Image credit. |
Es ist ein Irrtum, sich die Wirtschaft als ein
Geschehen vorzustellen, das frei ist von politischen Einflüssen. Wirtschaft
kann nur stattfinden, indem wir Politik betreiben. Der Ursprung des
wirtschaftlichen Handelns, seine Anfangsbedingungen werden durch politische
Entscheidungen bestimmt. Ihre Abläufe sind durchzogen von Einwirkungen, die aus
der politischen Sphäre stammen. Und das wirtschaftliche Agieren zeitigt
Resultate, die uns zu politischen Reaktionen herausfordern. Wer unterstellt,
dass es ich bei der Wirtschaft um einen freistehenden Mechanismus handele, eine
Grundannahme der vorherrschenden volkswirtschaftlichen Modelle, sitzt einem Mythos
auf.
An anderer Stelle habe ich Politik definiert als
diejenigen Bemühungen der Menschen, auf einander Einfluss auszuüben, die das
Ziel haben festzulegen, was in einer Gemeinschaft Gültigkeit beanspruchen darf
– ideell und im praktischen Tun. Darf ich auf meinem Grundstück tun und lassen,
was mir in den Sinn kommt, oder gibt es Rücksichtnahmen, zu denen ich von der
Gemeinschaft angehalten werde, Wer bestimmt die Grenzen meiner Freiheit? Worin
bestehen sie? Das Wirtschaften im Kleinen, das Geschäftsgebaren eines Einzelnen
ist in diesem Sinne politisch bestimmt, nicht weniger als die vielfachen
Rahmenbedingungen, die sich auf ein großes Unternehmen oder eine
Volkswirtschaft auswirken.
Der zutiefst politische Charakter des
Wirtschaftens und der dabei entstehenden sozialen Gebilde (Firmen, Märkte,
Gesetze, Regeln etc.) folgt schon daraus, dass wir recht unterschiedliche Ideen
bei dem Versuch entwickeln, zu verstehen, was vor sich geht: was Wirtschaft
ist, wie sie funktioniert, was sie leistet, was in ihr zulässig ist, und was
nicht.
Solange der Intelligenz der Menschen keine
künstlichen Grenzen auferlegt werden und die natürliche Vielfalt der
Lebenslagen und persönlichen Standpunkte zur freien Entfaltung kommen darf,
wird wirtschaftliche Aktivität Gegenstand politischer Rivalität sein.
Und nicht nur im Sinne geläufiger ideologischer und
parteipolitischer Unterschiede — wiewohl diese wichtige Bestimmungsgrößen
der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Ob zweifelhaft oder nicht, sie geben Halt und
Orientierung für Millionen, die sich überfordert fühlen, die komplizierten
Zusammenhänge einer Volkswirtschaft ohne sachkundige Hilfe vertrauenswürdiger
Quellen einzuordnen.
Der in mancherlei Weise folgenschwerste Ausdruck politischen
Strebens um Geltung und Dominanz in einer Gesellschaft schlägt sich in den
vorherrschenden ökonomischen Idealen und den daraus abgeleiteten
wirtschaftspolitischen Maßnahmen nieder.
Thomas Palley argumentiert, dass wir vom Weg abgekommen sind,
der Wohlstand für alle bedeutete, weil sich ein Paket an ökonomischen Idealen
durchsetzen konnte, das die Bedürfnisse des Kapitals einseitig bevorzugt. Es stellt
die Wirtschaft als einen natürlichen Prozess dar, in dem kein Platz ist für
soziale Gegensätze und die Notwendigkeit, den Konflikt widerstreitender
Interessen auszutragen.
Diese Ideologie des ökonomischen Naturalismus (siehemehr dazu hier) übersieht: Der Prozess des Streitens und Versöhnens ist Teil
der wirtschaftlichen Realität. Es gibt keine Harmonie, die zu erzielen wäre,
indem man die Mechanismen der Wirtschaft sich selbst überlässt. Immer wieder
werden sich die Interessen der unterschiedlichen Parteien gegeneinander
verschieben, immer wieder wird man versuchen müssen, sie in die Nähe eines
Einklangs zu rücken. Es trifft nicht zu, dass die Selbstorganisation der wirtschaftlichen
Ordnung auf ein Optimum hintendiert, das entweder für alle das Beste erreicht (die
Suggestiv-Botschaft der Pareto-Optimalität) oder immerhin nicht verbessert
werden könne, auch wenn das Ergebnis vielleicht in dieser oder jener Hinsicht etwas zu wünschen übrig
lässt.
Als Freiheitsforscher will ich ganz besonders betonen, dass die Freiheit und ihr Wirtschaftssystem des Kapitalismus eine ausgeprägte agonale, sich im Kampf erfüllende Dimension kennzeichnet. Das große Verdienst der Freiheit ist es, die Gewaltsamkeit und Zerstörungskraft der menschlichen Zwiste zu begrenzen, doch nicht, um natürliche Rivalität zu unterdrücken. Im Gegenteil - das Friedens- und Wohlstands-Rezept der Freiheit beruht darauf, dass unter ihrer Schirmherrschaft Konflikte gewaltentschärft und an Fairness gebunden Zulassung finden, ins Offene hinaus treten dürfen und deshalb gründlich ausgelotet werden können.
Die moderne Ökonomie spricht unentwegt von Kapital und Arbeit, doch als physische, unpersönliche Größen, die keinen sozialen Raum einnehmen, losgelöst sind von unterschiedlichen Erfahrungen und Interessen.
In Wirklichkeit ist das Kapital unentwegt dabei, die Gesellschaft zu erneuern, womit es die Beziehungen der Menschen, deren Perspektiven, Bedürfnisse und Zwänge verändert. Unter dem unerbittlichen Druck, sich durch Gewinne ihr Lebensrecht zu erhalten, verändern Unternehmen die Waren und Dienstleistungen der Wirtschaft und die Bedingungen, unter denen sie bereitgestellt werden können. So entstehen technischer Wandel und Wirtschaftswachstum. So kommt es zu verbesserter Produktivität und effizienteren Strukturen in der Wirtschaft. Durch kreative Zerstörung.
In einem Fort spielen sich Dramen der Zerstörung und der Erneuerung ab, die tief in das Leben der Menschen eingreifen. Das sind nicht die Etappen, die Zwischenakte einer prästabilisierten Ordnung. So wenig wie der Unternehmer weiß, zu welchen Reaktionen er sich morgen herausgefordert sehen wird, damit seine Firma überlebt, so wenig gibt es für die Arbeitnehmer Sicherheit ein für alle Mal. Beide Seiten müssen sich bewegen, verändern, in einer Weise, die immer neuer Überlegungen und Strategien bedarf. Was ein hinnehmbares Morgen betrifft, so geschieht da nichts automatisch. Man muss sehen, wo man bleibt. Man muss seine Interessen vertreten, unter Bedingungen, die sich immerzu wandeln. Wie der Kuchen nach der neusten Runde schöpferischer Zerstörung aussehen wird und, wem welche Anteile daran zustehen sollen, steht heute noch in den Sternen und will morgen ausgefochten werden.
Der Streit um die willkommenen Früchte schöpferischer Zerstörung und darum, wie mit ihren Abfällen und Trümmern zu verfahren sei, gehört zu den wichtigsten Merkmalen einer freien Gesellschaft. Schließlich ist Freiheit ein Entdeckungsverfahren, das uns die verschiedenen sozialen Interessen einer Gesellschaft offenlegen soll und die Möglichkeiten, diese miteinander in Vereinbarung zu bringen.
Die Freiheit toleriert, ja fördert unterschiedliche Vorstellungen von der Arbeitsweise einer Wirtschaft, aber sie verträgt sich auf keinen Fall mit einem Bild der ökonomischen Prozesse, das soziale Unterschiede und Konflikte ignoriert und die Rolle des gesellschaftlichen Ausgleichs von den aktuell handelnden Menschen auf zeitlose Mechanismen verlagert.
Fortgesetzt hier.
No comments:
Post a Comment