Wednesday, 1 February 2017

Italien und der Euro

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Ich fasse einige Befunde und Hypothesen aus einem Artikel von Bill Mitchell über das Verhältnis der italienischen Politik zum EU-Projekt zusammen.

Vorauszuschicken ist, dass ich mich schwer tue mit Mitchells These, derzufolge die wirtschaftlich schwächeren Länder Europas dem EU-Projekt beigetreten sind, obwohl ihnen die ökonomischen Nachteile dieses Schritts bewusst waren. Genauer gesagt habe ich Probleme anzuerkennen, dass die betreffenden Entscheidungsträger diese Nachteile sehenden Auges in Kauf genommen haben — angeblich aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus — und zwar weil sie sich erhofften, die Zugehörigkeit zu einem größeren europäischen Projekt würde für die fehlende Selbstsicherheit sorgen, und vor allem für politische Stabilität in ihren Ländern und "sophistication", was immer letzteres bedeuten soll.

Am ehesten kann ich mir einen Reim darauf machen, dass die politische Elite Italiens sich von einer europäischen Polit- und Regierungsbürokratie ein höheres Maß an Abschottung vom eigenen Volk, dem lästigen Demos, und somit größere politische Stabilität, zumindest in ihrem Sinne, versprochen hat.

Während mir nicht klar ist, wieso nationale Eliten in geschlossener Formation eine wirtschaftliche Schwächung ihrer Heimat und damit doch ihrer wirtschaftlichen Basis willkommen heißen — dies doch höchstens, wenn sie in einem EU-Konstrukt eine sicherere Basis für ihre eigenen Interessen selbst erblicken, doch wie das? — überzeugt mich Mitchells Darstellung der völlig irre geleiteten, aber auf unserem Kontinent leider traditionsreichen Vision eines Europas ohne flexible Wechselkurse. Unzweifelhaft ist die Überwindung innereuropäischer Währungsschwankungen das Projekt, das die Eliten hartnäckig und kontinuierlich über große Zeiträume verfolgten, obwohl ein System starrer Währungskurse für den größten Teil der Länder Europas nur schädlich sein konnte.

So argumentiert denn Mitchell: 

Nach dem Zusammenbruch des Bretton Wood Regimes starrer, an das Gold gebundener Wechselkurse 1971, war es das Bestreben der europäischen Politik, Schwankungen zwischen den europäischen Valuta zu vermeiden.

Obwohl diese Versuche (etwa die EMS-Währungsschlange: der Versuch, die Währungen, der beteiligten Länder nicht stärker als einige wenige Prozent voneinander abweichen zu lassen) immer wieder scheiterten, da sie wegen der unterschiedlichen wirtschaftlichen Dynamik der einzelnen europäischen Länder, scheitern mussten, hielt man am "Ideal" schwankungsfreier Devisenkurse fest. 

Es war widersinnig, Länder unter einem Wechselkurs zusammenspannen zu wollen, die sich stark unterschieden in ihrer Inflationsresistenz, ihrem Produktivitätsniveau und ihrer außenwirtschaftlichen Stärke. 

Aber die politischen Ambitionen waren stärker als die wirtschaftliche Vernunft. 

Die Währungsschlange musst über kurz oder lang auseinander brechen. Eine der politischen Triebfedern dieser wirtschaftlichen Unmöglichkeit war die CAP (Common Agricultural Policy — die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) —, deren System einheitlicher Preise für Agrarprodukte in Europa durch divergierende Währungsentwicklungen in Frage gestellt wurde.

Wenn ein Land A von hoher Inflation, hohen Lohn- und Produktionskosten und niedriger Produktivität geplagt wird, verglichen mit Land B, aber mit diesem den gleichen Wechselkurs teilt, kann ein starrer oder sogar gleicher Wechselkurs nur zum Schaden von Land A sein.

Dessen waren sich die italienischen Eliten bewusst. Auf der anderen Seite herrschte die Angst, dass Italien hinter dem übrigen Europa zurückbleiben müsste, mit seiner Anfälligkeit für Korruption, seiner politischen Labilität, wegen der Macht der Linksparteien (damals noch einschließlich der sehr starken Kommunistischen Partei), dem schlechten Investitionsklima, sowie den hohen Preisen und Löhnen. Auch in Spanien, Portugal und Griechenland trieben ähnliche Ängste nicht nur die politischen Eliten sondern breite Bevölkerungsschichten  um.

Der Wunsch, sich einem demokratischen Europa anzuschließen, wurde kontaminiert durch das selbstzerstörerische Ziel einer gemeinsamen Währung (oder einer starken Bindung an die deutsche Leitwährung wie in der EMS-Schlange) — ein Ziel, das den deutschen Interessen entgegenkam und ideologisch Unterstützung durch den in den 1970er Jahren großen Auftrieb genießenden Monetarismus erfuhr — der Vorstellung das geldpolitische Steuerungsmaßnahmen wirkungsvoller sind als fiskalpolitische Strategien wie sie die Philsophie des keynesianischen des Nachfrage-Managements nahelegt. (Eine gemeinsame Währung ohne fiskalpolitische Infrastruktur für den neuen Währungsraum, erscheint dem vor allem auf die Geldpolitik setzenden Monetaristen durchaus praktikabel.)

Das EMS-Projekt (die Währungsschlange, der Vorläufer der Eurozone) beruhte auf der gleichen Täuschung wie der Euro: dass eine gemeinsame Währung(spolitik nahezu oder völlig starrer Wechselkurse) den Geist Europas verkörpere, wohingegen sie tatsächlich nur den Interessen einiger Länder Europas, vor allem Deutschlands, dient. 

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