Saturday 5 January 2019

James Joyce — The Genuine and the Stilted — James Joyce, Echtes und Gewolltes

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A post in English and German.


Im Bücherregal hinter mir befindet sich eine Ausgabe von Ulysses von James Joyce. Gestern habe ich einmal kurz hineingeschaut, eine Passage gelesen – einen viel zu langen, wiewohl fein gedrechselten Satz.

Es ist bestimmt mehr als zwei Jahre her, dass ich Ulysses gelesen habe, bis ich nicht mehr konnte. Ich wurde so traurig bei der Lektüre.

Joyce ist wirklich einer der besten, vielleicht der beste Schriftsteller englischer Sprache, den ich je gelesen habe. Dieses Können ist die Konstante seines Werks – Finnegan's Wake vielleicht ausgenommen, dieses Buch habe ich nicht gelesen – und zugleich dessen Tragödie.

In den Werken, die mir gefallen haben, – Stephen Hero, Portrait of the Artist und The Dubliners – findet man sich eingetaucht in eine Stimmung, man ist Teil von ihr, du wanderst durch einen geschriebenen Film. Man hat nicht das Gefühl, es werde einem eine Botschaft verabreicht. Vielleicht ist das Geschehen unbedeutend. Selbst wenn es so wäre – es tut nichts zur Sache, so intensiv ist das Erlebnis. Die Erfahrung selbst bestimmt den Grad ihrer Bedeutsamkeit. Wie ein Besuch am Badeweiher. Du bist Kind. Das Treiben ist an und für sich ohne Bedeutung, millionenfach neu aufgeführt, sogar trivial. Aber es bleiben Erinnerungen, die für dich einmalig sind, ein lebenlang Gewicht besitzen. Bis heute. Der Geruch einer Badekappe aus Kunststoff. Die ungeduldige Frau, die sich in Anwesenheit meiner schockierten Mutter vor uns Kindern umzieht.

Der frühe Joyce ist ein Meister dieser maßgeblichen Eindrücke, der Authentizität des Bleibenden.

Stephen Hero zu lesen ist einer Meditation teilhaftig zu werden. Die Lektüre bewirkt eine Vervielfachung des eigenen Lebens, eine Erweiterung durch Teilhabe an Ausschnitten aus dem Leben anderer Menschen. Kunstvoll geschrieben, meisterlich präsentiert, weil es völlig echt ist, wirkliches Dasein, in das man sich einschaltet, mit dem man verschmilzt, obwohl es nicht Teil des eigenen Lebens ist.

Lector in fabula, der Zaubertrick, den Leser mitten in die Erzählung zu stellen, ihn mit ihr zu umgeben als sei das erzählte Dasein das eigene – das ist höchste Kunst. 

Demgegenüber wirkt Ulysses gewollt, gekünstelt, ja verschmutzt, weil der Autor sein reines Talent mit Aufgesetztem und Unpassenden vermischt.

Da ist das Ärgernis, dass Vieles in diesem Buch einfach unverständlich ist – vermutlich, weil man nicht Insider des damaligen Dublins ist. Du weißt oftmals buchstäblich nicht, wovon die Rede ist, so schön und klar die Sätze auch sind. Und wenn man dann wieder versteht, worum es geht, wenn die Mosaiksteinchen ein Muster ergeben, erkennt man, kaum, dass man es sich einzugestehen wagt, dass hier ein Waschweib – ich meine den leibhaftigen Autor – auf höchstem sprachlichem Niveau gewöhnlichsten Dubliner Tratsch drischt. Mehr steckt nicht dahinter.

Wenn man bedenkt, wie sehr Joyces Familien leiden musste, damit er diesen Trivialroman ganz eigener Trivialität schreiben konnte – umso schlimmer.

Mehr von mir über James Joyce hier: A Saturday Evening Meditation: Dubliners — James Joyce

English summary:

I am fond of the early James Joyce, the author of Stephen Hero, Portrait of the Artist as a Young Man and The Dubliners. His mastership lies in the incomparable authenticity of the scenes that Joyce invokes in these books. The product of his writings is entirely natural. This immediacy is the most powerful attainment of his literature. In Ulysses, Joyce appears to be eager to add something over and above the natural sites that used to spring from his writing. (No longer a lean kind of literature,) Ulysses is bloated with unclear references, presumably to be unlocked, if at all, by the contemporary Dubliner of 1904. When in the early Joyce everything was so lucent to the reader that you would feel literally like lector in fabula, totally emerged in the atmosphere and the goings-on, Ulysses keeps the reader at a distance only too frequently. When you are back in the picture, you begin to suspect more and more that something trivial is being pursuit, until the failure is sadly manifest: Joyce is using his masterful language to engage in the fishwives' gossip of the day. Language and meaning are dissonant. The thrill of finding oneself miraculously emerged in another life as if it were your own has gone.

To think what hardship his family had to undergo for him to perpetrate this elaborate aberration from the most engagingly consonant films the artist as a young man used to shoot with his language.

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