Tuesday, 12 July 2016

Keynes verstehen (1) — Ein reizvolles Versprechen von Glaubwürdigkeit

Image credit. Welcome to the club.


Schwarz-weiße Schatten

Freunde und Gegner des Markts stehen sich spinnefeind gegenüber. Den scharf gezogenen Gegensatz zwischen freiem Markt und zügelnder Wirtschaftspolitik empfinde ich als unglaubwürdig. Beide Lager überziehen. Es scheint als wären die Kontrahenten Opfer eines politischen Zwangs zur Einseitigkeit. Der Eifer des Markt-Kritikers macht ihm zum Markt-Gegner. Der Marktwirtschaftler duldet keinen Zweifel an der Wohltätigkeit der frei wirkenden Kräfte. Gleichgültig welcher Richtung die Adepten angehören, sie scheinen sich zu einer pauschalen Aversion verpflichtet zu fühlen—die einen gegenüber "dem Markt", die anderen gegenüber "Eingriffen in den Markt".

Dabei ist "der" Markt ein Gebilde, das es in Reinform niemals geben kann. Schließlich umspannt "der" Markt ein vielschichtiges Geschehen, das ohne äußeres Einwirken weder in Gang kommt noch Bestand haben kann. Beileibe nicht alle Interventionen sind schädlich. Die löblichen Merkmale von Märkten entspringen letztlich immer einem Zutun von Außen. Und so beruhen die Feindbilder, die ihre Freunde und Gegner entzweien, oftmals nur auf Einbildungen. Sie sind Spiegelungen von Interessen, geistigen Vorlieben und Irrtümern. Im Getriebe der Zwistigkeiten werden aus Zusammenhängen Teilstücke herausgebrochen und zu Gegensätzen neu komponiert. Phantasien bemächtigen sich der Wirklichkeit. Und verändern sie.

Für die Einen ist das Leistungsvermögen der Wirtschaft eine Selbstverständlichkeit—wenn sie nicht gar in Abrede gestellt wird—und das ganze Augenmerk gilt dem Übel, das sich angeblich durch sie verwirklichen soll. Für die Anderen lässt das Staunen und Frohlocken über die Wunder der Wirtschaft keinen Raum für eine kritische Bestandsaufnahme ihrer Grenzen, Fehler und schädlichen Nebeneffekte. Ist für die Einen alles gut, so ist für die Anderen alles schlecht.

Keynes' Reiz

John Maynard Keynes ist mir als eine Stimme aufgefallen, die aus dem Chor der einseitigen Schlachtenrufe mit ganz eigenem Klang herauszuhören ist. Er scheint mir das eigentümliche Exemplar eines Denkers zu sein, der sich durch sein Bekenntnis zum Kapitalismus verpflichtet sieht, diesen unvoreingenommen und schonungslos kritisch in Augenschein zu nehmen. Keynes' Haltung enthält ein reizvolles Versprechen von Glaubwürdigkeit. Freilich sind das einstweilen nur Vorschusslorbeeren.

Schauen wir uns den Mann einmal etwas genauer an.

Fortgesetzt hier.

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