Saturday, 7 January 2017

In welche Richtung zieht Chinas Wirtschaft?

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Betrachten wir zwei der drei möglichen Wege, die China einschlagen könnte — Boom und Stagnation. Letzterer erscheint am wahrscheinlichsten — ein langsamer Rückgang der Wachstumsrate der chinesischen Wirtschaft auf unter 3 % bis Ende des Jahrzehnts. 

(Den dritten Weg: einen Zusammenbruch in Gestalt einer schweren Finanzkrise halten wir nicht für wahrscheinlich, werden diese Möglichkeit aber an anderer Stelle ausführlicher behandeln).

Boom

Betrachten wir aber zuerst einmal die optimistische von den drei Prognosen und fragen uns, ob ihre euphorische Perspektive gerechtfertigt ist. Demgemäß sind mittelfristige bis langfristige Wachstumsraten von mindestens 5%, eher noch 6% - 7% zu erwarten und zwar wegen des enormen Nachholbedarfs der chinesischen Bevölkerung, der, wie manche argumentieren "praktisch unbegrenzt" sei.

China kann diese hohen Wachstumsraten unmöglich erzielen, weil — simpel gesagt — die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung einfach nicht genügend Geld hat, um einen auf verstärktem Konsum basierenden Wachstumsboom zu bewirken.

Die besonders hohe Spar-Quote Chinas (und seine deshalb, spiegelverkehrt, besonders niedrige Verbrauchs-Quote) — mit 50% des BIP die höchste der Welt — wird nicht dadurch erreicht, dass der durchschnittliche Arbeiter 50% seines Lohns auf die hohe Kante legt.

Vielmehr ist es so, dass wenn der durchschnittliche Arbeiter Waren im Wert von RMB 100 produziert,, bekommt er RMB 50 ausgezahlt, wovon er 15 auf die hohe Kante legt. Die anderen RMB 35, die zur hohen Spar-Quote Chinas beisteuern kommen vom Staat und von Unternehmen.

Der chinesische Arbeiter verdient einfach zu wenig, um einen Konsum-Boom auslösen zu können. Dazu ist der Anteil seines Lohn an dem, was er produziert, einfach zu gering. Es fehlen ihm einfach die Mittel, die Dinge, die er herstellt, in größerem Umfang (selbst zu erwerben und) zu konsumieren, als es ihm zurzeit möglich ist.

Was das Wirtschaftswachstum beschränkt ist nicht die Sparneigung des chinesischen Arbeiters, sondern der geringe Anteil des ihm zufließenden Einkommens (und somit des ihm möglichen Konsums) am BIP.

Weder die angeblich so viel verheißenden Perspektiven der "New Economy" (neue Geschäftsmodelle, die das Internet nutzen) noch Verbesserungen auf der Angebotsseite (erleichterte Geschäftsbedingungen für Unternehmer) können das erwünschte hohe Wirtschaftswachstum bewirken — solange nicht der Anteil der Einkommen der Arbeitnehmer am BIP in nennenswerter Höhe zunimmt.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie sich die derzeitigen, sehr hohen Wachstumsraten weiterhin erzielen lassen:

(1) Wenn die in China getätigten Investitionen alles in allem produktiv sind, d.h. der Wert der Vermögenswerte, die aufgrund dieser Investitionen entstehen, ist so groß wie der Wert der Verbindlichkeiten, die eingegangen werden mussten, um diese Investitionen durchzuführen, dann wäre die gegenwärtige Wachstumsrate in sofern reell, als sie durch echten Wertzuwachs und nicht durch übertriebene Verschuldung (schuldengetriebenes Wachstum durch Schaffung unproduktiver oder unzureichend produktiver Vermögenswerte) gestützt ist. Bei einem reellen Wachstum sind die getätigten Investitionen solcher Art, dass die für sie aufgenommenen Schulden durch die investiv geschaffene zusätzliche Produktivität/Produktionsleistung bedient werden können. In diesem Fall, ist das Wachstum auch nicht darauf angewiesen, das Investitionsvolumen auszuweiten.

Aber das ist nicht die Situation, die wir in China antreffen. Dort ist die Verschuldung in 2016 um 40%-45% des BIP gestiegen, wohingegen das nominelle BIP selbst nur um weniger als 8% angewachsen ist.

Das Wachstum ist darauf angewiesen, dass der Verschuldungsgrad kräftig wächst, ohne dass die damit finanzierten Projekte produktiv genug sind, um sich selbst zu finanzieren. Unproduktive Investitionen und damit der Schuldenberg müssen wachsen, damit das BIP wächst.

(2) Wenn allerdings in der Lage ist, einen Vermögenstransfer in Höhe von jährlich 3%-4% des BIP  weg vom (lokalen) staatlichen Sektor und hin zu den privaten Haushalten ins Werk zu setzen, dann kann es auch ein solides Wirtschaftswachstum von 5% oder mehr geben, auch ohne Investitionswachstum geben, ja selbst bei fallenden Investitionsvolumen.

Doch dieses Szenario ist äußerst unwahrscheinlich, weil es eine Art politisches Wunder voraussetzt. Der politisch mächtige Staatssektor müsste sich auf eine kräftige Selbstbeschneidung verständigen, oder aber mit Zuwendungen abgegolten werden, die das Projekt wieder seiner wirtschaftlichen Solidität berauben würde.

Stagnation

Dies ist das Szenario, das am wahrscheinlichsten erscheint: die Wachstumsrate wird über einen längeren Zeitraum, sagen wir, mehr als 10 Jahre, abnehmen, während Beijing allmählich das überhitzte Kreditwachstum zurückfährt und außerdem für einen moderaten, politisch eher zu bewerkstelligenden Vermögenstransfer in Höhe von 1%-2% des BIP sorgt.

Die Haushaltseinkommen sowie der Haushalts-Konsum werden schneller wachsen als das BIP, eben wegen des moderaten Vermögenstransfers zugunsten der Haushalte.

Entscheidend für die Höhe des Wirtschaftswachstums während dieser Anpassungsphase in China sind somit zwei Faktoren: die Höhe der Schulden / die Fähigkeit der Regierung, das übertriebene Niveau der Schulden abzubauen, und, zweitens, die Grad des Vermögenstransfers vom staatlichen Sektor zu den privaten Haushalten.

Quelle.

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