognostizierte Sachverhalt, dass die Sonne morgen (höchst wahrscheinlich) wieder aufgehen wird, weil sie das in großer Regelmäßigkeit bisher immer getan hat, ist nicht zwingend und notwendig wahr.
Wir dürfen uns nicht über die Fehlbarkeit induktiv erworbenen Erfahrungswissens hinwegtäuschen, auch wenn wir im praktischen Leben häufig induktive Schlussfolgerungen ziehen, die keiner ernsthaft infrage stellen würde – die uns also wie unanfechtbare Wahrheiten vorkommen.
Der aufgrund von Erfahrungswerten prognostizierte Sachverhalt, dass die Sonne morgen (höchst wahrscheinlich) wieder aufgehen wird, weil sie das in großer Regelmäßigkeit bisher immer getan hat, ist nicht zwingend und notwendig wahr.
Wir dürfen uns nicht über die Fehlbarkeit induktiv erworbenen Erfahrungswissens hinwegtäuschen, auch wenn wir im praktischen Leben häufig induktive Schlussfolgerungen ziehen, die keiner ernsthaft infrage stellen würde – die uns also wie unanfechtbare Wahrheiten vorkommen.
In diese Klasse prinzipiell widerlegbarer induktiver Befunde gehören alle Naturgesetze, das ganze Vermutungswissen der Erfahrungswissenschaften.
Auch wenn es vielen nicht glaubhaft erscheinen mag – mir schon –, dass dies je geschieht, wir können nicht ausschließen, dass die Naturgesetze eines Tages nicht mehr oder anders funktionieren als bisher. Oder es kann sich herausstellen, dass wir uns in der inhaltlichen Bedeutung geirrt haben, die wir einem Naturgesetz zugeschrieben haben. Beobachtungen zeigen, dass unsere Theorie überholt ist. Verbesserte Theorien können bisherige Beobachtungen in einem neuen Licht erscheinen lassen.
So gesehen sind alle Wahrheiten der Erfahrungswissenschaften stets ungewiss. Sie können schon durch ein Ereignis falsifiziert werden. Und so gesehen ist auch die im Video getestete Hypothese kein Beispiel für absolut sicheres Wissen.
Dass physikalische Gesetze uns unumstößlich zu sein scheinen, liegt daran, dass wir sie unzählige Male getestet haben, ohne dass sie widerlegt werden konnten. Dies wiederum bedeutet aber nicht, dass wir deshalb mit Sicherheit wissen, dass sie nie widerlegt werden können.
Weil sie nach Regelmäßigkeiten und Konstanten in der Natur suchen, sind die Erfahrungswissenschaften in hohem Maße auf induktives Schließen angewiesen. Induktives Schließen ist aber von Natur aus fehlbar. Und somit sind die Erfahrungswissenschaften fehlbar.
Um aus dieser Fehlbarkeit eine Tugend zu machen, verlangt die wissenschaftliche Methode, dass der Wissenschaftler seine Hypothesen so formuliert,
- dass man sie festnageln kann zwecks Infragestellung und
- dass bekannt ist, unter welchen Umständen, sie als widerlegt zu betrachten sind.
Pseudowissenschaft scheut diese Offenlegungspflicht wie der Teufel das Weihwasser. Ihre Hypothesen sind schlüpfrig, verbergen die Bedingungen ihres Scheiterns und schirmen sich mit Ad-Hoc-Zusatzannahmen gegen Widerlegungen ab.
Bei jedem Schuss, der das Aus bedeuten könnte, wird das Tor fix verschoben.
Global warming verwandelt die Welt in einen Glutofen. Global warming ist für Rekordkälte verantwortlich. Global warming lässt sich in beliebigen Szenarien als der Bösewicht darstellen.
Bei jedem Schuss, der das Aus bedeuten könnte, wird das Tor fix verschoben.
Global warming verwandelt die Welt in einen Glutofen. Global warming ist für Rekordkälte verantwortlich. Global warming lässt sich in beliebigen Szenarien als der Bösewicht darstellen.
Pseudowissenschaftliche Hypothesen neigen dazu, sich in Tautologien zu verwandeln: Aussagen, die unter allen Umständen zutreffen.
Im Gegensatz dazu zielt chte Wissenschaft darauf ab, Fehler unerbittlich und so schnell wie möglich zu erkennen, damit sie uns nicht davon abhalten, uns in der Welt immer besser zurechtzufinden.
Inspiriert von diesem Post.
English summary
Only definitional truth can ensure cognitive certainty. Science as an effort to learn more about the world in which we live is incapable of delivering cognitive certainty. Tautologies are true under all possible circumstances. But they don't tell us anything about the world that we didn't already know. Acquiring new knowledge about reality comes at the cost of fallibility. To improve our lot and to orient ourselves the better, we seek regularities and constants in our environment — this is the aim of empirical science. The scientific search for structure is dependent on inductive reasoning, which trawls for past patterns whose regularity allows us to draw valid conclusions about future patterns. The inductive link may be broken anytime by new events or improved perception. There is no way to presage or exclude with certainty a rupture of the inductive link. This shortcoming may be turned into an advantage by practising empirical science as an error detecting enterprise intent on uncovering our mistakes as systematically, thoroughly, and quickly as possible, thus accelerating the improvement of our conjectural knowledge of the universe. Falsification of the latest, ever developing stage of our conjectural knowledge is the driver of empirical science. The objective of empirical science is not to establish final authority by reaching the end-stage of what can be known about a subject — this is impossible, though politicians and activists attempt to cast science in that light. The task of empirical science is to question what we know to eliminate the flaws in our current knowledge. To this purpose, the scientist must make his theory amenable to challenges and specify the conditions under which his hypotheses are refuted. The authority of science lies not in its results but in its method, in its critical spirit.
See also Deniers and Null-Hypotheses.
Inspiriert von diesem Post.
English summary
Only definitional truth can ensure cognitive certainty. Science as an effort to learn more about the world in which we live is incapable of delivering cognitive certainty. Tautologies are true under all possible circumstances. But they don't tell us anything about the world that we didn't already know. Acquiring new knowledge about reality comes at the cost of fallibility. To improve our lot and to orient ourselves the better, we seek regularities and constants in our environment — this is the aim of empirical science. The scientific search for structure is dependent on inductive reasoning, which trawls for past patterns whose regularity allows us to draw valid conclusions about future patterns. The inductive link may be broken anytime by new events or improved perception. There is no way to presage or exclude with certainty a rupture of the inductive link. This shortcoming may be turned into an advantage by practising empirical science as an error detecting enterprise intent on uncovering our mistakes as systematically, thoroughly, and quickly as possible, thus accelerating the improvement of our conjectural knowledge of the universe. Falsification of the latest, ever developing stage of our conjectural knowledge is the driver of empirical science. The objective of empirical science is not to establish final authority by reaching the end-stage of what can be known about a subject — this is impossible, though politicians and activists attempt to cast science in that light. The task of empirical science is to question what we know to eliminate the flaws in our current knowledge. To this purpose, the scientist must make his theory amenable to challenges and specify the conditions under which his hypotheses are refuted. The authority of science lies not in its results but in its method, in its critical spirit.
See also Deniers and Null-Hypotheses.
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