Sunday 13 May 2018

Free Trade (16) — (IV) Inapplicability of Ricardo's Free Trade Argument



An English discussion of the below is available here

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Das klassische Argument zugunsten des Freihandels setzt voraus, dass das Kapital eines Landes dessen Grenzen nicht verlässt und dort in Industrien eingesetzt wird, die sich durch komparativen Vorteil auszeichnen.

Der Urheber des Arguments, David Ricardo, lebte zu einer Zeit, als die Industrialisierung sich noch nicht voll entwickelt hatte. Ricardo konnte sich offenbar den heutigen hohen Grad an internationaler Kapitalmobilität nicht vorstellen. Stattdessen betonte er:

... the difficulty with which capital moves from one country to another, to seek a more profitable employment, and the … [ease] with which it invariably passes from one province to another in the same country ... (Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, 7.18)

... die Schwierigkeit, mit der das Kapital sich von einem Land in ein anderes bewegt, um profitablere Einsatzmöglichkeiten zu finden, und die ... Leichtigkeit, mit der es sich ausnahmslos von einer Region eines Landes in eine andere verlagert ... 
Das moderne Kapital ist aber äußerst mobil und bestrebt, seine Rentabilität durch Ausnutzung absoluter Vorteile (absolut niedrigere Löhne und andere Produktionskosten) zu maximieren, wo auch immer sie diese auf der Welt für sich nutzen können.

Aber selbst, wenn dem nicht so wäre, hinter dem Ricardoschen Argument zugunsten des Freihandels entdeckt man noch weitere Annahmen, die der Mechanismus des komparativen Vorteils voraussetzt, obwohl sie in der Realität nicht anzutreffen sind:

(1) Es ist gleichgültig, was man produziert, solange die betreffende Ware einen komparativen Vorteil erbringt.
(2) Technologien sind allerorten gleichartig und unterliegen keinen Veränderungen. 
(3) Es gibt keine Skaleneffekte (mehr dazu hier).
Kritik:
(ad 1): Tatsächlich ist es durchaus nicht gleichgültig, welche Waren ein Land produziert und zum Export bereitstellen kann. Länder, die sich auf Rohstoffe spezialisieren, bleiben in der industriellen Entwicklung zurück, selbst solche, wie Saudi-Arabien, die das Glück haben, über vergleichsweise rentable Rohstoffe zu verfügen. Es fehlen die Entwicklungsimpulse, die nur die Industrieproduktion („manufacturing“) geben kann. Die Margen zwischen Kosten und Erlösen sind zum Teil deutlich geringer als bei Industrieprodukten. Die Terms of Trade (das Verhältnis der zu importierenden Industriegüter und der exportierten Nicht-Industriegüter, in physischer oder preislicher Betrachtung) gestalten sich nachteilig für Entwicklungsländer mit Schwerpunktproduktion im Rohstoffbereich. Länder, die auf wenige Nicht-Industriegüter setzen (in Befolgung der Lehre vom Freihandel), sehen sich häufig  mit hohen Preis- und Währungsschwankungen konfrontiert, z. B. wenn Substitute angeboten werden oder neue Anbieter in Erscheinung treten. Für solche Länder ist es meist günstiger, Industrieprodukte zu importieren, doch kann so keine eigene Industrie entstehen, außer, wenn sie hinter protektionistischen Barrieren errichtet wird.

(ad 2 und 3): Die Ricardosche Theorie vom Freihandel basiert auf der Annahme konstanter Skaleneffekte: Verdoppelt oder verdreifacht man den Input so verdoppelt oder verdreifacht sich der Output (mehr dazu hier). Tatsächlich sind aber konstante Skaleneffekte ein Spezialfall. Sie passen zu Ricardos fast noch vorindustrieller Welt und seinen Annahmen, dass kein technologischer Wandel stattfindet und die verwendeten Technologien überall gleichartig sind. Doch die moderne Industrieproduktion zeichnet sich gerade durch steigende Skaleneffekte aus. Lernkurveneffekte und technischer Wandel sind die Norm. Industrien, die die Lernkurve emporsteigen, sammeln operative Erfahrungen, die es ihnen gestatten, günstiger zu produzieren und damit steigende Erträge zu erwirtschaften. Je früher die Industrien eines Landes an dieser Dynamik teilhaben, desto schneller die wirtschaftliche Entwicklung dort. Produktionssektoren, deren Kapazitätsausweitung durch ein beschränktes Angebot an ertragreich nutzbarem Boden und andere ökologisch bedingte Einschränkungen Grenzen gezogen sind, erleben im Vergleich dazu rückläufige Skaleneffekte. Es gibt keine Garantie, dass Vorteile, die durch Ausnutzung komparativer Vorteile aufgrund von Spezialisierung und damit einhergehender Kapazitätsausweitung Bestand haben werden.

Der Ausbau der Industrieproduktion liefert den Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung. Besonders  Fertigungsindustrien („manufacturing“) mit hoher Wertschöpfung (hohem Mehrwertanteil) führen zu Innovationen, technologischem Fortschritt, steigenden Skaleneffekten, Synergien und starkem wirtschaftlichen Wachstum.

Es ist vor allem die industrielle Produktion, die die Industrialisierung ermöglicht und einem Land entsprechenden Wohlstand einträgt. Länder mit Produktionsschwerpunkten im nicht-industriellen Bereich sind davon abgekoppelt und fallen weiter zurück. Es ist also keineswegs gleichgültig, was in einem Land produziert wird.

Ein Land kann sich aufs gewissenhafteste an Ricardos Freihandelsempfehlung halten und seine komparativen Vorteile in den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung stellen und doch auf diese Weise ärmer und ärmer werden.

Das zeigt das Beispiel der Mongolei, die in den 1990er Jahren auf Anraten der Weltbank hin, eine Politik des strikten Freihandels verfolgte und sich gemäß ihres komparativen Vorteils auf die Viehzucht spezialisierte. Es dauerte nicht lange, bis die industrielle Basis der Mongolei zusammenbrach, sich das Pro-Kopf-Einkommen halbierte und eine ökologische Katastrophe ihren Lauf nahm, da die Intensivierung der Viehzucht zu rückläufigen Skaleneffekten und so zu Überweidung und Wüstenbildung führte.

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