Saturday, 10 September 2016

FV (7) — Das Versagen der Theorie vom Marktversagen

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Über FV.


Meine Leserinnen und Leser sind herzlich eingeladen, sich Gedanken darüber zu machen, warum ich inzwischen die Hauptaussagen des nachstehenden Artikels für falsch halte:




Jedes Zeitalter hat seine folgenschweren Voreingenommenheiten. Eine Befangenheit, die unser Zeitalter prägt, besteht in der Vorstellung, dass wir permanent bedroht sind (durch das Versagen) von Märkten.
Und so gibt es ein großes Angebot an volkstümlichen und förmlicheren Darstellungen dieses Bildes von Märkten.

Wenn falsche Theorien von genügend Menschen geteilt werden, können sie zu einer Kommunikationsform werden, bei der der Austausch gleicher Überzeugungen Anerkennung als Beweisverfahren findet.

Es gibt auch “wissenschaftliche” Theorien, die ganzen gesellschaftlichen Bereichen, besonders der Wirtschaft, Versagen nachweisen zu können glauben, und meist den Staat als berufen und befähigt ansehen, diese Defekte zu beheben oder ihre Folgen auszugleichen. Die irrigen Versagensvorwürfe haben die gleiche Ursache wie die unberechtigte Erwartung, dass der Staat überlegene Alternativen anbieten könne: Die Unfähigkeit, ökologisch, also in den Dimensionen selbstordnender Prozesse zu denken, und die entsprechende Vorliebe, in einfachen, anthropomorphen Kategorien zu argumentieren, wonach Ordnung nur herrschen kann, wo vernunftbegabte Wesen für sie sorgt. Doch dies ist ein Thema für gesonderte Beiträge zu diesem Blog.

Zurück zum Marktversagen:

Es gibt kein Marktversagen, sondern nur ein Versagen, dass in der fehlenden Bereitschaft besteht, nüchtern anzuerkennen, dass Märkte nicht Leistungen erbringen können, die außerhalb der Möglichkeiten ihrer Funktionsweise liegen.

Wenn der Markt außerstande ist, dafür zu sorgen, dass die Nachbarstochter in Liebe zu Herrn Müller entbrennt, so liegt hier nicht Marktversagen vor, sondern ein Fall von funktionaler Unzuständigkeit.

Den Vorwurf des Marktversagens trifft man meist in drei Varianten oder in Vermischungen dieser Varianten an:

(1) Die erste Variante vergleicht das gleichgewichtstheoretische Zerrbild “vollkommener Märkte”, in denen es weder Raum noch Zeit, dafür aber allwissende Marktteilnehmer gibt, mit dem wirklichen Marktgeschehen und verzeichnet die sich ergebenden Abweichungen per definitionem als Nachweis des Marktversagens.

(2) Die zweite Variante nimmt wirtschaftliche Krisen zum Anlass, das Versagen von Märkten zu beklagen, vergisst jedoch den Umstand zu berücksichtigen, dass die Krisen nicht der Logik einer Tauschwirtschaft entspringen, sondern zahllosen Eingriffen der Politik in die Wirtschaft anzulasten sind.

(3) Die dritte Variante, häufig mit den beiden anderen Varianten vermischt, propagiert ein politisches Ideal (z.B. ein angeglichenes Wohlstandsniveau zwischen reichen Ländern und solchen der Dritten Welt) und deklariert Abweichungen vom Postulat als Marktversagen.

Die große Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten begann sich zusammenzubrauen als die Politik ein (geringfügiges, sehr punktuell lokales, seinerseits politisch herbeigeführtes) Problem, das (landesweit) nicht bestand, zu einer dringlichen Herausforderung für die Nation erklärte: affordable housing – bezahlbares Wohnen. Daraufhin wurden jahrzehntelang massive politische Verzerrungen an der Wirtschaft im Stile einer planwirtschaftlichen Großkampagne vorgenommen (vom politisch korrekten Verbot der Kreditwürdigkeitsprüfung für Antragsteller mit geringer Bonität bis zur (effektiv) staatlichen Absicherung zweifelhafter Kredite en gros), bis schließlich der politisch orchestierte housing bubble zusammenbrach und allen klar war: “Marktversagen”!

Da Märkte auf Prozessen beruhen, die dem flüchtigen und vordergründigen Denken eines Gesellschaftsbildes auf dem Niveau von Illustriertenwissen unzugänglich sind, ist die Nachfrage nach Schlussfolgerungen, die Marktversagen attestieren, überwältigend, selbst erhaltend und unerschöpflich.



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