Tuesday 25 December 2018

Der (falsche?) Kitzel der Ökonomie (4) – Die klassischen Wurzeln der modernen Wirtschaftstheorie – Die Nachfrage nach Arbeit

Image credit




Warum erkennen wir im untenstehenden Bild eine fallende Nachfragekurve (ND)? Gleich mehr dazu. Wo ND sich mit der steigenden Angebotskurve NS schneidet, besteht Vollbeschäftigung – alle, die Arbeit suchen, erhalten Arbeit von Arbeitgebern, die ihrerseits genau die Anzahl an Arbeitern einstellen können, die sie benötigen, um die Produktion bis zu dem Punkt auszuweiten, wo der Verkauf des Ausstoßes gerade noch zum Gewinn beiträgt.

Die Angebotskurve ist steigend, weil die klassische Ökonomik (KÖ), nach viel Hin und Her, letztlich dann doch davon ausgeht, dass Arbeiter desto eher bereit sind, ihre Arbeit anzubieten, je höher der Lohn ist. 

Das beinhaltet den bizarren Umkehrschluss, dass Arbeiter bei einem zu geringen Lohnniveau freiwillig die Beschäftigungslosigkeit wählen. Die wenigsten Lohnempfänger werden über genügend Mittel verfügen, um auf Arbeit zu verzichten, weil ihnen der Lohn zu gering erscheint – oder, wie die KÖ es ausdrückt: die Opportunitätskosten der Freizeit so niedrig sind, dass es rational ist, sich für Beschäftigungslosigkeit zu entscheiden, d. h. Freizeit der Arbeit vernünftigerweise vorzuziehen ist, weil sie verlockend günstig ist gemessen am Arbeitslohn, der um ihretwillen aufgegeben werden muss; vielmehr ist es doch so, dass einfach keine Arbeit angeboten wird. Arbeitslosigkeit ist für die meisten Menschen nicht das Ergebnis eines freiwilligen Wahlakts, sondern ein entsetzlicher, zutiefst unwillkommener Schicksalsschlag. Selbst wenn das Arbeiten nicht lohnt, weil der Aufwand in keinem annehmbaren Verhältnis zum Einkommen steht, ist die Entscheidung, seine Arbeit nicht anzubieten, in der Regel eine Notfallentscheidung oder besser gesagt, sie wird getroffen, weil einem keine andere Wahl bleibt und nicht, weil die Arbeiterin entdeckt, sie bevorzuge Freizeit gegenüber einer Lohntätigkeit.

Zurück zur Ursprungsfrage. Warum fällt die Nachfragekurve? Warum werden laut KÖ desto weniger Arbeiter eingestellt, je höher der Lohn ist?

Zwei Annahmen sorgen dafür. Im Fachchinesisch gesprochen: Profitmaximierung der Unternehmen bei abnehmender Grenzproduktivität.

Profitmaximierung bedeutet, dass Unternehmen ihre Produktion, ihre Absatzmenge, den Einkauf und Einsatz der benötigten Produktionsfaktoren (darunter natürlich auch Arbeit) nur bis zu dem Punkt ausweiten, an dem noch ein Gewinn übrig bleibt.

In ihrer Theorie der Arbeitsnachfrage geht die KÖ davon aus, dass alle Produktionsfaktoren außer der Arbeit, zumindest auf kurze Sicht fixiert und unveränderlich sind

Abnehmende Grenzproduktivität bedeutet in diesem Zusammenhang: Jede zusätzliche Einheit Arbeit leistet einen abnehmenden Beitrag zum Produktionsausstoß. Je mehr Arbeiter eingestellt werden, desto geringer der Beitrag, den sie zum Gewinn beisteuern. An dem Punkt, wo dieser Beitrag auf null fällt, gibt es keinen Grund mehr, zusätzliche Arbeiter einzustellen.

Die Annahme abnehmender Grenzproduktivität sorgt also dafür, dass die Nachfragekurve fällt, sprich: nur dann zusätzliche Arbeiter eingestellt werden, wenn deren Lohn in gleichem Maße wie das  von ihnen geschaffene Grenzprodukt abnimmt. Jeder zusätzliche Arbeiter bekommt einen noch niedrigeren Lohn als sein Vorgänger, da seine Grenzproduktivität gegenüber der des Vorgängers abnimmt.

Die Annahme abnehmender Grenzproduktivität ist in dieser Form freilich fragwürdig. Sie scheint aus einer Zeit zu stammen, als Land der wichtigste Produktionsfaktor war, das sich zumindest damals tatsächlich durch abnehmende Grenzproduktivität auszeichnete – ebenso wie die Arbeitskraft der Landarbeiter, deren Produktivität von der des Bodens abhängig war.

Der Preis, zu dem Vollbeschäftigung möglich ist (N*), der Preis, bei dem Arbeitnehmer freiwillig ihre Arbeitskraft anbieten und Arbeitgeber das Arbeitsangebot vollständig absorbieren, ist gegeben durch den Punkt (W/P*), an dem der Reallohn dem Grenzprodukt entspricht.

Natürlich ist es nicht richtig, dass der Reallohn, wie es die KÖ hier unterstellt, quasi ex ante am Arbeitsmarkt ausgehandelt wird. Wieviele reale Waren und Diuenstleistungen sich die Arbeiterin von ihrem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Nominallohn dann wirklich leisten kann zeigt sich erst später, wenn die anderen Wirtschaftsteilnhemer ihre Preisentscheidungen getroffen haben sie ihr Geld an den Mann bringt.

Image credit

Ein Unternehmen zahlt dem letzten zusätzlich eingestellten Arbeiter einen Lohn W, der die Kosten seines Produktionsbeitrags deckt und überdies eine Gewinnmarge ermöglicht: VMP (Wert des Grenzprodukts). Das Grenzprodukt oder der Grenzertrag, wie man auch sagt, ergeben also folgenden Zusammenhang:

W = VMP = PxMP

Der Lohn W entspricht dem Wert des Grenzprodukts – VMP – und der entspricht dem Produkt des Preises jeder Einheit, die zum Grenzertrag am Markt abgesetzt werden kann.

W = PxMP 

lässt sich wie folgt umformen:

W/P = MP

Angebots- und Nachfragekurve bestimmen den Reallohn, zu dem Vollbeschäftigung möglich wird. Dieser Gleichgewichtspunkt impliziert auch das Produktionsvolumen, das sich aus der Produktionsfunktion ableiten lässt, also: die Produktionsmenge, die sich bei gegebener Technologie, Kapitalausstattung etc. zu diesem Lohn- und Beschäftigungsniveau realisieren lässt.


No comments:

Post a Comment