Saturday 8 December 2018

Ökonomie verstehen (1) — Gute Ökonomen misstrauen der Ökonomie


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Gute Ökonomen misstrauen der Ökonomie

Der Mensch möchte überleben. Der Mensch möchte es bequem haben. Der Mensch möchte sich stark und sicher fühlen. Diese Bedürfnisse sind elementar. Sie sind auch im Spiel, wenn wir etwas verstehen wollen. 

Wir werden beherrscht von der instinktiven Neigung, unser nacktes Leben, unsere soziale Position und unsere Stellung gegenüber Fremdem und Fremden sicher zu gestalten. 

Meinem Gehirn ist es zunächst gleichgültig, ob das Leben wie ich es kenne und gut heiße von einem zähnefletschendem Tiger bedroht wird oder von der alten Dame neben mir im Bus, die meine heiligsten Überzeugungen hämisch schmunzelnd angreift. 

Es ist daher ratsam, sich immer bewusst zu machen, dass wir vor allem dafür geschaffen sind, die Unverletzlichkeit unseres Lebens und unserer Identität zu sichern. Erst in zweiter Linie richtet sich unser Interesse darauf, der Wahrheit so nahezukommen als uns dies möglich ist. 

Das Sachgebiet der Ökonomie zeigt Spuren eines sehr pragmatischen Umgangs mit der Wahrheit. Es ist ein mächtiges Fach, das viel zu verlieren hätte, wenn in ihr die Suche nach Wahrheit größeres Gewicht zukäme verglichen mit ihrer Wirksamkeit als Statussymbol.

Ökonomen wollen recht haben. Das ist verständlich -— aber auch gefährlich. Ökonomen sollten nicht nur Recht haben wollen, sondern auch Zweifel an ihrem Fach. Denn nur ständiges Hinterfragen  kann bessere Einsichten hervorbringen und den Missbrauch des vorläufigen Erkenntnisstands eindämmen.

Die folgende Einführung in die Ökonomie versteht sich deshalb als ein Versuch, das Fach kennenzulernen, indem man es infrage stellt.

Es ist immer wichtig, eine Theorie auf mögliche Irrtümer abzuklopfen, besonders aber in einem Fachgebiet, dass von Natur aus nur beschränkten Zugang zu den Methoden der Naturwissenschaft hat. 

Denn in vielen Fällen kann die Ökonomie nicht auf das naturwissenschaftliche Verfahren zurückgreifen — zum Beispiel können wir Abläufe einer Volkswirtschaft nicht experimentell replizieren; das Wirtschaftsgeschehen des letzten Jahres wieder abspielen lassen, nur diesmal unter Ausschluss eines zuvor noch wirksamen Faktors (besonders hohe Zinsen). Und in anderen Fällen will die Ökonomie nicht auf wissenschaftliche Überprüfung zurückgreifen, weil Widerlegung und der Verlust von Status und Macht droht.

Die wissenschaftliche Methode kennt mindestens drei Phasen: (1) Es wird eine Vermutung über die Welt getroffen ("Alle Schwäne sind weiß"), (2) Diese Hypothese wird in einer Weise formuliert, die es erlaubt, gegebenenfalls zu erkennen, ob und unter welchen Umständen sie widerlegt ist ("Die Entdeckung von mindestem einem Schwan mit nicht schwarzem Gefieder"). (3) Es werden Beobachtungen des erfahrbaren Lebens herangezogen, um diese mit der Behauptung der Theorie zu vergleichen.

Daraus ziehen wir die Schlussfolgerung: Wo immer möglich, sollte die Ökonomie der wissenschaftlichen Methode – also der Bildung widerlegbarer Hypothesen und rigoroser empirischer Überprüfung – unterworfen werden. Wo dies nicht erfolgen kann, sollte das Manko klar ausgewiesen werden.

Im Folgenden wollen wir eine Skizze der Ökonomie entwerfen, die sich an zweifelhaften Aspekten und Irrtümern der etablierten Wirtschaftslehre orientiert.

Zu diesem Zweck untersuchen wir eine Reihe von Lehrsätzen der Wirtschaftswissenschaften, die auch in den von den Medien verbreiteten Szenarien und im Verständnis der breiten Bevölkerung als tiefschürfende Wahrheiten tief verankert sind. Doch entsprechen sie der Wahrheit?


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