Thursday 13 December 2018

Ökonomie verstehen (3) – Sein oder Nichtsein – Über Spiegel und Gouvernanten

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Jedes Lebewesen beschäftigt sich damit: – zum Beispiel das Kätzchen, das man vor einen Spiegel setzt – die Frage, was ist oder nicht ist. Das Kätzchen erschrickt, weil im Spiegel plötzlich ein anderes Kätzchen vor ihm auftaucht. Da IST etwas – eher unerwartet. Das Kätzchen schnuppert am Spiegel. Nichts. Das Kätzchen blickt hinter den auf dem Teppichboden gestellten und an die Wand angelehnten Spiegel. Nichts. Es entdeckt eine Seinsform, die ihm neu ist. Und nach weiteren Versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen, hat sich ihre Theorie von dem, was ist, und, was nicht ist, verändert. 

Jedes Lebewesen ist ein Philosoph, denn es beschäftigt sich mit einem wichtigen Gebiet der Philosophie, der Ontologie, die sich dem Sein widmet. Wer überleben will, kommt nicht umhin, über Fragen der Existenz nachzudenken, um zu entscheiden, ob etwas existiert, vielleicht auch warum, unter welchen Umständen und mit welchen Konsequenzen. 

Räuber tun so als würden sie nicht existieren, um ihre Beute aus dem Hinterhalt anzugreifen. Beutetiere greifen zur Tarnung, damit Räuber ihre Existenz übersehen.

Die Ökonomie ist auch eine Ontologie, eine Lehre vom Sein, ein Handbuch, in dem wir nachschlagen können, was existiert und was nicht – und was wir infolgedessen, tun dürfen, sollen und müssen und was wir besser unterlassen.

Die Ökonomie greift massiv in unsere Psyche ein und in unser soziales Leben, indem sie uns verrät, was realistisch und gut ist, woran wir glauben sollten und wie wir uns untereinander zu verhalten haben.

Wir sollten uns den Spiegel, in dem sich die Realität der Ökonomie widerspiegelt, sehr genau ansehen. Denn wenn er uns täuscht, sind, kann es sein, dass aus uns andere Menschen werden als wir sie sein sollten und Gemeinschaften bilden, die schlechter sind, als sie es sein müssten.

Die Ökonomie kann wie eine sehr strenge Gouvernante sein, die uns fürs ganze Leben abrichtet, ohne dass wir den zwanghaften Gehorsam bemerken, zu dem sie uns verdammt hat.

Fragen Sie sich, welches Bild von Wirklichkeit zeichnet uns eine ökonomische Lehre, auf welcher Grundlage und mit welchem Recht? Wie überzeugend sind die Belege für ihre Gültigkeit, die uns die beobachtbare Welt liefert? Sind Sie bereit, sich auf Basis dieser Lehre vorschreiben zu lassen, was sie denken und tun dürfen, opfern und unterlassen müssen?

Je nachdem, welcher Ökonomie Sie Ihr Vertrauen schenken, werden sie bereit sein (oder eben nicht), Vollbeschäftigung für möglich und vordringlich anzusehen und glauben, der Staat könne jederzeit dafür sorgen, dass jeder von uns, der dies will, einen Arbeitsplatz hat. 

Je nach Ihrer ökonomischen Ontologie, Ihren Überzeugungen, welche wirtschaftlichen Zusammenhänge existieren oder nicht, werden Sie Staatsausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft begrüßen oder ablehnen. Sie werden Mythen auf dem Leim gehen oder nicht und Maßnahmen gut heißen mit schwerwiegenden Folgen, die viel Gutes bewirken können oder großen Schaden anrichten.

Kurzum: Die Ökonomen verfügen über große Macht, denn sie können Ihnen einreden, was sie sehen und was nicht. Überlassen Sie ihnen dieses Machtmittel nicht ungeprüft.


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