Tuesday, 20 December 2016

Überlegungen zur Entthronung des Dollars

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Dies ist meine auszugsweise Übersetzung von Jared Bernsteins Artikel —"Dethrone 'King Dollar'"—, der am 27. August 2014 in der New York Times erschien. Der Autor stellt die Vorteilhaftigkeit des US-amerikanischen Privilegs, über die Welt-Reserve-Währung zu verfügen, in Frage. Dieser Artikel von Christiane Karweil gibt einen hilfreichen Überblick über die vermeintlichen Vorzüge einer Reserve-Währung.

Neuste Forschungsergebnisse zeigen, dass, was einst ein Privileg war, inzwischen zu einer Bürde geworden ist, die das Beschäftigungswachstum unterhöhlt, das Haushalts- und das Handelsdefizit aufpumpt und überdies Finanzblasen Vorschub leistet. Um die amerikanische Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen, muss die Regierung das Bekenntnis zur unbedingten Wahrung des Status des Dollars als Reserve-Währung aufgeben.

Am besten legt die Gründe hierfür Kenneth Austin, Ökonom im Treasury Department, in der neuesten Ausgabe von The Journal of Post Keynesian Economics dar (es muss kaum hinzugefügt werden, dass darin seine Auffassung und nicht unbedingt die des Finanzministeriums zum Ausdruck kommt). Unter der Annahme, dass diese Publikation nicht aufgeschlagen auf Ihrem Kaffeetisch liegt, erlaube ich mir, den Inhalt zusammenzufassen:

Es ist weithin bekannt, dass einige Länder, wie China, Singapur und Süd-Korea, den Wert ihrer Währung künstlich niedrig halten gegenüber dem Dollar, um ihre Ausfuhren in die USA zu begünstigen und die der USA in ihre Länder zu beschränken. Sie kaufen große Mengen an Dollars, was den Wert des Dollars gegenüber ihrer eigenen Währung erhöht, wodurch ihre Exporte zu uns billiger und unsere Exporte zu ihnen teurer werden

Im Jahr 2013 betrug Amerikas Handelsdefizit $ 475. Das auf China entfallende Defizit belief sich allein auf $318 Milliarden.

Auch wenn Herr Austin es nicht ausdrücklich so bezeichnet, seine Arbeit verdeutlicht, dass, weit davon entfernt, ein Opfer manipulierender Handelspolitik zu sein, die Vereinigten Staaten ein williger Mitspieler sind, eben aufgrund ihrer Anstrengungen, den Dollar als der Welt bedeutendster Reservewährung zu erhalten.

Wenn ein Land seine Ausfuhren begünstigen will, indem es sie in der oben geschilderten Weise billiger macht, häuft dessen Zentralbank Währung jener Länder an, die Reserven anbieten. Um diesen Vorgang zu unterstützen, unterdrücken diese (Export subventionierenden) Länder den Verbrauch und begünstigen das Sparen bei sich. Damit die internationalen Salden übereinstimmen, müssen „Währungs-Horter“ mehr sparen und weniger konsumieren als sie produzieren, während andere Länder — „Währungs-Anbieter“, wie die Vereinigten Staaten — weniger sparen und mehr konsumieren müssen als sie produzieren (d.h. ein Handelsdefizit erzielen).

Dies bedeutet, dass die Amerikaner nicht alleine die Spar-Rate und die Konsum-Rate in ihrem Land bestimmen. Stellen Sie sich eine (handels)offene Weltwirtschaft einfach mal so vor als stehe ihr ein Gesamteinkommen zur Verfügung, das sich vollständig verteilen muss auf den Konsum, die Ersparnisse oder die Investitionen, die in ihr stattfinden. Das bedeutet, dass die einzelnen Länder sich an einander anpassen müssen. Wenn Länder mit einem Handels-Überschuss den Verbrauch bei sich unterdrücken und ihre Überschuss-Ersparnisse benutzen, um Dollars anzusammeln, dann müssen die Länder mit einem Handels-Defizit diese Überschuss-Ersparnisse absorbieren, um den Konsum-Überschuss und den Überschuss an Investitionen bei sich zu finanzieren.

Man beachte, dass, wenn der Dollar die Reserve-Währung ist, Amerikas Handelsdefizit auch aufgrund von Handelstransaktionen steigen kann, an denen wir nicht direkt beteiligt sind. Nehmen wir an, Südkorea verzeichnet einen Handelsüberschuss im Verhältnis mit Brasilien. Indem es die Einnahmen aus seinem Export-Überschuss in Treasury bonds anlegt, sorgt Südkorea dafür, dass der relative Wert des Dollars gegenüber den Währungen unserer Wettbewerber steigt, und unser Handels-Defizit wächst, obwohl die Transaktionen, die diese Veränderungen auslösen, die Vereinigten Staaten nicht berührten.

Dies ist nicht eine Erkenntnis, die vom Artikel eines einzelnen Akademikers lebt. Die Analyse von Herrn Austin baut auf der Arbeit des Ökonomen Michael Pettis auf, und besonders auf der von Ben S. Bernanke, dem früheren Chef der Federal Reserve.

[E]in Resultat dieses Tanzes ist die unzureichende Inlandsnachfrage am amerikanischen Arbeitsmarkt[, die uns in der nur schwachen Erholung von der Großen Rezension hartnäckig plagt]. Herr Austin argumentiert recht überzeugend, dass das korrekte Maß für die in Form von Arbeitslosigkeit bei uns entstehenden Kosten [des Reserve-Währungs-Privilegs] der Dollar-Wert des Erlöses aus dem Verkauf von Währungsreserven an ausländische Käufer ist. Nach seinen Schätzungen, belief sich dieser Wert auf sechs Millionen Arbeitsplätze im Jahr 2008, wobei es sich hierbei in nicht unbeträchtlichem Maße um die gut bezahlten Arbeitsplätze in der Fertigungswirtschaft handelt, die besonders anfällig sind für Veränderungen im Exportvolumen.

Die Entthronung des Dollars wäre leichter zu erreichen als viele denken. Amerika könnte zum Beispiel auf Regeln bestehen, die andere Länder davon abhalten, zu große Mengen unserer Währung anzusammeln. Tatsächlich wenden andere Länder genau dieses Verfahren an, um zu verhindern, das Arbeitsplätze exportiert werden. Das jüngste Beispiel liefert Japans Intervention, mit der es den Wert des Yen vor einem Anstieg bewahrte als Zentralbanken in Asien und Latein Amerika begannen, japanische Schuldtitel zu erwerben.

Wenn natürlich weniger Menschen Dollar nachfragen, würden Zinsen —die Amerika ihnen für die Übernahme amerikanischer Schuldtitel zahlt—steigen, besonders, wenn die sich wieder erholende amerikanische Produktionswirtschaft die Nachfrage nach Investitionen würde steigen lassen. Aber es ist keine klare negative Beziehung  zwischen Zinsniveau und Handelsdefizit empirisch nachzuweisen; und langfristig, wie Herr Pettis bemerkt, „neigen Länder mit ausgeglichener Handelsbilanz oder Handels-Überschüssen im Durchschnitt eher dazu, in den Genuss niedriger Zinsen zu gelangen, als Länder mit erheblichen Leistungsbilanz-Defiziten, welche durch langsameres Wachstum und einen höheren Verschuldungsgrad benachteiligt sind.“

Andere machen sich Sorgen darüber, dass höhere Import-Preise, die Inflation anheizen könnten. Doch machen Sie sich doch mal klar, was wir „draufzahlen“, um den Preisanstieg durch künstlich verbilligte Exporte und hohe Handels-Defizite niedrig zu halten: eine geschwächte Fertigungswirtschaft, Lohnstagnation (selbst bei niedriger Inflation), sowie Defizite und Finanzblasen, die beim Kompensieren des unausgewogenen Handels entstehen.

Während ein ausgeglichener Handel zu höheren Preisen führen kann, gibt es keinen Grund, weswegen diese einen anhaltenden Anstieg der Inflationsrate hervorrufen sollten. Wir könnten uns sehr wohl in eine Norm von 2 bis 3 Prozent Inflation einfinden, gegenüber den derzeitigen 1 bis 2 Prozent. Das wäre ein Preis, den es zu zahlen lohnen würde, für einen Zuwachs an Arbeitsplätze—darunter viele höher dotierte—stabilere Wirtschaftserholung und eine wiederbelebte Fertigungswirtschaft. Das Privileg, über die Reserve-Währung der Welt zu verfügen, kann sich Amerika einfach nicht mehr leisten.

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