Monday, 13 February 2017

Wissen (15 a) — Vorüberlegung


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[English partial summary: Hayekian type of liberalism is defectively onesided in that it does not recognise that the evolutionary character of overall historical and social order does not preclude planned intervention as an evolved human capacity of great importance for the survival and continual betterment of our species. Both liberty and science require intellectual competition, trial and error, and a case-by-case and open-minded discernment of ocasions better handled by laissez faire leaning (rule-based and individualistic) conduct or those calling instead for planned intervention. There is no such thing as an epistemological privilege favouring laissez faire.]

Der im nächsten Post veröffentlichte Abschnitt aus einer längeren Betrachtung zur Erkenntnistheorie hat für mich eine besondere persönliche Bedeutung. Er umreißt eine Versuchung, der ich erlegen bin. Bis mir der Irrtum einige Jahre später aufging. Es ist zwar zweifellos richtig, dass Wissen auch evolutionär entsteht und dass wir uns auch in ganz wesentlicher Weise von Wissen leiten lassen, welches eher ein Wachstums- und Ansammlungsprodukt als die unmittelbare Erkenntnisleistung eines Denkers ist. Näheres dazu führt der Auszug unter 15 b aus. Aber dieser wichtige Umstand (die Befolgung von Prinzipien und Regeln als Wissensverwertungs-Verfahren) berechtigt uns nicht dazu, die Rolle des Wissens zu unterschätzen, das auf der Fähigkeit des Menschen beruht, einen Zusammenhang so vollständig zu erfassen, dass er ihn durch seine Eingriffe in seinem Sinne beherrschen/gestalten kann.

Vielfältig und oft unergründlich sind sie — die Gründe, warum ein Mensch sich für diese oder jene Ideologie erwärmt statt für eine andere oder statt Abstand zu allzu ambitiösen Glaubensbekenntnissen — die nicht als Glaubensbekenntnisse sondern unumstößliche Wahrheiten wahrgenommen werden — zu halten.

Ich habe mich von Engelszungen einnehmen lassen, die mich mit epistemologischen Tönen bezirzten. Sie flüsterten mir ein, die Welt sei so beschaffen, dass man das volle dem Menschen mögliche Wissen und die besten Verfahren, Wissen zu erlangen,, erst dann auf  seiner Seite weiß, wenn man sich auf eine bestimmte Art untereinander gebärdet. Und zwar wie Individuen im Sinne des klassischen Liberalismus, die sich der Bevormundung anderer Menschen enthalten und vor allem staatliche Eingriffe in die natürlich gewachsene (Wissens-)Ordnung d.h. in die spontane Ordnung einer freien Gesellschaft unterlassen. Denn solcherlei Eingriffe, so glaubt der Liberale Hayekscher Prägung, verdrängten das gewachsene Wissen durch angemaßtes, interessengeleitetes Schein-Wissen, mit dem Politik und Staat ihre Irrtümer unter uns säen.

Mir war entgangen, dass ich mit dem Annehmen der Hayekschen Erkenntnistheorie ein doppeltes und in sich widersprüchliches Bild von Wissen und Wissenschaft zugunsten einer ideologischen Voreingenommenheit in mein Weltbild aufgenommen hatte. Denn mein Popperismus und Falsifikationismus setzte eine offene Wissenschaft voraus — eine, die sich stets auf dem Wege von Kontroversen und ewig unabgeschlossen entwickelt, und dazu des intensiven parteiischen Engagements von Anhängern rivalisierender Auffassungen bedarf. 

Mein gesellschaftstheoretischer Wissensbegriff stützte sich demgegenüber auf die Erwartung einer geschlossenen, deterministischen und prästabilisierten Wissens-Ordnung, deren beste Resultate durch Regelkonformität und Enthaltsamkeit in Sachen Meinungsunterschiede zu erzielen waren. 

Mein Bruch mit dem klassischen  Liberalismus erfolgte als mir klar wurde, dass Freiheit, wie auch echte Wissenschaft, vom Wettbewerb der Anschauungen lebt. Wir müssen unsere unterschiedlichen, unsicheren und vergänglichen Standpunkte miteinander konfrontieren, um zu erkennen, nicht immer erfolgreich, wie wir uns praktisch besser stellen oder einen Sachverhalt verständiger durchdringen können.

Der intellektuelle Wettbewerb als Essenz von Freiheit und Wissenschaft ist selbst das Ergebnis evolutionärer Entwicklung, ebenso wie unser Geschick mit dem offenen Ausgang dieses Wettbewerbs umzugehen. Ein wichtiges Instrument von Freiheit und Wissenschaft ist das durchdachte, geplante, bewusste Reagieren auf die Zwischenergebnisse unserer Wissens-Suche. Die spontane Ordnung des menschlichen Wissensfortschritts beinhaltet das Element der Intervention.  

Dem aktiven Eingreifen in die Umstände unseres Miteinanders kommt grundsätzlich kein geringerer Rang zu als der Zurückhaltung beim eingreifenden Handeln. Es ist von Fall zu Fall unvoreingenommen zu entscheiden, ob Muster des Laissez Faire oder Strategien des detaillierten Lenkens wirkungsvoller sind. 

Vor allem bedenkt der epistemologische Liberale nicht, dass auch die Fähigkeit des Menschen, in die ihn umgebende Ordnung einzugreifen, ein Evolutionsprodukt der spontanen Ordnung ist, in der er sich bewegt. Wir haben uns zu Wesen entwickelt, die großes Geschick darin besitzen, ihre Umgebung nach ihren Plänen und Zielen zu beeinflussen. Interventionistisches Verhalten ist ein integraler Bestandteil der conditio humana.

Wie zahllose andere Anlässe, lehrt uns das Paradoxon der Sparsamkeit die Notwendigkeit koordinierten, kollektiven und sozialen Zwang ausübenden Verhaltens. 

Das Paradoxon besagt, dass es für das Individuum sinnvoll sein mag, zu sparen. Wenn aber alle (oder eine sehr große Anzahl an) Individuen (aus ihrer Sicht sinnvollerweise) sparen, entsteht ein schädlicher Effekt für die Gemeinschaft: es wird zu wenig ausgegeben, um die wirtschaftliche Aktivität ausreichend hoch zu halten für ein akzeptables Beschäftigungsniveau. Fazit: überlässt man Individuen bedingungslos ihrer Logik, können Probleme auftreten, die letzten Endes wieder negativ zurückschlagen auf die Individuen. Um diese Nachteile zu verhindern, bedarf es kollektiver Erwägung und kollektiver Handlungsweisen, die die persönliche Freiheit ergänzen und in gewissen Aspekten eben auch einschränken. 

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