Friday, 23 December 2016

Geld, Banken und Gold (1/3) — Zur Vorgschichte des Goldstandards

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Ich bin weiterhin damit beschäftigt, eine neue Übersetzungssoftware zu erproben. Bei dieser Gelegenheit habe ich die nachfolgende Übersetzung eines Artikels — How Money and Banking Work on a Goldstandard — angefertigt, der mir sehr gut gefallen hat als Synopsis der Rolle von Gold als Geld und der Funktionsweise und Grenzen des Goldstandards (zu Letzterem siehe die späteren Folgen dieser Artikel-Serie). 

Außerdem ist die darin gewählte Behandlung der monetären Aspekte von Gold ein nützliches Prolegomenon für die weitere Erörterung von Geld in einer modernen Wirtschaft, ein Thema, dem ich mich in nächster Zeit umfangreicher und regelmäßiger widmen möchte.

Meine Übersetzung ist mitunter recht frei.



Naturaltausch, Edelmetalle und Münzprägung

Wir beginnen bei unser Betrachtung über Gold, Geld und Bankwesen mit einer einfachen Naturaltausch-Gesellschaft, in der die Menschen Waren und Dienstleistungen untereinander direkt tauschen, also ohne dass Geld im Spiel ist. In einer solchen Naturaltausch-Gesellschaft ergibt es sich über kurz oder lang, dass bestimmte Waren nicht nur deshalb nachgefragt werden, weil sie die Bedürfnisse ihrer Besitzer befriedigen, sondern auch weil sie sich zugleich als dauerhafte Tauschmittel anbieten. Derartige Waren ermöglichen es ihren Besitzern, Wohlstand durch Handel, d.h. durch Eintauschen in ein geeignetes Medium bis zum späteren Zeitpunkt ihres Verbrauchs sicher zu speichern. In dieser Hinsicht zeichnen sich ganz besonders Metalle, vor allem Edelmetalle, aus, die deswegen zusätzlich einen Handelswert erhalten, der ihren Wert als unmittelbare Nutzgegenstände in nennenswertem Maße übersteigt. Der Vater der modernen Ökonomie erklärt es so:
„Am Ende haben aber dann die Menschen in allen Ländern aus vernünftigen Gründen Metalle als Tauschmittel allen anderen Waren vorgezogen. Metall lässt sich, da es haltbarer als jede andere Ware ist, nicht nur ohne nennenswerten Verlust aufbewahren, es kann auch ohne Schaden beliebig geteilt werden und leicht wieder eingeschmolzen werden, eine Eigenschaft, die kein gleich dauerhafter Stoff besitzt und die es vor allen anderen auszeichnet, als Zahlungs- und Umlaufmittel zu dienen. [...] Die einzelnen Völker haben verschiedene Metalle zu diesem Zwecke benutzt. Die Spartaner verwendeten Eisen als übliches Tauschmittel, die Römer Kupfer und alle wohlhabenden Handelsvölker Gold und Silber. (Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1776 Buch I, Kapitel IV, Abschnitte 4–5)

Wichtig ist auch, dass der Handelswert von Edelmetallen in einem sich selbst erfüllenden Glauben an diesen Wert begründet ist, wobei dieses Vertrauen kulturell vermittelt und durch Normen und Gepflogenheiten des zwischenmenschlichen Verhaltens zementiert wird. Durch wiederholte Beobachtung finden die Menschen die Erwartung bestätigt, dass ihre Zeitgenossen, Edelmetalle annehmen im Tausch gegen später gelieferte reale Waren und Dienstleistungen, weswegen sie ihrerseits über kurz oder lang Edelmetalle heute annehmen im Vertrauen darauf, dass sie diese später gegen reale Waren und Dienstleistungen einlösen können. Jede Art von Geld gewinnt die ihm eigentümliche Macht auf diese Weise—d.h. durch den sich in der Gesellschaft verbreitenden, sich selbst erfüllenden Glauben, dass es als wertbewahrendes Tauschmittel Anerkennung findet.

Freilich ist es so, dass in Wirtschaftssystemen, in denen Edelmetalle die vorherrschende Form des Geldes darstellen, zwei praktische Schwierigkeiten auftreten: Probleme der Wertfeststellung und Betrug. Es ist umständlich bei jeder Handelsaktion den genauen Wert eines Edelmetalls festzustellen. Zudem mag, was als Edelmetall ausgegeben wird, nicht in vollem Umfang das Versprechen bewahrheiten—Unreinheiten mögen hinzugefügt worden sein, um die Illusion zu nähren, das eine größere Menge der erwarteten kostbaren Substanz in ihm enthalten sei als das wirklich der Fall ist.

Die Lösung dieser Schwierigkeiten ist die „Münze“, sprich das Münzamt. Münzprägeanstalten sind Einrichtungen von besonderer Glaubwürdigkeit, die durch Prägung und Gravur für das Gewicht und die Reinheit von Edelmetallen bürgen. Dazu wieder der Vater der modernen Ökonomie:
„[E]he es gemünztes Geld gab, [mussten die Leute] jederzeit auf die übelsten Betrügereien und Täuschungen gefaßt sein. So konnten sie statt eines Pfundes Feinsilber oder reinen Kupfers eine gefälschte Legierung aus gröbsten und minderwertigsten Metallen für ihre Waren bekommen, die nur äußerlich Silber oder Kupfer glich. Um solchem Mißbrauch vorzubeugen, den Zahlungsverkehr zu erleichtern und so Gewerbe und Handel anzuregen, hat man es in allen fortschrittlichen Ländern für unbedingt notwendig erachtet, die im Handel üblichen Metalle nach bestimmten Mengen mit einem amtlichen Stempel zu versehen. Das war der Anfang des geprägten Geldes und der staatlichen Prägeanstalten, Münzen genannt.“ (Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1776 Buch I, Kapitel IV, Abschnitt 7)

Bergbau und das Wachstum der Geldmenge

In einer Wirtschaft, die von gesundem Wachstum geprägt ist und wo Erkenntnisfortschritt, technologische Neuerungen und Bevölkerungswachstum den Anstieg der Produktionskapazitäten für nützliche und begehrte Güter vorantreiben, ist es gleichermaßen notwendig, dass auch die Geldmenge zunimmt. Bleibt ein derartiger Anstieg aus, so resultieren Deflation oder wirtschaftliche Stagnation (für eine klare Darlegung des Warum siehe hier). Beide dieser Ergebnisse sind natürlich unerwünscht.

Allerdings gibt es in einer auf Edelmetalle gestützten Geldordnung einen Faktor, der dafür sorgen kann, dass die Geldmenge zunimmt: der Bergbau. Dieser bringt Edelmetalle zu Tage, Das Metall wird zu den Münzanstalten verbracht, wo es zu Münzen geprägt wird. Daraufhin werden die Münzen in den Wirtschaftskreislauf eingespeist, wo sie die Geldmenge erhöhen.

Es kann jedoch keine Gewissheit darüber geben kann, ob die Ausbringung des Bergbaus, welche das Wachstum der Geldmenge bestimmt, sich in einem angemessenen Verhältnis zum Wachstum der Produktionskapazität in der Wirtschaft entwickelt. Fördert der Bergbau eine Menge an neuem Geld, die zu groß ist, um durch den Produktionszuwachs absorbiert zu werden, ist das Ergebnis Inflation, ein Anstieg aller Preise relativ zum verfügbaren Geld. Dies ist genau, was in Europa zu beobachten war, nachdem Spanier und Portugiesen die Neue Welt entdeckt hatten, wo sie große Mengen an Gold und Silber förderten. Sie brachten enorme Mengen an Edelmetallen in die Heimat zurück, wo sie gemünzt und in der Wirtschaft ausgegeben wurden; doch die Produktionskapazität der Wirtschaft war unterdessen gleich geblieben und war deshalb nicht imstande, mit den erhöhten Ausgaben Schritt zu halten. Umgekehrt, wenn der Bergbau nicht in der Lage ist, neues Geld in einem Ausmaß bereitzustellen, das mit dem Wachstum der wirtschaftlichen Produktionskapazität mithalten kann, so ist das Ergebnis Deflation—ein Missstand, den man vor der Entdeckung der Neuen Welt in Europa häufig beobachten konnte.

In einer auf Edelmetall fußenden Geldordnung gibt es allerdings einen natürlichen Mechanismus, der dabei hilft, den Bergbau davon abzuhalten, zu viel oder zu wenig neues Geld zu fördern. Produziert der Bergbau zu viel neues Geld, dann sorgt die dadurch entstehende Inflation dafür, dass Preise und Löhne die Förderung weniger profitabel machen (in Realgrößen), so dass der Anreiz zu weiteren Investitionen in die Metallförderung schwindet. Fördert der Bergbau unzureichende Mengen an neuem Geld, so führt die Deflation von Preisen und Löhnen dazu, dass die Förderung profitabler wird (in Realgrößen), so dass ein Anreiz besteht, stärker in den Abbau zu investieren. Insofern als ein auf Metallen basierendes Geldsystem keine Abflüsse der Geldmenge zulässt, ist dies der einzige Rückkopplungsmechanismus, mit dem sich Konjunkturzyklen glätten lassen. Offenkundig kann dieser Mechanismus nicht mit ausreichender Geschwindigkeit und Intensität greifen, um Preisstabilität zu gewährleisten, weswegen ausgeprägte Schwankungen zwischen Inflation und Deflation sehr häufig vor der Entstehung und Ausreifung des modernen Zentralbankwesens anzutreffen waren.

Es erscheint erstaunlich, dass die Menschheit überleben konnte unter einer derart primitiven und einschränkenden Geldordnung, in der ein begrenztes, unkontrollierbares Angebot an physischen Objekten die Grundlage der wichtigsten wirtschaftlichen Aktivitäten bildet. Doch man darf nicht vergessen, dass das Wirtschaftsleben der Vergangenheit bei weitem nicht in dem Maße spezialisiert und abhängig von Geld und Handel war wie das heute der Fall ist. Geldgeschäfte waren zwar die unentwegte Sorge der Reichen und der höchsten Schichten. Der Rest jedoch war damit beschäftigt, für das Lebensnotwendige—Nahrung, Wasser, Unterkunft—zu sorgen, und zwar indem sie diese Dinge selbst produzierten oder indem sie für die Wohlhabenden arbeiteten, um von diesen das Lebensnotwendige direkt als Entlohnung entgegenzunehmen, wie ein Leibeigener das tut.

Der Goldmengen-Preisniveau-Mechanismus (Goldautomatismus)

Ein einzigartiges Merkmal des auf Edelmetall gestützten Geldsystems besteht darin, dass Geld aus jedem Land in jedem anderen Land oder jeder anderen geografischen Region benutzt werden kann, ohne dass ein Umtausch erfolgen müsste. Die einzige Anforderung ist, dass die Menschen darauf vertrauen, dass das Geld aus den versprochenen Materialien besteht, wie sie durch Prägung und Gravur beglaubigt sind. Wenn das gegeben ist, kann Edelmetall-Geld zirkulieren als würden die zugrunde liegenden Materialien selbst gehandelt. Schließlich sind Letztere ja der Grund dafür, dass diese Gelder einen Wert besitzen.

In der Frühgeschichte des britisch besiedelten Amerikas waren spanische Silber-Dollars, die im Handel mit den Karibischen Inseln erworben wurden, eine beliebte Form von Geld, wegen des knappen Angebots britischen Geldes in den Kolonien. Um spanische Dollars für Geschäftszwecke zu verwenden, war der Umtausch in eine andere Währung nicht erforderlich, da sie 387 Grain puren Silbers verkörperten, wobei ihr Gehalt durch die Prägung des spanischen Reichs verbürgt war.

Die Möglichkeit eines einfach zu vollziehenden, ungestörten, grenzüberschreitenden Transfers, die ein Edelmetall gestütztes Geldsystem eröffnete, begünstigte einen Rückkoppelungsmechanismus, der für das Gleichgewicht der internationalen Zahlungsströme zwischen verschiedenen Regionen und Ländern sorgte und auch geeignet war, Konjunkturschwankungen zu stabilisieren. Dieser Rückkoppelungsablauf wird als Goldmengen-Preisniveau-Mechanismus oder auch als Goldautomatismus bezeichnet und wurde uns vom Philosophen David Hume bewusst gemacht, der den Vorgang im folgenden Passus erläutert:
„Gesetzt den Fall, dass über Nacht vier Fünftel des gesamten Geldes in Großbritannien vernichtet würden, was bedeutet, dass die Nation in Hinsicht auf Hartgeld in den gleichen Zustand versetzt wäre wie zu der Zeit der Regierung der Heinrichs und Eduards. Was könnten die Auswirkungen sein? Der Preis aller Arbeit und Waren müsste entsprechend sinken und so preisgünstig wie zu damaligen Zeiten verkauft werden. Es stellt sich die Frage, ob dann eine Nation mit uns auf ausländischen Märkten in Konkurrenz treten oder zu vergleichbaren Preisen Schifffahrt betreiben oder Waren verkaufen könnte, so dass dies uns ausreichend vorteilhaft erschiene. In wie kurzer Zeit doch könnte dann das Geld, welches verloren gegangen war, wieder zurückgebracht werden, um uns auf die Stufe aller benachbarten Nationen zu heben? Wenn wir diese aber erreicht hätten, würde aller Vorteil durch billige Arbeit und Waren verloren gehen und der weitere Geldfluss durch Fülle und Sättigung gebremst.“ (David Hume, Politische und ökonomische Essays, Übersetzung von Susanne Fischer, S. 234)

„Würde man weiterhin vermuten, dass sich das gesamte Geld Großbritanniens über Nacht um das Fünffache vermehren würde, könnte dann der entgegengesetzte Effekt eintreten? Alle Arbeit und Waren würden in unendliche Höhen steigen und keine benachbarte Region wäre im Stande, unsere Waren zu kaufen. Wiederum würden ihre Waren so billig, das sie uns damit überschwemmen und unser Geld entziehen würden. Die Folge wäre, dass wir auf eine Stufe mit den Ausländern sinken würden und die große Überlegenheit im Reichtum verlieren würden, welche uns solche Nachteile eingehandelt hätte?“ (David Hume, Politische und ökonomische Essays, Übersetzung von Susanne Fischer, S. 235)

Machen wir uns doch folgendes Beispiel des Goldautomatismus klar: nehmen wir an, das in Europa eine einfache Version des Goldstandards herrscht und dass die Deutschen viele Dinge herstellen, welche die Griechen kaufen, wohingegen die Griechen nichts produzieren, was die Deutschen kaufen. Geld, in diesem Fall Gold, wird von Griechenland nach Deutschland fließen. Die Griechen geben buchstäblich ihre Geldmenge aus, wodurch sie Liquidität und Kaufkraft aus ihrer Wirtschaft vertreiben. Liquidität und Kaufkraft wandern nach Deutschland ab, wo es als Einkommen zirkuliert, das einen deutschen Wirtschafts-Boom anheizt. Die daraufhin einsetzende Deflation von Preisen und Löhnen in Griechenland und die korrespondiere Inflation in Deutschland hindern die Griechen daran, Waren und Dienstleistungen aus Deutschland zu beziehen, während es umgekehrt für die Deutschen reizvoll wird, griechische Güter und Dienstleistungen zu erwerben (oder in Griechenland zu investieren). So kommt es dazu, dass Geld—hier wieder Gold—in die entgegengesetzte Richtung umgeleitet wird, von Deutschland zurück nach Griechenland, wodurch das System sich erneut einer Gleichgewichtslage nähert.

Nur mit Fiat-Geld—Geld, das durch Beschluss des Staats erzeugt wird—kann dieser Mechanismus umgangen werden. Die chinesische Zentralbank zum Beispiel kann neue Renminbi ins Leben rufen und sie zum Erwerb von US-Dollars verwenden, wodurch sie künstlichen Abwertungsdruck auf den Renminbi gegenüber dem Dollar ausübt und das sehr hohe Handelsungleichgewicht, das zwischen beiden Ländern besteht, aufrechterhält. Edelmetall dagegen kann nicht nach Belieben erzeugt werden, weswegen es unmöglich ist, den Goldautomatismus einer strikt auf Edelmetall beruhenden Geldordnung zu umgehen. 

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