Ich habe in diesem Beitrag, Economics
and Freedom (6) — "Moral Perfection" versus Conjectures and
Refutations as Drivers of the Economy — darauf aufmerksam gemacht,
dass es keine algorithmischen Automaten — etwa in Gestalt des freien Markts oder der Diktatur des Proletariats — gibt, die für uns die stets offene Frage klären
könnten, wie akzeptable Verhältnisse unter den Menschen aussehen.
Wir müssen uns die Antworten selbst erarbeiten und dabei so gut es geht
zusammenarbeiten. Das heißt wir sollten alle an der Diskussion beteiligen, die
an ihr teilnehmen wollen, uns die Chance geben, von anderen Standpunkten zu
lernen, und Anreize schaffen, die Diskussion rege, offen und gewaltfrei zu
gestalten.
Der Punkt ist eben, dass es keine
absoluten und allgemein gültigen Antworten gibt auf unsere Frage, wie akzeptable
Verhältnisse unter den Menschen aussehen, sondern bestenfalls Annäherungen an
Kompromisse, mit denen alle leben können. Die Lösung liegt nicht in einer
"einzig möglichen" Antwort oder in "dem optimalen
Resultat", sondern in der Gewährleistung eines modus vivendi, innerhalb
dessen wir immer wieder bereit sind, in einen friedlichen Wettbewerb der
Auffassungen einzutreten, der zu Kompromissen führt, die von allen getragen
werden.
Die Vorstellung von Realität, die wir mit
"der guten Gesellschaft" verbinden, ist immer verankert in
persönlichen Standpunkten, und von denen gibt es viele verschiedene, so dass es
zwecklos ist, nach "der" Realität in dieser wichtigen Frage zu
suchen. Die Aufgabe verschiebt sich weg von einer "Quizfrage" mit
eindeutiger Antwort, hin zu einem Verfahren, mit dem wir die wichtigsten
Botschaften, Interessen und Ziele aller zum Ausgleich bringen.
Was Ideologie (als einer unwahrhaftigen
Darstellungsweise) auszeichnet, ist der Eifer, uns davon zu überzeugen, dass es
nur eine, die beste und optimale Lösung gibt, dass diese das Recht auf Vorrang
gegenüber allen anderen besitzt und sie es daher auch verdient, mit
Zwangsmitteln durchgesetzt zu werden.
II.
So wie Ökonomie als Ideologie uns
zur Annahme eines absoluten Standpunkts zu überreden sucht, etwa in Gestalt der
Verheißung einer Gleichgewichtswirtschaft, die angeblich ein soziales Optimum
verkörpert, so wird auch der Begriff der Natur gerne für ideologische Zwecke
missbraucht. Auch hier ist des Pudels Kern das Fingieren einer absoluten
Realität, die außer und über uns als unumstößlicher Referenzrahmen angeblich
bestehen soll.
Auch hier
spielen Vorstellungen
von einem absoluten Gleichgewicht eine tragende Rolle — einem
Gleichgewicht, das auch insofern absolut sei, als es unbezweifelbare und
eindeutige moralische und politische Forderungen beglaubige.
Tatsächlich aber hat die Natur kein
Bewusstsein ihrer selbst, sie kann keinen eigenen Standpunkt vertreten, sie ist
meinungsindifferent; über sie nachdenken, sich eine Meinung zu Themen über die
Natur bilden, bedeutet immer von einem menschlichen Standpunkt aus wahrnehmen,
schlussfolgern und argumentieren. Anders gesagt: Die einzig mögliche Form der
Reflexion über die Natur vollzieht sich durch menschliches, standpunktgebundenes
Denken, in welchem Vorstellungen von der Natur verknüpft sind mit menschlichen
Interessen, Vorlieben, Dispositionen.
Das heißt, wenn wir etwas über die Natur
erfahren möchten, müssen wir in einen fehlbaren, menschlichen Diskurs
eintreten, in dem die unterschiedlichsten Perspektiven und Ansprüche um Geltung
wetteifern.
Es gibt die absolute Sicht auf die Natur
nicht.
Natur ist, was der Mensch dafür hält —
weswegen unsere Vorstellungen von ihr von den Institutionen beeinflusst werden,
mit denen der Mensch regelt, welche Meinungen zulässig sind und welche sogar
Vorrang genießen dürfen.
Nun hat der Mensch seine Fehlbarkeit zu
einer einzigartigen Kunst entwickelt, die wir auch als die wissenschaftliche
Methode bezeichnen—eben eine jener Institutionen, mit denen der Mensch
versucht, sozial gültige Bedeutungen zu organisieren.
Es ist wichtig, sich dies bewusst zu
machen: die beste Methode, auf die der Mensch zurückgreifen kann, um seinen
Wissensstand zu verbessern, ist die systematische Nutzung seiner Fehlbarkeit.
Wir erweitern unser Wissen nicht, indem wir unser Talent anzapfen,
unumstößliches Wissen zu gewinnen — eine solche Fähigkeit steht dem Menschen
nicht zu Gebote — sondern indem wir ständig nach den Fehlern in unseren Denken
suchen, um sie mit weniger fehlerhaften Denkansätzen zu ersetzen.
Jegliches Denken über die Natur ist
menschliches Denken und damit fehlbares Denken, das ständiger Überprüfung
bedarf.
"Natur" ist immer ein wandelbares
Erzeugnis des menschlichen Geistes — wandelbar wegen der
Vorläufigkeit, mit der wir uns durch wissenschaftliche Erkenntnisversuche der
Natur nähern, und wegen der Vielheit der außerhalb der Wissenschaft liegenden,
menschlichen Standpunkte (kulturelle Präferenzen, politische Ziele,
wirtschaftliche Interessen), die ebenfalls unser Denken über die Natur
bestimmen.
So gibt es streng genommen keine
natürlichen Ressourcen, sondern nur menschliches Ingenium, das Bestandteile der
Umwelt erst zu Ressourcen macht, indem sie in einen nützlichen Zusammenhang mit
menschlichen Bedürfnissen bringt. Diese nützliche Verbindung, die eine
Ressource überhaupt zu einer Ressource werden lässt, ist einzig und allein
menschlichem Streben, menschlicher Imagination und Intelligenz, menschlichem
Wissen und Geschick zu verdanken — womit der Prozess der Ressourcenschöpfung
immer den Divergenzen und Rivalitäten zwischen den Menschen ebenso unterworfen
ist wie den befriedenden und Einigkeit stiftenden Kräften, die zwischen ihnen
wirken. Also auch natürliche Ressourcen haben nichts naturwüchsiges; sie sind
soziale Projekte wie die Natur, die wir uns vorstellen und untereinander
verhandeln.
Die
Natur fordert gar nichts; könnte sie dies, würde sie sich mit den Grünen
anlegen und sehr viel mehr CO2, pure Pflanzennahrung, verlangen als derzeit in
der Atmosphäre vorhanden ist; und sie würde sich vermutlich dagegen
aussprechen, dass Millionen von Vögeln grausam verstümmelt und abgeschlachtet
werden, wegen einer bizarren intellektuellen Modeerscheinung, wonach die Natur
mit Windrädern zu retten sei. Eher noch würde die Natur sich als vielgestaltig
herausstellen, in Parteien aufspalten und sich, wie wir Menschen, heftig
streiten — dass sie dazu neigt, beweist sie ja durch die Hervorbringung des
menschlichen Tieres. Unsere Hoffnung sollte nicht auf endgültigen Einsichten ( darüber,
was "die Natur" gebietet) ruhen, sondern auf der Qualität der
Prozesse, mit denen wir die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit unserer Thesen über
die Natur gegenseitig überprüfen. Je offener der Prozess der gegenseitigen
Überprüfung, desto wahrscheinlich ist es, dass uns die Fehler auffallen, die
wir zwangsläufig begehen. Und desto schneller werden schädliche Entwicklungen
bekannt und desto eher können wir gegensteuern.
Einer der großen Irrtümer unserer Zeit,
der schon den Rang einer Binsenwahrheit bekleidet, kommt in der These zum
Ausdruck, der Mensch sei ein Naturzerstörer.
Die These steht im Widerspruch zu den
Tatsachen. Wenn wir mit der Zerstörung der Natur durch den Menschen meinen, wir
behandelten die Natur so, dass die Menschheit sich systematisch schlechter
stellt oder gar auszurotten droht, dann ist der Mensch alles andere als ein
Naturzerstörer.
Seitdem es ihm vor zweihundert Jahren
gelungen ist, seine Zerstörung durch die Natur in nie
dagewesener Weise einzudämmen (permanentes Bevölkerungswachstum bei steigendem
Lebensstandard, Überwindung der Malthusschen Falle), ist der Mensch selbst
Naturbewahrer geblieben. Es geht ihm immer besser in einer Natur, die ihm
ungezähmt zutiefst feindlich ist. Er gewährleistet eine Balance zwischen
Natur und Mensch (dem menschlichen Teil der Natur), welches eine beispiellose
Ausbreitung unserer Spezies bei wachsendem Wohlstand zulässt. Mehr denn je
steht der Mensch im Einklang mit der Natur. Die These von der Gefährdung des
Menschen durch menschliche Naturzerstörung könnte absurder nicht sein. Sie
beruht auf verfälschten Tatsachen und einer masochistischen Öko-Religion, die
den Menschen per definitionem als naturschädlich ansieht,
Diese
Nachfolge-Religion des bei uns absterbenden Christentums lebt von
aufgewiegelten Emotionen und dem erhobenen Zeigefinger moderner Pharisäer;
meist auch davon, dass die Kläger unter Umgehung konkreter Problemlagen, sich
auf höchstem Abstraktionsniveau, also ohne die maßgeblichen Einzelheiten zu
studieren, in schockierend-knallig präsentierten Allgemeinheiten ergehen.
Ein Beispiel: die armen Rehe - der böse
Mensch raubt ihnen ihren Lebensraum. Die bloße Klage scheint schon die einzig
richtige Lösung in sich zu tragen. Indem wir uns empören, glauben wir schon zu
wissen, woran wir sind, und was zu tun ist. In Wirklichkeit ist nicht einmal
klar, was gefordert wird. Sollen wir die Rehe fragen, was sie für ihre optimale
Populations-Größe halten? (Im Übrigen, gibt es nichts Natürlicheres als die
Anpassung einer Tier-Population an ihre Lebensbedingungen, ein dynamischer
Prozess, der ebenso veränderlich ist wie die Art und Anzahl seiner
Bestimmungsfaktoren—und somit weder ein ewiges Optimum noch irgendeinen anderen
Idealzustand kennt und einzig durch den Menschen einer moralischen Bewertung
unterzogen werden kann).
Wenn die unterstellte optimale Population
nicht spezifiziert wird, werden die Kosten entsprechender Maßnahmen erst recht
nicht zur Kenntnis genommen; doch erst diese Einzelheiten holen das Thema auf
die Erde zurück und zeigen die schwierigen, komplexen Abwägungsentscheidungen
auf, die uns alles andere als eine einfache, naturgegebene Lösung
bescheren.
Im hitzigen Wortgefecht freilich ist es
hilfreich zu unterstellen, was es nicht gibt: ein naturgegebenes objektives
Optimum. Wenn irgendjemand die Frage entscheiden soll, was eine wünschenswerte
Tier-Population sei, dann kann es nur der Mensch. Womit die Angelegenheit
vielschichtig und kontrovers wird, umgeben von Unsicherheiten, die genährt
werden von menschlicher Fehlbarkeit und dem Dissens, mit dessen Hilfe Menschen
zu besseren Entschlüssen zu kommen pflegen als durch Erzwingung der Forderungen
einer vor Anfechtungen geschützten, einseitigen, vorgefassten Meinung.
Die Alarmglocken sollten zu schrillen
beginnen, wann immer die Würde der Wissenschaft (eben ideologisch) missbraucht
wird, wenn die Wissenschaft denaturiert wird, will sagen: dem Verfahren nach
aufgehoben und nur noch als autoritär drohendes Etikett fungiert.
Die Alarmglocken sollten zu schrillen
beginnen, wenn es nur noch eine Theorie geben darf.
Die Alarmglocken sollten schrillen, wenn
Kritik als Fehltritt, vielleicht sogar als Verbrechen gilt.
Die Alarmglocken sollten schrillen, wenn
es heißt, die "Wissenschaft" habe ihren Endpunkt erreicht und die
betreffende "Wahrheit" sei endgültig.
Man hat sich von Wissenschaft
verabschiedet, wenn Natur hypostasiert, d.h. zu einer Persönlichkeit verfremdet
wird, die hinsichtlich ihrer Selbst verbindlich Auskunft gegeben kann über
"wahr" und "falsch".
Man hat sich von Wissenschaft
verabschiedet, wenn Natur reifiziert wird, d.h. wenn man sie sich vorstellt als
einen objektive Erkenntnis heischenden Gegenstand, ein Ding, das man versteht,
indem man der ihm innewohnenden absoluten Wahrheit ansichtig wird.
Wissenschaft hat sich verabschiedet und an
ihre Stelle ist Ideologie getreten, wenn Natur in unserer Vorstellung zu einem
Gegenstand verbogen wird, dessen Struktur absolute Erkenntnis in sich trägt,
die man nur ablesen muss wie den Wert einer Wasseruhr, um zu wissen, was gilt
und was nicht.
Die englische Version.
Die englische Version.
Manchmal verknüpfen und verzahnen sich Gespräche und Erlebnisse auf
ReplyDeleterichtig spannende Art und Weise.
Am Wochenende war ich an einem wunderschönen See spazieren.
Dort gibt es eine Menge Enten und mein Freund hat sich den Kopf zerbrochen, wie das mit den Enten und den Eiern und dem Nachwuchs ist.
Gestern haben wir nachgelesen, wie das mit den Eiern, dem Befruchten und
dem Nachwuchs funktioniert.
Irgendwo stand, dass die Vögel Nachkommen der Dinosaurier sind.
Heute Abend habe ich ein bisschen im Internet geschaut, was ich zu dem
Thema finde.
Immer mit der Frage im Hinterkopf: in welchem Ausmaß kann der Mensch der
Natur schaden?
Dabei ist mir folgendes eingefallen:
wenn die Dinosaurier nicht ausgestorben wären, würde es uns Menschen
vermutlich gar nicht geben.
Wir Menschen sind ja auch nur ein Teil der Natur.
Lebewesen hatten schon immer natürliche Feinde.
Hat das dem Planeten geschadet?
Wer weiß? Vielleicht ist genau dieser Umstand die Grundlage für
Entwicklung und Erhaltung der Erde - der Welt?
Stillstand und die Erhaltung von dem was grad ist, hat noch nie zu
Fortschritt geführt.
Hat uns der Fortschritt geschadet?
Wir leben heute viel besser als zum Beispiel Ludwig der Vierzehnte der
Sonnenkönig, der für seine Zeit vermutlich in großem Luxus gelebt hat.
Uns geht es viel besser als den reichsten Adligen in der Barockzeit.
Ich denke dabei z.B. an folgendes: wie war das, wenn ein (egal wie
reicher) Mensch damals Zahnweh hatte? Zentralheizung gab es damals auch
nicht.
Oder: so zu leben, wie wir heute mit zahllosen Annehmlichkeiten leben, das wär doch damals total unmöglich gewesen.
Vermutlich ist es eine Art Instinkt von Lebewesen, sich immer besser an
Situationen anzupassen, Vorteile zu suchen usw.
Jegliche Entwicklung fußt auf Veränderung. Die Entwicklungen haben
bisher nicht zu Verschlechterungen geführt.
Uns geht es heute besser "denn je".
Warum sollte sich diese Entwicklung in Zukunft nicht fortsetzen?
Mir kommt´s fast so vor, als wäre es die Lebensaufgabe der Menschheit,
sich immer besser an die Umgebung anzupassen, immer mehr "rauszuholen".
Jedenfalls bin ich sehr zuversichtlich, dass sich letzten Endes die
Weiterentwicklung und damit die Veränderung durchsetzen wird, ja sogar
durchsetzen muss.
Selbst wenn die Menschheit versagen würde und sich selbst mitsamt der
Natur um sie rum ausrotten würde, würde die Welt weiter leben.
Braucht die Natur den Menschen?
Oder:
Wenn auf Grund menschlichen Fehlverhaltens eine Tierart aussterben
würde, z.B. die Bienen, dann gäbe es wahrscheinlich Alternativen.
Ich bin mir sicher, wenn es keine Bienen mehr gibt, um unsere Blumen und
Obstbäume zu befruchten, dann gäb es was anderes, vielleicht sogar was
viel besseres.
Mir kommt dabei die Frage:
Ist es nicht sehr vermessen, zu glauben, dass wir Menschlein die
Verantwortung haben, mit unserem Verhalten die Welt zu retten?
Bevor ich ins Bett gehe, werde ich noch ein bisschen versuchen, mir die
Welt vor 200 Millionen Jahren vorzustellen.
Ich finde es absolut unglaublich, dass es schon so lange Leben auf der
Erde geben soll.