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Fortgesetzt von hier.
Freilich ist mit der Forderung
nach geringeren deutschen Ersparnissen nicht gemeint, dass deutsche Familien künftig
weniger sparsam sein sollen, sondern dass der durchschnittliche deutsche
Haushalt, die Möglichkeit haben sollte, einen größeren Anteil an dem, was
Deutschland produziert, für sich in Anspruch zu nehmen. Wenn Berlin die
Verbrauchssteuern senken oder die Einkommensteuersätze für die unteren und
mittleren Einkommens-Schichten herabsetzen oder eine Anhebung der Löhne
erzwingen würde, so stiege der deutsche Gesamt-Konsum relativ zum BIP und es
würde der entsprechende Anteil der volkswirtschaftlichen Ersparnisse sich
absenken — und zwar, ohne dass man den deutschen Haushalten Abstriche an
wirtschaftlich umsichtigen Verhalten abverlangen müsste.
Spanische Haushalte anzuhalten,
etwas „deutscher“ zu sein, indem sie mehr sparen, wäre nicht nur unpraktisch in
einer Wirtschaft mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit (ist es doch ziemlich
schwierig für Arbeitslose, ihre Ersparnisse zu erhöhen), es wäre
schlechterdings kontraproduktiv. Geringerer spanischer Konsum kann nur noch
höhere Beschäftigungslosigkeit in Spanien bedeuten, solange bis Spanien
schließlich dazu gezwungen ist, den Euro aufzugeben und seine Fähigkeit
wiederzugewinnen, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, ob es deutsche
Ungleichgewichte abweisen will oder geneigt ist, sie aufzufangen. Bemühungen um
den Austritt aus der Euro-Zone werden durch den politischen Prozess
vorangetrieben, da diejenigen in der Führung (beider [spanischer] Parteien),
die sich weigern von einer möglichen Aufgabe des Euros zu sprechen, solange
Stimmen an radikalere Parteien verlieren, bis sie es sich doch anders
überlegen:
[Nichtsdestotrotz:] Ein Artikel
im Economist [... im May 2013...] legt nahe, dass Spanien „deutscher“ zu werden
scheint, was Anlass zu Hoffnung gebe:
Ist Spanien
das nächste Deutschland? Es mag den 26% Spaniern, die arbeitslos sind, so nicht
vorkommen. Das BIP verringerte sich um 0,8% im vierten Quartal 2012. Dennoch
gleicht Spanien in mancherlei Hinsicht Deutschland, wie es sich vor einem
Jahrzehnt präsentierte, als Gerhard Schröder Reformvorschläge einbrachte, die
den kranken Mann Europas wieder in die stärkste Wirtschaft des Kontinents
verwandeln sollten. Mariano Rajoys Bemühungen, das Arbeitsrecht zu lockern und
die öffentlichen Ausgaben zu beschneiden, zielen in Richtung eines
Wirtschaftswunders à la Deutschland.
...Joachim
Fels, Chef-Ökonom bei Morgan Stanley, gehört zu denen, die die
Deutschland-Theorie unterstützen. „Spanien unternimmt viele der Anstrengungen,
die Deutschland vor zehn Jahren verfolgt hatte, doch dies in einer viel
kürzeren Zeit und unter wesentlich schwierigeren weltwirtschaftlichen
Bedingungen“, sagt er, und weist hin auf die fallenden Arbeitskosten, die
steigenden Exporte und die boomenden Autofabriken in Spanien. Doch er fügt
hinzu, „Es wäre schon eine Angelegenheit von zwei bis vier Jahren; bevor
Spanien Deutschland werden kann“.
Die Globalen Beschränkungen
Was dieses Argument problematisch
macht, ist, dass die weltweiten Bedingungen, die Deutschland in die Lage
versetzten, dadurch zu wachsen, dass es seine Ersparnisse nach Spanien
exportierte, einfach so nicht mehr bestehen. Sollte es Spanien gelingen, seine
Arbeiter wettbewerbsfähiger zu machen, indes es den Lohnzuwachs relativ zum BIP
reduziert, so würde es damit implizite die Spar-Quote erhöhen und Beschäftigung
erzeugen. An wen würde Spanien diese Ersparnisse exportieren? Die Welt schwimmt
in Überschuss-Ersparnissen. Anders als in der Zeit vor der Krise gibt es keine
Länder mit boomenden Aktien- und Immobilienmärkten, die dazu bereitstünden,
einen neuerlichen Konsumrausch zu finanzieren. Will sagen: Spanien und Europa
erwarten offenbar, dass es ihnen möglich sein wird, ihre Arbeitslosigkeit zu
exportieren. Doch an wen?
Genau das ist die große Sorge,
die Martin Wolf in der Schlussfolgerung seines Artikels zum Ausdruck bringt:
Ein kräftiger
negativer Schock bringt das Risiko mit sich, die niedrige Inflation in eine
Deflation umzukehren. Das würde nur den Druck verschlimmern, der auf den
Ländern lastet, die sich in der Krise befinden. Selbst wenn sie der Deflation
entgehen, in der derzeitigen makroökonomischen Situation, ist die Hoffnung,
dass sie ihren Schwierigkeiten dank gestiegener Nachfrage in der Euro-Zone und
der Wiederherstellung des Gleichgewichts dort, entwachsen könnten, eine bloße
Fantasie.
Dann bleibt
nur noch die Wiederherstellung des Gleichgewichts kraft externer
[außereuropäische Kräfte einschließender] Anpassungen. Laut IWF wird Frankreich
der einzige große Mitgliedsstaat der Euro-Zone mit Leistungsbilanz-Defizit
sein. Der IWF prognostiziert, dass bis 2018 jeder der derzeitigen
Mitgliedsstaaten der Euro-Zone, mit Ausnahme Finnlands, ein
Netto-Kapital-Exporter sein wird. Die Prognose besagt, dass die Euro-Zone als
Ganzes einen Leistungsbilanz-Überschuss in Höhe von 2,5 Prozent des BIP
ausweisen wird. Die Herstellung des Gleichgewichts durch Inanspruchnahme
externer Nachfrage ist wohl, was man von einer Germanisch geprägten Euro-Zone
erwarten wird.
Will man
ermessen, wie große die sich dahinter verbergende Torheit ist, sollte man sich
mit den Arbeiten befassen, die die Europäische Kommission über makroökonomische
Ungleichgewichte vorlegt. Ihre Hauptmerkmale sind verräterisch. So betrachtet
die Kommission ein Leistungsbilanz-Defizit von 4 Prozent des BIP als Anzeichen
für ein Ungleichgewicht. Für Überschüsse lautet das Kriterium jedoch 6 Prozent.
Ist es ein Zufall, dass diese Zahl dem deutschen Überschuss entspricht? Vor
allem aber bleibt die Größe eines Landes unberücksichtigt bei der Bewertung
seines Beitrags zu den Ungleichgewichten. Auf diese Weise wird die Rolle
Deutschlands schlechterdings wegretouchiert. Doch Deutschlands
Überschuss-Ersparnisse erzeugen gewaltige Probleme, wenn das Zinsniveau sich um
Null bewegt. Dass davon abgesehen wird, macht diese Analyse der
„Ungleichgewichte“ nahezu unvertretbar.
Versuche, die
Euro-Zone dazu zu zwingen, den deutschen Anpassungsweg aus den 2000er Jahren
einzuschlagen, würden gewichtige Konsequenzen nach sich ziehen. Für die
Euro-Zone würde dies eine anhaltende Stagnation sehr wahrscheinlich machen,
besonders in den krisengeschüttelten Ländern. Zudem zu beachten ist, dass wenn
dieser Ansatz zu funktionieren begänne, würde er wahrscheinlich den Euro
verteuern und so das Risiko einer Deflation erhöhen. Nicht zuletzt wäre der
Übergang der Euro-Zone in eine Überschuss-Position ein kontraktiver Schock für
die Weltwirtschaft. Wer sollte in der Lage sein, dies sowohl gutzuheißen als
auch als nötiges Pendant aufzutreten?
Alles andere
als eine kleine geschlossene Wirtschaft, stellt die Euro-Zone die zweitgrößte
Volkswirtschaft der Welt dar. Sie ist zu groß und die externe
Wettbewerbsfähigkeit ihrer schwächeren Mitgliedsstaaten ist zu fragil, als dass
starke Verschiebungen in der Außenhandelsbilanz sich als machbare Strategien
für den Ausgang aus der Krise durch Anpassung und Wachstum anbieten würden. Die
Euro-Zone kann nicht darauf vertrauen, eine robuste Erholung zu bewerkstelligen
von der Art, wie dies Deutschland in den wirtschaftlich schwungvollen 2000er
Jahren möglich gewesen war. Ist dies erst einmal verstanden, werden die
internen politischen Zwänge, die auf einen Wandel der Strategie drängen,
überwältigend sein.
Solange jedoch Spanien Teil des
Euros ist, bleibt ihm keine Wahl als sich nach den Änderungen der deutschen
Spar-Quote zu richten. Dem haftet durchaus nichts Mysteriöses an. So
funktionieren nun einmal die Mechanismen der Zahlungsbilanz, und Sparsamkeit
hat mit alledem nichts zu tun. Sollte Deutschland keine Schritte unternehmen,
um seine Spar-Quote herabzusetzen, indem es den BIP-Anteil der Haushalte
erhöht, dann muss entweder ganz Europa wie Deutschland werden, in welchem Falle
nur ein schleichendes Wirtschaftswachstum zu erwarten ist, indes ein anderes
Land — vielleicht die USA — dazu gezwungen sein wird, die fehlende Nachfrage in
Europa, entweder durch Arbeitslosigkeit oder durch stärkere Verschuldung aufzufangen,
oder Europa wird auseinander brechen müssen, so dass Spanien und andere Länder
der europäischen Peripherie sich freimachen können von den Ungleichgewichten,
die ihnen durch Deutschland aufgebürdet werden.
Ich kann mir nicht vorstellen,
dass der Rest der Welt imstande ist, den Mangel an Nachfrage aufzufangen, der
ein Germanisches Europa plagt. Wenn Europa dies jedoch zu forcieren versucht,
können wir ziemlich sicher ein, dass das Ergebnis ein Zusammenbruch der
Handelsbeziehungen sein wird. Also entweder verhält sich Deutschland so, dass
das Gleichgewicht [in Europa] wieder hergestellt wird, oder Europa bricht
auseinander. Andere Optionen sind kaum zu erkennen.
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