Sunday, 25 December 2016

Geld, Banken und Gold (2/3) — Der Goldstandard



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Neues Paradigma zur Entwicklung unregulierter Bankgeschäfte auf Basis von Teil-Reserve-Anforderungen (Fractional Reserve Free Banking)

Im Laufe der Zeit bürgerte es sich ein, dass die Menschen ihre Bestände an Gold und Silber als Einlagen bei Sicherheitsspezialisten, namentlich Goldschmieden, hinterlegten. Die Goldschmiede erhoben eine Gebühr für die Verwahrung der Einlagen und stellten ein Dokument—eine so genannte Banknote—aus, welches seinen Inhaber berechtigte, auf dessen Veranlassung hin, eine bestimmte Menge an Gold und Silber unverzüglich einzulösen. Insofern als Goldschmiede im Rufe standen, ehrliche Geschäftsleute zu sein, zirkulierten die Banknoten im Markt als seien sie identisch mit dem Gold oder dem Silber, in die sie jederzeit eingetauscht werden konnten.


Allerdings blieb es den Goldschmieden nicht verborgen, dass für gewöhnlich nicht alle Inhaber dieser Banknoten zugleich erschienen, um ihr Gold oder Silber einzulösen. Vielmehr pflegten sich die hereingenommenen Einlagen an Gold und Silber, für die neu erzeugte Banknoten ausgegeben wurden, in etwa die Waage zu halten mit den wieder ausgehändigten Einlagen, denen die Banknoten, die zur Einlösung vorgelegt wurden, entsprachen. Dieses Gleichgewicht an zu- und abfließenden Einlagen gestattete es den Goldschmieden, eine größere Menge an Banknoten auszugeben als der tatsächlichen bei ihnen eingelagerten Menge an Gold und Silber-Einlagen entsprach. Sie waren also imstande, Banknoten in Mengen zu drucken und auszuleihen, die über den Bestand an Edelmetall-Einlagen hinausgingen, der zu ihrer Deckung vorhanden war, und verzeichneten so zusätzliche Zinseinnahmen aus dem Verleih der nur scheinbar gedeckten Banknoten. Das war die Geburtsstunde der Bankgeschäfte auf Teilreserve-Basis.


Diese Art von Bankgeschäft war in dem Sinne „frei“(daher auch als free banking bezeichnet), als es keinen staatlichen Regelungen unterlag, sieht man von der Durchsetzung vertraglicher Abmachungen ab, die z.T. justiziabel waren. Die Banknoten jeder einzelnen Bank fanden Anerkennung als Zahlungsmittel nur in dem Maße wie die Reputation und Glaubwürdigkeit des betreffenden Instituts als fraglos galt.  Banken stand es frei, jede ihnen genehm erscheinende Menge an Banknoten auszugeben, selbst wenn sie das Maß ihrer Deckung durch Gold- und Silber-Einlagen überschritten. Wenn aber die Nachfrage nach einzulösendem Gold und Silber den auslieferbaren Bestand übertraf, so war dies ausschließlich das Problem der Banken und der Einleger, nicht aber das Problem des Staats und der Steuerzahler.


In den Vereinigten Staaten herrschte zwischen dem ursprünglichen Coinage Act von 1792 bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs ein Regime des free banking. Die Währung war auf folgende Weise durch Gold, Silber und Kupfer definiert:


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Die Bürger sandten die betreffende Menge an Edelmetall an die US Münze, um sie dort gegen Zahlung einer geringfügigen Gebühr zu Münzen prägen zu lassen. Danach wurden die Münzen—und andere Edelmetallbestände—Banken zur Verwahrung überlassen, indes man im Gegenzug Banknoten ausgehändigt bekam. Verschiedene Banken emittierten ihre eigenen Banknoten, die sich auch optisch von denen anderer Banken unterschieden.



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Anstelle von Banknoten akzeptierten Bankkunden mitunter auch Einlagen, die sie dazu berechtigten Schecks auszustellen. Der Unterschied zwischen einem Scheck und einer Banknote besteht darin, dass letztere ein Versprechen darstellt, jedem, der als ihr Inhaber auftritt, auf dessen Aufforderung hin, umgehend Geld zu überlassen. [Mit anderen Worten: eine Banknote stellt ein allgemein gültiges Zahlungsmittel für jeden dar, der gerade im physischen Besitz von ihr ist.] Dagegen ist ein Scheck eine Anweisung an eine Bank, nur einer bestimmten Person, Geld zu überlassen, einerlei ob sie oder eine andere Person gerade im Besitz des Schecks ist. Wenn ich also beispielsweise über ein Einlagenkonto bei der Pittsfield Bank in Massachussets verfüge und jemandem einen Scheck ausstelle, so muss diese Person den Scheck einreichen, wenn er ihr als Zahlungsmittel dienen soll. Der Betreffende kann den Scheck nicht einfach beliebigen anderen Personen überlassen, die ihn dann als Zahlungsmittel nutzen können, denn der Scheck ist von mir speziell an diese eine Person ausgestellt worden.Er muss vielmehr den Scheck bei seiner Bank vorlegen, sagen wir die Windham Bank, um ihn sich auszahlen oder auf einem Konto gutschreiben zu lassen. Erst daraufhin werden Münzen (Gold oder Silber) von Pittsfield nach Windham transferiert. Wenn ich, im Gegensatz dazu, dieser Person eine Banknote der Pittsfield Bank aushändige, kann er diese umgehend im Markt verflüssigen (als Zahlungsmittel einsetzen), vorausgesetzt freilich, dass die Bank über einen entsprechenden Ruf verfügt.


Die Ausgabe von Banknoten und ihre weit verbreitete Akzeptanz als Geld-Ersatz für das Edelmetall, in das sie einlösbar sind, schuf einen Mechanismus, mit dem sich das Geldangebot—das Angebot an gesetzlichen Zahlungsmitteln, die anzunehmen sind zwecks Begleichung von Schulden gegenüber privaten Personen oder öffentlichen Körperschaften—im Einklang mit der Wirtschaftsentwicklung ausweiten konnte. Zwar war es auch vor dem Aufkommen von Bankgeschäften auf Teilreserve-Basis möglich, Schuldtitel anstelle von Gold oder Silber einzusetzen, aber diesen fehlte das Merkmal, auf Aufforderung des Inhabers, unmittelbar einlösbar zu sein. Wer sie als Zahlungsmittel annahm und somit zu ihrem Inhaber würde, musste einen Verlust an Liquidität und an Universalität (der Nutzbarkeit als Zahlungsmittel) hinnehmen. Eine Banknote hingegen ist unmittelbar einlösbar, und zwar durch jede beliebige Person, in deren physischem Besitz sie sich befindet, weswegen sie technisch gleichzusetzen ist mit dem rechtlich verbrieften Geld, dem Edelmetall-Geld, von dem sie gedeckt wird.


Ein wahrhafter Goldstandard ist einer, der auf free banking mit Geldschöpfung durch Teilreserve beruht. Der Staat legt den Wert der Währung relativ zum Gold fest, und gestattet es privaten Banken ansonsten zu handeln wie es ihnen beliebt—so auch Banknoten in den von ihnen als angemessen angesehenen Mengen zu emittieren und den Preis des Bankrottes zu zahlen, falls sie durch eigenes Verschulden einen Einlösungsdruck auslösen, der die Menge an Edelmetall übersteigt, die sie auszuliefern imstande sind. Es finden keine Eingriffe seitens des Staats statt, es gibt keine aufsichtsrechtlichen Auflagen, keine Mindestreserven, keine Kapitalquote (Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme oder ähnliche Kennzahlen), nur die Überwachung durch die Marktteilnehmer selbst, von denen man hofft, dass sie wachsam sind und gewissermaßen ihre Hausaufgaben aus freien Stücken erledigen.


Die Labile Mechanik unregulierter Bankgeschäfte auf Teil-Reserve-Basis (Fractional Reserve Free Banking)


Die unten stehenden Schaubilder verdeutlichen wie das auf Gold fußende, mit Teilreserven operierende unregulierte Bankwesen funktioniert.


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Wir beginnen bei unserer Betrachtung in einem Stadium, das noch keine Leihgeschäfte vorsieht.  Bank #1 und Bank #2 haben jeweils $100 in Gold erhalten und geben im Gegenzug Banknoten im Wert von jeweils $100 an ihre Kunden aus. Bank #3 hat $100 in Gold erhalten und richtet für ihre Kunden scheckfähige Sparkonten mit einem Guthaben in Höhe von $100 ein. Die in der Kategorie M2 erfasste Geldmenge lässt sich definieren als die Summe von Banknoten, Girokonten, sowie Gold und Silber, das in privatem Bestand ist, also nicht bei Banken verwahrt wird. Im System insgesamt beläuft sich die M2 Geldmenge somit auf $300. Wir können die Geldbasis als das Gesamtangebot an Gold definieren.  Demnach umfasst die Geldbasis $300. Die Geldbasis ist gleich der M2 Geldmenge, weil noch keine Leihgeschäfte vorgesehen sind. Erst das Verleihen von Geld sorgt dafür, dass die M2 Geldmenge die Geldbasis übersteigt.


Nehmen wir an, dass ein Kunde der Bank #3 einen Scheck in Höhe von $50 zugunsten einer Person ausstellt, die den Scheck bei Bank #1 einlöst. Zum Geschäftsschluss, wenn die Banken ihre Zahlungen untereinander saldieren, transferiert Bank #3 Gold im Wert von $50 zu Bank #1, womit sie den Saldo des Sparkontos ihres Kunden um $50 mindert.


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Hier haben wir das Banksystem nach Aktiva und Passiva aufgegliedert. Die Aktiva des Banksystems betragen $300, die sich ausnahmslos aus Gold zusammensetzen. Die Passiva betragen ebenfalls $300 und setzen sich aus Banknoten und Sparkonten zusammen, deren Guthaben sich auf Anfrage umgehend in Gold einlösen lassen. Aktiva und Passive sind betragsgleich, weil die Banken über kein Eigenkapital verfügen —was in Ordnung geht, denn das müssen sie nicht, fehlt doch in einem unregulierten Banksystem die Aufsichtsbehörde, welche den Banken derartige Kapitalanforderungen auferlegen könnte.


Nehmen wir nun an, dass Bank #3 neue Kredite im Wert von $18.000 an seine Kunden ausreicht.


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Weiter nehmen wir an, dass die Hälfte der Kredite in Form von Banknoten ausgezahlt wird, während die andere Hälfte auf Sparkonten bei Bank #3 gehalten wird.  Besonders zu beachten ist, dass Bank #3 dieses Geld aus dem Nichts erzeugt hat. Denn das ist genau, was Banken tun, wenn sie Geld an den nicht-Finanz-Sektor verleihen oder von diesem Vermögenswerte erwerben—sie drucken zu diesem Zweck neues Geld. Das tun alle Banken, nicht nur Zentralbanken. Dieses Geld kann wie andere Geldformen des Systems verwendet werden, vorausgesetzt, dass die Menschen den Banken ausreichendes Vertrauen entgegenbringen.


Beim genaueren Hinsehen erkennen wir, dass Bank #3 nun Aktiva in Höhe von $18.050 und Passiva in Höhe von ebenfalls $18.050 hat. Die Aktiven setzen sich aus $50 Basisgeld (Gold) und Krediten im Werte von $18.050 zusammen, welche bekanntlich Verbindlichkeiten für die Kunden darstellen, welche an die Bank einschließlich Zinsen zurückzuzahlen sind. Die Passiva der Bank bestehen aus $9.000 Banknoten und Sparguthaben ihrer Kunden in Höhe von $9.050.


Nun sind wir in der Lage den Begriff der „Reserve“ zu definieren, nämlich als jede Form von Geld—im vorliegend Fall Gold, denn wir befinden uns in einem Goldstandard-Regime—, das von den Banken dazu verwendet werden kann, den Einlösungswunsch von Kunden zu erfüllen.  Bislang ist es in dem von uns skizzierten Szenario so, dass die Gesamtmenge der Reserven im System gleich ist der Gesamtmenge der Geldbasis, denn letztere—das gesamte Gold—wird von den Banken gehalten. Das gesamte Gold liegt bei den Banken und kann dazu verwendet werden, dem Wunsch nach Einlösung der Banknoten oder der Sparguthaben zu entsprechen. Niemand hat Gold aus dem Banksystem genommen; es gibt keine private Goldhortung.


Wenn ein Kunde von Bank #3 einen Scheck ausstellt zwecks Einlage bei Bank #1, transferiert Bank #3 Reserven—in diesem Fall eben Gold—an Bank #1. Ähnliches spielt sich ab, wenn ein Kunde eine Banknote von Bank #3 einlöst; nun werden Reserven—wieder Gold—von Bank #3 an den Kunden übertragen.


Nehmen wir an, ein Kunde der Bank #3 stellt einen Scheck in Höhe von $75 aus, der dann bei Bank #1 eingelöst wird. Alternativ, nehmen wir an, dass ein Kunde sich anschickt, Banknoten der Bank #3 im Wert von $75 bei ebendieser Bank einzulösen. Was geschieht? Es zeigt sich, dass Bank #3 nicht über Reserven—physisch verfügbares Gold— in Höhe von $75 verfügt und somit nicht in der Lage ist, es entweder an Bank #1 zu transferieren oder an einen Kunden auszuhändigen, der sein Gold abheben möchte. Die Bank kann ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen. Sie hatte das Versprechen abgegeben, die Banknoten auf Anfrage umgehend in Gold einzulösen, und ist nun dazu nicht in der Lage.


Wir sind an dem Punkt angelangt, wo das Kernproblem des free banking unter einem Goldstandard-Regime offenkundig wird. Es gibt keine Mindestreserveanforderung, keine Anforderung, eine Kapitaldecke nachzuweisen und es fehlt ein Kreditgeber letzter Instanz. Aus diesem Grund ist das System hochgradig labil. Es wird desto labiler, je mehr sich das Kreditvolumen (was von der Investitionsbereitschaft der Kreditnehmer und der Risikobereitschaft der Kreditgeber bestimmt wird) im Vergleich zur Goldmenge ausweitet, wobei die Goldmenge, abhängt von der Geschäftsaktivität der goldfördernden Industrie, deren Ausbringung wiederum meist unabhängig ist von der Gesamtwirtschaftslage.


Selbst ein leichter Verdacht, dass eine Bank illiquide oder insolvent werden könnte, kann sich sehr schnell zu einem Ansturm auf die Bank ausweiten, von welchen es schlechterdings zu viele in der Ära des free banking gab. Es ist zwar richtig, dass sich die Banken untereinander helfen können, Einlösungsanfragen zu bewältigen, indem sie kurzfristige Übernacht-Goldleihen durchführen. Aber das reicht nicht aus, um Stabilität in krisenhaften Zeiten zu gewährleisten; also gerade dann, wenn derartige Leihen am meisten benötigt werden, sind sie nicht zu haben.


Neben dem Nachteil der Instabilität, zeichnet sich das System des free banking zudem durch Prozyklikalität aus. Um diese prozyklische Tendenz zu verstehen, ist es sinnvoll einen Schritt zurückzutreten, um genau hinzuschauen, wie Zinsen sich in einem free banking System verhalten.


Zinsen in einem unregulierten Banksystem


In einem modernen Banksystem kontrolliert die Zentralbank unmittelbar und vor allem zunächst die kurzfristigen Zinsen von Papieren mit niedrigen Risikoniveau [wie sie besonders Staatspapiere verkörpern]—es sind dies die Zinssätze, an denen sich die Banken orientieren, wenn sie Geld von einander borgen oder Geld leihen von Kunden(, die Einlagen bei ihnen unterhalten). Der von der Zentralbank festgelegte Leitzins [an den sich andere Zinssätze z.B. für öffentliche Körperschaften oder Unternehmen per Auf- oder Abschlag, je nach Risiko, etc anhängen] bestimmt die Finanzierungskosten im Banksystem. Die erwartete Entwicklung des Leitzins spielt somit eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung des Zinsniveaus aller anderen Bestandteile der Zinstrukturkurve.


Doch noch haben wir die Zentralbank nicht in unser Szenario aufgenommen.  Wir haben lediglich Gold und den Markt. Wir wird nun das System [Banken und Wirtschaft] auf Zinsänderungen unter einem Goldstandard-Regime reagieren? Der Gleichgewichtswert von Zinssätzen, die am Markt ermittelt werden, ist eine Funktion von (1) dem Angebot an Mitteln, die Kreditgeber zu verleihen wünschen und (2) der Nachfrage nach diesen Mitteln seitens der Kreditnehmer. Wenn eine starke Nachfrage nach Kreditmitteln besteht und gleichzeitig das Angebot solcher Mittel seitens der Kreditgeber knapp ist, wird der Markt einen hohen Gleichgewichtszins ermitteln. Wenn die Nachfrage nach Kreditmitteln gering ist und ein großes Angebot an Kreditmitteln von den Banken bereitgehalten wird, wird der Markt einen niedrigen Gleichgewichtszins ermitteln.


In Phasen wirtschaftlicher Blüte, sind die Banken entsprechend zuversichtlich und stehen so gut dar, dass sie willens sind, überschüssige Mittel untereinander auszuleihen. Ihren Kunden ergeht es ähnlich und sie sind deshalb geneigt, darauf zu vertrauen, dass das Gold, das die Deckung ihrer Sparkonten und Banknoten gewährleistet, sicher verwahrt in den Tresoren der Banken liegt. Sie werden keine hohen Zinsen verlangen für die Überlassung des Goldes, solange sichergestellt ist, dass sie jederzeit darauf zugreifen können—und das ist auch der Fall, da sie keine Liquiditätseinbuße erleiden, wenn das Gold durch ein Guthaben auf einem Girokonto repräsentiert wird oder in Form von Banknoten in ihren Taschen steckt—sie sind jederzeit in der Lage, die Kaufkraft ihres Goldes zu realisieren. Der Zinssatz, zu dem Banken von ihren Kunden oder untereinander Geld borgen wird sich daher auf einem niedrigen Niveau bewegen. Aber das wollen wir in dieser Wirtschaftslage doch gar nicht. Wir wünschen uns vielmehr einen hohen Zinssatz, denn es ist doch gerade eine Atmosphäre des Optimismus und der Zufriedenheit, die zu übermäßigem, unklugen und unproduktivem Ausleihen von Geld verleitet, um schließlich zu Inflation zu führen.


Der einzige Grund, weswegen Banken bereit wären, hohe Zinsen für geborgtes Geld an ihre Kunden oder andere Banken zu zahlen besteht dann, wenn sie mit einer bedrohlichen Anzahl von Einlösungsaufforderungen konfrontiert sind oder wenn ihnen der Umfang ihres Goldbestands aus anderen Gründen unzureichend erscheint. Erinnern wir uns nochmal daran, dass Banken keine Reserven ausleihen—die Geldbasis, das Gold. Derartige Reserven dienen einfach nur dazu, den Einlösungswunsch von Kunden zu erfüllen, wenn diese ihre aus dem Nichts von den Banken geschaffenen Banknoten oder ihre Spareinlagen in Gold umtauschen wollen.


In guten Zeiten jedoch haben die Banken keine bedrohlichen Einlösungswellen zu befürchten. Ihre Furchtlosigkeit erscheint gerechtfertigt, da sie es in solchen Phasen kaum mit panisch gewordenen Kunden zu tun bekommen.  Und so ist es für sie nur desto verlockender, noch mehr Geld zu verleihen.  Theoretisch ist es ihnen möglich, wenn niemand Konversion anstrebt, eine unbegrenzte Menge an Krediten anzubieten, wobei jeder zusätzliche Kredit den Gewinn der Banken erhöht. Das ist aber genau nicht das, was wir anstreben. Wenn die Wirtschaft boomt wünschen wir uns doch eher restriktive monetäre Rahmenbedingungen, ein angemessen verknapptes Kreditangebot, um jene zu entmutigen, die zur Bereitstellung übermäßiger, unkluger und unproduktiver Kredite neigen, so dass die Gefahr einer inflationären Entwicklung gebannt werden kann.


In schlechten Zeiten gilt das Gegenteil. Die Banken sind nicht mehr bereit, einander Geld zu leihen, selbst wenn solide Sicherheiten eingebracht werden können, und die Kunden machen sich Sorgen um die Ersparnisse, die sie den Banken anvertraut haben. Sie neigen nun in stärkerem Maße dazu, ihre Ersparnisse wieder an sich zu nehmen, was bedeutet, dass sie Gold abrufen und damit das System an den Rand der Insolvenz drängen können. Ohne einen Kreditgeber der letzten Instanz sieht sich das System einem erheblichen Risiko zu kollabieren ausgesetzt, besonders wenn Gerüchte über zurückgewiesene Einlösungen die Runde machen. Man täusche sich nicht, genau solche Zusammenbrüche haben während des 19. Jahrhunderts vielfach stattgefunden. In Phasen der wirtschaftlichen Schrumpfung erwies sich das System als ein wahrhaftes Desaster, aus welchem Grunde das Land sich dann auch vom free banking wegbewegte hin zu einer um eine Zentralbank herum gestalteten Ordnung.


Es muss zugegeben werden, dass das free banking ein natürliches Gegengift gegen Inflation in sich trug. Wenn infolge eines übermäßigen Kreditangebots Inflation entsteht, heben die Menschen ihr Gold ab, um es im Ausland zu investieren oder auszugeben (Erwerb billiger Importe), eben so wie wir es vom oben geschilderten Goldautomatismus kennen. Auf diese Weise verschwindet Gold aus dem Banksystem und die Finanzierungskosten der Banken steigen, zumindest unter der Annahme, dass die Banken sich genötigt sehen, eine gesunde Goldreserve vorzuhalten. Doch nochmal, in guten Zeiten haben die Banken wenig Anlass, auf eine solche Reserve sonderlich zu achten. Weder Inflation noch die dadurch ausgelöste Abwanderung von Gold aus dem System erweisen sich als zureichend, um übertriebenen Kreditausreichungen und den damit entstehenden Probleme für die Wirtschaft rechtzeitig Einhalt zu gebieten. Im Gegenteil, die Abwanderung von Gold aus dem System gestaltet sich eher zu einem Faktor, der die erforderliche Reaktion erst dann auslöst, wenn es schon zu spät ist und die Wirtschaft bereits in die Rezession abgeglitten ist, also just dann, wenn ein Anstieg der Risiko-Aversion und monetäre Verknappung seitens der Banken kontraproduktiv sind.


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