Thursday, 5 January 2017

Deutsche Überschuss-Ersparnisse und die Krise der Euro-Zone (3/3)

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Fortgesetzt von hier.




Freilich ist mit der Forderung nach geringeren deutschen Ersparnissen nicht gemeint, dass deutsche Familien künftig weniger sparsam sein sollen, sondern dass der durchschnittliche deutsche Haushalt, die Möglichkeit haben sollte, einen größeren Anteil an dem, was Deutschland produziert, für sich in Anspruch zu nehmen. Wenn Berlin die Verbrauchssteuern senken oder die Einkommensteuersätze für die unteren und mittleren Einkommens-Schichten herabsetzen oder eine Anhebung der Löhne erzwingen würde, so stiege der deutsche Gesamt-Konsum relativ zum BIP und es würde der entsprechende Anteil der volkswirtschaftlichen Ersparnisse sich absenken — und zwar, ohne dass man den deutschen Haushalten Abstriche an wirtschaftlich umsichtigen Verhalten abverlangen müsste.



Spanische Haushalte anzuhalten, etwas „deutscher“ zu sein, indem sie mehr sparen, wäre nicht nur unpraktisch in einer Wirtschaft mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit (ist es doch ziemlich schwierig für Arbeitslose, ihre Ersparnisse zu erhöhen), es wäre schlechterdings kontraproduktiv. Geringerer spanischer Konsum kann nur noch höhere Beschäftigungslosigkeit in Spanien bedeuten, solange bis Spanien schließlich dazu gezwungen ist, den Euro aufzugeben und seine Fähigkeit wiederzugewinnen, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, ob es deutsche Ungleichgewichte abweisen will oder geneigt ist, sie aufzufangen. Bemühungen um den Austritt aus der Euro-Zone werden durch den politischen Prozess vorangetrieben, da diejenigen in der Führung (beider [spanischer] Parteien), die sich weigern von einer möglichen Aufgabe des Euros zu sprechen, solange Stimmen an radikalere Parteien verlieren, bis sie es sich doch anders überlegen:






[Nichtsdestotrotz:] Ein Artikel im Economist [... im May 2013...] legt nahe, dass Spanien „deutscher“ zu werden scheint, was Anlass zu Hoffnung gebe:



Ist Spanien das nächste Deutschland? Es mag den 26% Spaniern, die arbeitslos sind, so nicht vorkommen. Das BIP verringerte sich um 0,8% im vierten Quartal 2012. Dennoch gleicht Spanien in mancherlei Hinsicht Deutschland, wie es sich vor einem Jahrzehnt präsentierte, als Gerhard Schröder Reformvorschläge einbrachte, die den kranken Mann Europas wieder in die stärkste Wirtschaft des Kontinents verwandeln sollten. Mariano Rajoys Bemühungen, das Arbeitsrecht zu lockern und die öffentlichen Ausgaben zu beschneiden, zielen in Richtung eines Wirtschaftswunders à la Deutschland.



...Joachim Fels, Chef-Ökonom bei Morgan Stanley, gehört zu denen, die die Deutschland-Theorie unterstützen. „Spanien unternimmt viele der Anstrengungen, die Deutschland vor zehn Jahren verfolgt hatte, doch dies in einer viel kürzeren Zeit und unter wesentlich schwierigeren weltwirtschaftlichen Bedingungen“, sagt er, und weist hin auf die fallenden Arbeitskosten, die steigenden Exporte und die boomenden Autofabriken in Spanien. Doch er fügt hinzu, „Es wäre schon eine Angelegenheit von zwei bis vier Jahren; bevor Spanien Deutschland werden kann“.



Die Globalen Beschränkungen



Was dieses Argument problematisch macht, ist, dass die weltweiten Bedingungen, die Deutschland in die Lage versetzten, dadurch zu wachsen, dass es seine Ersparnisse nach Spanien exportierte, einfach so nicht mehr bestehen. Sollte es Spanien gelingen, seine Arbeiter wettbewerbsfähiger zu machen, indes es den Lohnzuwachs relativ zum BIP reduziert, so würde es damit implizite die Spar-Quote erhöhen und Beschäftigung erzeugen. An wen würde Spanien diese Ersparnisse exportieren? Die Welt schwimmt in Überschuss-Ersparnissen. Anders als in der Zeit vor der Krise gibt es keine Länder mit boomenden Aktien- und Immobilienmärkten, die dazu bereitstünden, einen neuerlichen Konsumrausch zu finanzieren. Will sagen: Spanien und Europa erwarten offenbar, dass es ihnen möglich sein wird, ihre Arbeitslosigkeit zu exportieren. Doch an wen?



Genau das ist die große Sorge, die Martin Wolf in der Schlussfolgerung seines Artikels zum Ausdruck bringt:



Ein kräftiger negativer Schock bringt das Risiko mit sich, die niedrige Inflation in eine Deflation umzukehren. Das würde nur den Druck verschlimmern, der auf den Ländern lastet, die sich in der Krise befinden. Selbst wenn sie der Deflation entgehen, in der derzeitigen makroökonomischen Situation, ist die Hoffnung, dass sie ihren Schwierigkeiten dank gestiegener Nachfrage in der Euro-Zone und der Wiederherstellung des Gleichgewichts dort, entwachsen könnten, eine bloße Fantasie.


Dann bleibt nur noch die Wiederherstellung des Gleichgewichts kraft externer [außereuropäische Kräfte einschließender] Anpassungen. Laut IWF wird Frankreich der einzige große Mitgliedsstaat der Euro-Zone mit Leistungsbilanz-Defizit sein. Der IWF prognostiziert, dass bis 2018 jeder der derzeitigen Mitgliedsstaaten der Euro-Zone, mit Ausnahme Finnlands, ein Netto-Kapital-Exporter sein wird. Die Prognose besagt, dass die Euro-Zone als Ganzes einen Leistungsbilanz-Überschuss in Höhe von 2,5 Prozent des BIP ausweisen wird. Die Herstellung des Gleichgewichts durch Inanspruchnahme externer Nachfrage ist wohl, was man von einer Germanisch geprägten Euro-Zone erwarten wird.


Will man ermessen, wie große die sich dahinter verbergende Torheit ist, sollte man sich mit den Arbeiten befassen, die die Europäische Kommission über makroökonomische Ungleichgewichte vorlegt. Ihre Hauptmerkmale sind verräterisch. So betrachtet die Kommission ein Leistungsbilanz-Defizit von 4 Prozent des BIP als Anzeichen für ein Ungleichgewicht. Für Überschüsse lautet das Kriterium jedoch 6 Prozent. Ist es ein Zufall, dass diese Zahl dem deutschen Überschuss entspricht? Vor allem aber bleibt die Größe eines Landes unberücksichtigt bei der Bewertung seines Beitrags zu den Ungleichgewichten. Auf diese Weise wird die Rolle Deutschlands schlechterdings wegretouchiert. Doch Deutschlands Überschuss-Ersparnisse erzeugen gewaltige Probleme, wenn das Zinsniveau sich um Null bewegt. Dass davon abgesehen wird, macht diese Analyse der „Ungleichgewichte“ nahezu unvertretbar.


Versuche, die Euro-Zone dazu zu zwingen, den deutschen Anpassungsweg aus den 2000er Jahren einzuschlagen, würden gewichtige Konsequenzen nach sich ziehen. Für die Euro-Zone würde dies eine anhaltende Stagnation sehr wahrscheinlich machen, besonders in den krisengeschüttelten Ländern. Zudem zu beachten ist, dass wenn dieser Ansatz zu funktionieren begänne, würde er wahrscheinlich den Euro verteuern und so das Risiko einer Deflation erhöhen. Nicht zuletzt wäre der Übergang der Euro-Zone in eine Überschuss-Position ein kontraktiver Schock für die Weltwirtschaft. Wer sollte in der Lage sein, dies sowohl gutzuheißen als auch als nötiges Pendant aufzutreten?


Alles andere als eine kleine geschlossene Wirtschaft, stellt die Euro-Zone die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt dar. Sie ist zu groß und die externe Wettbewerbsfähigkeit ihrer schwächeren Mitgliedsstaaten ist zu fragil, als dass starke Verschiebungen in der Außenhandelsbilanz sich als machbare Strategien für den Ausgang aus der Krise durch Anpassung und Wachstum anbieten würden. Die Euro-Zone kann nicht darauf vertrauen, eine robuste Erholung zu bewerkstelligen von der Art, wie dies Deutschland in den wirtschaftlich schwungvollen 2000er Jahren möglich gewesen war. Ist dies erst einmal verstanden, werden die internen politischen Zwänge, die auf einen Wandel der Strategie drängen, überwältigend sein.



Solange jedoch Spanien Teil des Euros ist, bleibt ihm keine Wahl als sich nach den Änderungen der deutschen Spar-Quote zu richten. Dem haftet durchaus nichts Mysteriöses an. So funktionieren nun einmal die Mechanismen der Zahlungsbilanz, und Sparsamkeit hat mit alledem nichts zu tun. Sollte Deutschland keine Schritte unternehmen, um seine Spar-Quote herabzusetzen, indem es den BIP-Anteil der Haushalte erhöht, dann muss entweder ganz Europa wie Deutschland werden, in welchem Falle nur ein schleichendes Wirtschaftswachstum zu erwarten ist, indes ein anderes Land — vielleicht die USA — dazu gezwungen sein wird, die fehlende Nachfrage in Europa, entweder durch Arbeitslosigkeit oder durch stärkere Verschuldung aufzufangen, oder Europa wird auseinander brechen müssen, so dass Spanien und andere Länder der europäischen Peripherie sich freimachen können von den Ungleichgewichten, die ihnen durch Deutschland aufgebürdet werden.



Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Rest der Welt imstande ist, den Mangel an Nachfrage aufzufangen, der ein Germanisches Europa plagt. Wenn Europa dies jedoch zu forcieren versucht, können wir ziemlich sicher ein, dass das Ergebnis ein Zusammenbruch der Handelsbeziehungen sein wird. Also entweder verhält sich Deutschland so, dass das Gleichgewicht [in Europa] wieder hergestellt wird, oder Europa bricht auseinander. Andere Optionen sind kaum zu erkennen.

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