Saturday 5 May 2018

Free Trade (12) — Further Conditions of Success or Failure

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Previous post in the series, but more properly continued from here / fortgesetzt von hier. An English discussion of the below is to be found here and at greater length here.


Wir haben bereits gesehen, dass der Freihandel seinen Beitrag zum dauerhaften Wirtschaftswachstum von Entwicklungsländern (E.) leistet und insbesondere, dass letzteres ohne Außenhandel kaum stattfinden kann. Aber es hat sich auch gezeigt, dass die erfolgreiche Verknüpfung von Außenhandel und wirtschaftlicher Entwicklung auf bewusste handelspolitische und industriepolitische Steuerung angewiesen ist, weswegen bedingungsloser Freihandel kein geeignetes Instrument für jene Länder ist, die noch auf dem Wege sind,  das wirtschaftliche Niveau der Industrienationen zu erreichen.

Bevor ich im nächsten Post ausführlicher auf zwei wichtige Hürden für die Entfaltung positiver Ergebnisse des Freihandels zu sprechen komme – negative Zahlungsbilanzeffekte und abträgliche Veränderungen im Austauschverhältnis zwischen den Export- und den Importgütern (terms of trade – ToT) eines Landes oder einer Gruppe von Ländern (E. und entwickelten Ländern (EL.) –, möchte ich noch  auf eine Reihe von weiteren Voraussetzungen hinweisen, die erfüllt sein müssen, bevor komparative Vorteile überhaupt realisiert werden können.


Vollbeschäftigung und volle Auslastung aller anderen Ressourcen

Wie wir aus dem Schaubild in Free Trade 5 erkennen (siehe auch unten), beziehen sich komparative Vorteile auf die Produktionsmöglichkeitenkurve, also auf die effizientesten Kombinationen zweier Güter unter vollem Einsatz aller Ressourcen. Anders gesagt, die Produktionsmöglichkeitenkurve (PMK) verrät uns, wenn die Produktionsmenge des einen Gutes gegeben ist, welche Menge des anderen Gutes maximal produziert werden kann, und umgekehrt. 

Die PMK (bevor Freihandel praktiziert wird) ist die durchgezogene Gerade im linken Schaubild, die von a1 ausgehend auf die X-Achse trifft bzw. die durchgezogene Gerade im rechten Schaubild, die von b1 ausgehend auf die Y-Achse trifft.  Die gestrichelten Geraden mit den gleichen Ausgangspunkten stellen die PMK nach Ausnutzung komparativer Vorteile durch Spezialisierung und Freihandel dar.

Der englische Begriff für PMK ist genauer: production possibility frontier. Die PMK beschreibt die äußerste Produktivitätsgrenze, alles, was innerhalb oder diesseits (d. h. in der Fläche unterhalb) der PMK liegt, sind ineffiziente Kombinationen der beiden Güter, sprich: man könnte mehr von mindestens einem der beiden Güter produzieren. Wenn die Kombination 1 Lastwagen und 4 Pkw auf der PMK liegt, dann liegt die Kombination 0,5 Lastwagen und 4 Pkw diesseits der PMK und ist ineffizient, denn man könnte mehr von mindestens einem der beiden Güter (in diesem Fall Lastwagen) produzieren.

Komparative Vorteile auszunutzen, bedeutet, dass man die PMK (durch Spezialisierung und Tausch der effizienter produzierten Güter) nach außen oder jenseits der bestehenden PMK verschiebt, z. B. wenn nun die Kombination 1,5 Lastwagen und 4 Pkw realisiert werden kann.

Nach dieser kleinen Wiederholung komme ich zur eigentlichen Pointe:

Die Theorie von den komparativen Vorteilen hat nur Gültigkeit, wenn wir uns tatsächlich auf der PMK bewegen, d. h. wenn Vollbeschäftigung herrscht und alle anderen Ressourcen Verwendung finden. Andernfalls bewegen wir uns unterhalb der PMK. Wir sind gezwungen noch brachliegende binnenwirtschaftliche Ressourcen einzusetzen, um überhaupt auf die PMK zu gelangen. Die PMK ist suboptimal und kann durch Einsatz ungenutzter inländischer Ressourcen in die optimale Lage verschoben werden, ohne dass wir uns des Außenhandels bedienen müssen.

Ricardos Argument beruht auf der Betrachtung von Opportunitätskosten, doch bei nicht ausgelasteten Kapazitäten lässt sich mehr von Gut X produzieren, ohne dass deswegen weniger von Gut Y hergestellt werden kann. Die PMK, anhand derer wir die den komparativen Vorteilen zugrunde liegenden Opportunitätskosten vergleichen wollen, ist unbekannt.

Vollkommener Wettbewerb

Ferner liegt es in diesem Zusammenhang nahe, darauf hinzuweisen, dass Ricardos Modell vollkommenen Wettbewerb voraussetzt – schließlich geht er davon aus, dass die Preise die Opportunitätskosten der betreffenden Ressourcen und Waren widerspiegeln. Dies setzt voraus, dass Preise, die die Opportunitätskosten nicht korrekt erfassen, an einem vollkommenen Markt durch umgehende Arbitrage auf das richtige Niveau zurückgeführt werden.

Unveränderliche Faktorausstattung

Ricardo unterstellt, dass die Faktorausstattung (Arbeit, Kapital, Boden etc.) der betroffenen Volkswirtschaften unveränderlich ist. Das ist natürlich nicht der Fall. Der Handel verändert die an ihm teilnehmenden Nationen. Der Produktionsfaktor Boden wird durch importierte Düngemittel, das Kapital durch importierte Automatisierungsverfahren, das Humankapital durch den Import von Know How produktiver. Insbesondere können derartige vom Handel herangetragenen dynamischen Einflüsse, die die Produktionsbasis eines Landes verändern und wirtschaftliche Fortentwicklung bedeuten, das Resultat gezielter Maßnahmen der Politik sein (Subventionen und andere Begünstigungen und Anreize) oder solcher Eingriffe bedürfen, um zuträglich und möglichst effektiv zu sein. Dementsprechend würde eine passive Handelspolitik, die ausschließlich auf die  Effizienzgewinne durch Ausnutzung komparativer Vorteile vertraut, für die Entwicklung eines Landes  eine weniger gute, vielleicht sogar eine schädliche Lösung darstellen.

Der Ricardosche Ansatz könnte übertriebener Spezialisierung und der Fixierung auf ein tradiertes Sortiment an Erzeugnissen Vorschub leisten. Eine solche Fixierung kann ein Land nicht nur in seiner wirtschaftlichen Entwicklung zurückhalten, sondern es sogar noch weiter zurückwerfen, wenn sich Wirtschaftszweige in anderen Ländern neu und/oder besser entwickeln. Übertriebene Spezialisierung kann negative Folgeeffekte auslösen, z. B. eine Anfälligkeit für Zahlungsbilanzkrisen.

Länder, die auf die Bereitstellung von Waren bestimmter Art fixiert sind – das gilt besonders für Primärgüter, die wir der Nutzung des Bodens durch Abbau und Anbau verdanken (Land- und Forstwirtschaft, Fischereiwesen, Energie- und Wasserversorgung sowie Bergbau) –, stagnieren und geraten in Schwierigkeiten, weil die Güter (z. B. Lebensmittel, die nur dem Konsum und dem Export dienen) selbst nicht Anlass geben für jene Rückwärts- und Vorwärtsverflechtungen, die wirtschaftliche Entwicklung bedeuten. Ein Stahlwerk erzeugt Rückwärtsverflechtungen, indem es Investitionen in Anlagen zum Abbau von Kohle und Eisenerz erforderlich macht und Vorwärtsverflechtungen, indem es Investitionen in Produkte, die auf die Stahlproduktion angewiesen sind, anregt. 

Wir stellen also immer wieder fest, dass die kurzfristig realisierten Effizienzgewinne, die das Ausnutzen komparativer Vorteile ermöglicht, im Widerstreit mit langfristigen Entwicklungszielen stehen. Deshalb ist eine lenkende Handelspolitik Ricardos Ideal des Freihandels vorzuziehen.


Eine nützliche, kritische Diskussion der Ricardoschen Freihandelstheorie findet sich hier.

Continued here / fortgesetzt hier

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