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Minsky — den Namen hat man schon gehört. Hat irgendetwas mit
dem Crash zu tun. Hier ein kurzer Abriss, in dem ich mich mit diesen folgenden Fragen in zwei Folgen
Fragen befasse: Was ist Minskys Botschaft? Wie ist sie zu bewerten?
Minskys Botschaft
Die im Jahre 2007 einsetzende Große Finanzkrise wird mitunter als eine Bestätigung des analytischen Scharfsinns von Hyman Minsky angesehen.
Die im Jahre 2007 einsetzende Große Finanzkrise wird mitunter als eine Bestätigung des analytischen Scharfsinns von Hyman Minsky angesehen.
Die Vorhersage einer heftigen Finanzkrise folgt zwingend aus dem
Kernstück von Minskys Denken—der Instabilitätsthese. Diese besagt, dass gerade gesunde
wirtschaftliche Verhältnisse und eine dauerhaft stabile Entwicklung der
Wirtschaft paradoxerweise den Boden für Strömungen und Veränderungen bereiten,
die auf zunehmende Instabilität zusteuern.
Stabilität gebiert Instabilität.
Jahre und Jahrzehnte der Blüte, des Erfolgs, der Gewöhnung an gute und sichere
Zeiten, verleiten uns zu einem schleichenden Wahrnehmungswandel, im Zuge dessen
sich die Standards verschieben, an denen sich unsere Sensibilität für Wagnis,
unser Bedürfnis nach Besonnenheit, der Ehrgeiz unserer Erwartungen ausrichten.
Mit der Sichtweise ändert sich das Verhalten; neue Gepflogenheiten bürgern sich
ein; es verändern sich die Institutionen, die unser Leben prägen—eine Welt
neuer Selbstverständlichkeiten bricht heran.
Was man vor langer Zeit noch als
unerträglich riskant gemieden hätte, funkelt inzwischen im freundlichen Licht, in dem
die Errungenschaften und die kühnen Zeichen einer neuen Zeit erstrahlen.
Unbemerkt bleiben die Risse, aus denen Spannungslinien werden und eines Tages
Abgründe. Erfolg und Substanz, über Jahrzehnte gewaltig angewachsen, halten
ebenso große Belastungen aus. Der Puffer des Wohlstands und die Dynamik des
Fortschritts machen es nicht immer leicht, die Übertreibung, den Unterschied
zwischen Chance und Zockerei wahrzuhaben. Dann plötzlich der Krach — the Minsky
Moment.
Minskys Theorie fokussiert auf den Finanzsektor einer
kapitalistischen Wirtschaft. Sie sieht diesen Bereich sich in einem doppelten
Lebenszyklus entfalten—dem einfachen Minsky-Zyklus und dem Super-Minsky-Zyklus.
Der einfache Minsky-Zyklus (4 bis 8 Jahre) bezieht sich auf die Art der
Finanzierung, die Gestaltung von Finanzinstrumenten sowie die Bedingungen, die
zu finanzwirtschaftlicher „Fragilität“ führen, sprich zur Aushöhlung der Qualität von Haushalts- und
Unternehmens-Bilanzen. Der Erosionsablauf nimmt seinen Anfang in einer durch
„hedge finance“ gekennzeichneten Phase, in der die erwarteten Einnahmen der
Schuldner als ausreichend eingeschätzt werden, sowohl den Kapitalanteil als
auch die Zinsen eines Kredits zu bedienen. In der folgenden Phase, bezeichnet
als „speculative finance“, sind nur noch die Zinsen durch Einnahmen gedeckt.
Und in der Schlussphase, „Ponzi finance“ genannt, stützt man sich auf
Kapitalgewinne, um den Schuldendienst zu leisten.
Dem einfachen Minsky-Zyklus liegt eine psychologische Betrachtungsweise
zugrunde: die Akteure zeichnen sich durch zunehmenden Optimismus aus, der sie
dazu bewegt, Vermögenswerte und den künftigen Zufluss der Einnahmen mit großer
Zuversicht zu bewerten, und ihre Risikotoleranz in der Erwartung zu erhöhen,
dass sich „die fetten Jahre“ auf unabsehbare Zeit fortsetzen. Von diesem
Optimismus sind sowohl Schuldner als auch Gläubiger ergriffen, was zur Folge
hat, dass die disziplinierende Wirkung der Märkte, an denen sie sich begegnen,
eine fortschreitende Schwächung erleidet.
Der grassierende Optimismus schlägt sich auch darin nieder, dass sich mit
der Verlängerung konjunktureller Episoden die Vorstellung vom „Tod der
Konjunkturzyklen“ immer stärker breit macht. In den 1990er Jahren vernahm man
die These von der „New Economy“, in der man die Konjunkturschwankungen
verdrängt wähnte durch ein fortwährendes Wachstum der Produktivität. In den
2000er Jahren war die Rede von der „Great Moderation“, einer These, wonach es
den Zentralbanken gelungen war, das Auf und Ab der Konjunktur mittels
geldpolitischer Maßnahmen zu bezwingen, die
angeblich einem verbesserten Verständnis der Wirtschaft zu verdanken
waren. Ein Anzeichen für den einfachen Minsky-Zyklus, sind diese Meme
hochgradig virulent, erfassen alle, auch maßgebliche Persönlichkeiten der
Aufsichtsbehörden und der Wirtschaftspolitik. 2004 bekannte sich z.B. Ben
Bernanke, Chef der Federal Reserve, zur These von der „Great Moderation“, der
großen Beruhigung der Finanzmärkte.
Der einfache Minsky-Zyklus ist in jedem Konjunkturzyklus anzutreffen. Ergänzt
wird er durch den Super-Minsky-Zyklus, dessen Aufbau sich über mehrere
Konjunktur-Kämme, also über Jahrzehnte, erstreckt. Der Super-Minsky-Zyklus stellt einen Prozess dar,
der Unternehmen verändert, die Konventionen, die sich auf wichtige
Entscheidungen der Geschäftsleute und der Politik auswirken, die grundlegenden
Strukturen, einschließlich des Bereichs der Aufsichtsbehörden, welche
maßgeblich sind für die Gestaltung, die Steuerung, und die Überwachung von Märkten. Diese
Strukturen, Minsky nennt sie „thwarting institutions“ — „konterkarrierende
Institutionen“ — sind von entscheidender Bedeutung für die Stabilität
kapitalistischer Volkswirtschaften.
Dieser Prozess der Aushöhlung und Umgestaltung erstreckt sich über mehrere
Konjunktur- und einfache Minsky-Zyklen. Die beiden Typen von Minsky-Zyklen
laufen gleichzeitig ab, so dass Erosion und Metamorphose sich kontinuierlich
von Zyklenkamm zu Zyklenkamm fortsetzt. Eine schwere, das Überleben des Systems
bedrohende Finanzkrise bricht erst dann über die Wirtschaft herein, wenn der
Super-Minsky-Zyklus genügend Zeit hatte, die „konterkarierenden Institutionen“
grundlegend zu unterminieren. Bis dahin erleidet die Wirtschaft eine Abfolge
von Auf- und Abschwüngen, die von geringerer Tragweite sind. Hat eine Krise
großen Stils die Wirtschaft schließlich erfasst, bricht eine Periode heran, in
der die „konterkarierenden Institution“ Erneuerung mit neuen, wirkungsvolleren
Regeln und Vollzugsorganen erfahren.
Man kann den Super-Minsky-Zyklus als den Korridor ansehen, durch den mehr
und mehr Finanzrisiken in das Wirtschaftssystem eingelassen werden—und zwar vor
allem auf zweierlei Weise, durch aufsichtsrechtliche Entspannung („regulatory
relaxtion“) und durch erhöhte Risikobereitschaft. Auf diesem Wege steigen sowohl die Nachfrage nach als auch das Angebot an Risiken.
Die „aufsichtsrechtliche Entspannung“ erfolgt in drei Dimensionen.
Erste Dimension: Sie wirkt durch
„regulatory capture", d.h. durch „Kapern“, sprich Anwerben und Sich-Gewogen-Machen der
Aufsichtsbehörden oder deren Eingewöhnung in das erwünschte neue Regime. Dies führt dazu, dass die Einrichtungen, die dazu dienen sollen, die Ausbreitung übertriebener
Risiken zu verhindern, sich in die Ambitionen, Interessen und Handlungsneigungen der zu beaufsichtigenden Akteure
verstricken oder auf andere Weise geschwächt werden. Die vergangenen 30 Jahre
legen beredtes Zeugnis von der Vereinnahmung der Aufsichtsbehörden — der
US-Zentralbank, dem Finanzministerium oder der Securities and Exchange
Comission — durch das von ihnen zu beaufsichtigende Klientel ab.
Eine zweite Dimension erleben wir in Gestalt des “regulatory relapse” — der
Neigung von Aufsichtsbehörden, gewissermaßen rückfällig zu werden, indem sie das
Opfer von "Gedächtnisschwund" oder der gefälligen Umdeutung geschichtlicher Erfahrungen
werden. Auch sie, wie andere Gesellschaftsteilnehmer, sind nicht davor gefeit,
die Lektionen der Vergangenheit zu vergessen und der Rhetorik des Zeitgeists zu
erliegen. Dies und ideologische Neuerscheinungen veranlassen sie Bestimmungen
auszuweichen im Glauben, dass die Umstände sich gewandelt und der Zweck, sie
aufrechtzuerhalten, gegenstandlos oder weniger triftig geworden ist. In diesem
Zusammenhang haben Ökonomen mit ihren Theorien über „the Great Moderation“ und
die Wirksamkeit selbstregulierender Arrangements beträchtlichen Einfluss geübt
Eine dritte Dimension betrifft “regulatory cescape”, die Erhöhung von
Risiken durch Umgehung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen mit Hilfe von
innovativen Finanzprodukten und Praktiken, an die nicht zu denken war als die
geltenden Regelungen beschlossen worden waren.
Parallel zu den geschilderten Strategien der Vereinnahmung, Entspannung und
Umgehung des aufsichtsrechtlichen Zugriffs ist zu beobachten, dass sich auch die Schuldner
für ihren Teil erhöhten Risiken aussetzen. Erstens, Finanzinnovationen gestatten es Schuldnern,
sich einen größeren Umfang an Verbindlichkeiten aufzuladen. Man denke an home
equity Kredite (ohne Eigenbeteiligung) oder Hypotheken, die so ausgestaltet
sind, dass zunächst verhältnismäßig niedrige Zinsen zu zahlen sind, bevor dann
in späteren Jahren, die Zinsforderungen stark ansteigen.
Zweitens, auch Marktteilnehmern schwindet die Erinnerung an warnende
Episoden aus der Vergangenheit — so wurden diejenigen, die die 1930er erlebt und es gelernt hatten, mit Aktienengagements vorsichtig zu sein,
abgelöst durch die Baby Boomer, welche sich zu enthusiastischen Aktienbesitzern
entwickeln sollten.
Fortgesetzt hier.
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