Image credit. |
In einem bemerkenswerten Papier gehen die Autoren
Bezemer und Hudson der Frage auf den Grund, warum die wirtschaftliche Entwicklung seit
den 1980er Jahren und besonders seit 2008 durch starke Polarisierung zwischen
Gewinnern und Verlieren geprägt ist, indes die Verschuldung von Städten,
wichtigen Verwaltungsregionen (wie Bundesstaaten, Provinzen etc.) und Staaten
dramatisch, mitunter bis zur Insolvenz, angestiegen ist. Wie ist zu
erklären, fragen sie, dass wir uns so stark verschulden konnten, ohne dass die
Realeinkommen und der Lebensstandard gestiegen sind. Die Autoren argumentieren,
dass tragfähige Antworten auf diese Fragen Voraussetzung dafür sind, dass endlich Maßnahmen
ergriffen werden, die es gestatten, sich aus der Schuldenkrise
herauszuwinden. Freilich ist eine einfache Rückkehr zur Normalität nicht zu
erwarten.
Die Malaise ist
fundamentaler Art. Und das theoretische Rüstzeug, mit dem wir uns an die
Analyse der Lösungsmöglichkeiten begeben, enthält vieles, das irrig ist.
Das volkswirtschaftliche Denken der letzten 25
Jahre leidet an Selbstüberschätzung. Oliver Blanchard, Ben Bernanke, Gordon
Brown, und andere Größen lobten, die von ihnen gewählte geldpolitische Marschroute,
als Ursache für die bemerkenswert niedrige Inflation und das stabile Wachstum
dieser Periode, für das Bernanke den Ausdruck “The Great Moderation” geprägt
hat — „die Große Konjunktur-Glättung“. Im Jahre 2007 sprach Gordon Brown vom “Ende des Boom und Bust”. Dabei
war es doch gerade der Zeitraum von Mitte der 1980er Jahre bis 2007, der die
rasanteste und zerstörerischste Inflation im volkswirtschaftlichen Kernbereich
der Wohnungswirtschaft und an den Aktien- und Anleihemärkten seit Ende des Zweiten
Weltkriegs zu verzeichnen hatte.
Hervorgerufen wurde diese Inflation der
Vermögenswerte („assets“) fast ausschließlich durch die Hebelwirkung höherer
Verschuldung — „Hebelwirkung“ will sagen: man leistet sich per Kredit,
(Spekulationen und einen Lebensstandard) wozu einem sonst das Geld fehlen
würde.
Geld und Kredit wurden nicht in erster Linie für
die Investition in produktivitätssteigernde Kapitalien ausgegeben, und bewirkten
infolgedessen auch keine Anhebung des Verdienstniveaus der breiten Bevölkerung.
Die analytischen Kategorien der herkömmlichen Makro-Ökonomie taugen nicht, um
diesen Umstand aufzuspüren; die klassische geldtheoretische Formel vom MV = PT
nimmt Vermögenswerte und ihre Preise nicht zur Kenntnis; und auch nach den
1980er Jahren hat der letzte Schrei unter den volkswirtschaftlichen Modellen
immer noch keinen Platz in seinem Bild der Wirtschaft für Kredit, Verbindlichkeiten
oder den Finanzsektor. Was nimmt es Wunder, dass sie die Modelle derer sind, die die Große Finanzkrise
von 2008 „nicht hatten sehen kommen“.
Benzemer und Hudson schicken sich an, die
Grundbausteine einer Alternative zu den unzureichenden Modellen des
ökonomischen Establishments vorzustellen. Bei ihren Forschungsergebnissen sehen
sie sich stark inspiriert von John Stuart Mill, Joseph Schumpeter, und HymanMinsky. Sie gelangen zur Schlussfolgerung, dass in Wirklichkeit maßlose
Verschuldung hinter dem steckt, was als „Große Mäßigung“ („the Great Moderation“)
verkauft wurde. Ein Verschuldungsexzess führte zu dem, was besser als die „Große
Polarisierung“ zwischen Schuldnern und Gläubigern bezeichnet werden sollte.
Die Aufblähung der Finanzierungsvolumina
schuldete sich in viel größerem Maße Bemühungen, Renten (=Renditen aus
unproduktiver Geldüberlassung/Investition) aus der Wirtschaft abzusaugen, als
Gewinnen, die aufgrund produktiver Tätigkeit erwirtschaftet werden — ein
maßgeblicher Umstand, der jedoch kein Echo in der dominierenden
volkswirtschaftlichen Literatur findet.
Die blinden Flecken der Theoretiker sind damit zu
erklären, dass die heute üblichen Modelle einfach nicht in der Lage sind,
Bilanzen, Kredite und Verbindlichkeiten abzubilden, obwohl diese ganz ausschlaggebende
Informationen über den Zustand der Wirtschaft enthalten. Ohne angemessene
Berücksichtigung dieser Kategorien sind die Schuldenkrise und die sie
beleitenden Rezessionen einfach nicht zu verstehen — weswegen Benzemer und Hudson
im Folgenden bemüht sind zu zeigen, wie diese Phänomene in die volkswirtschaftliche Theorie integriert
werden können.
Fortgesetzt hier.
No comments:
Post a Comment