Friday 4 March 2016

Politik (1) - Ihr Verhaltnis zur Freiheit

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Vorbemerkung

In dieser neuen Reihe von Posts, folge ich dem Beispiel einer früheren Reihe, in der ich (irreführender Weise unter englischem Titel) Passus aus dem Kapitel "Politik und Staat" im Manuskript meines deutschen Buchs über "Freiheit verstehen" auszugsweise als Posts eingestellt habe. Diese Auszüge bildeten die Grundlage für das inzwischen fertiggestellte englische Kapitel über "The State" in meinem englischen Buch-Manuskript "Attempts at Liberty".

Es folgen Auszüge aus dem Kapitel "Politik und Staat" aus meinem Buch-Manuskript "Freiheit verstehen":

2. Bedeutung der Politik für die Freiheit

Politik und Staat stellen zwei Erscheinungen dar, an deren Problematik sich der Freiheitsbegriff reibt, um Gestalt anzunehmen. Politik und Staat stehen für Vorgänge und Einrichtungen, die ausschlaggebend sind bei der Bestimmung des Maßes an Freiheit, das in einer Gesellschaft herrscht. Von Anfang an findet das Bedürfnis nach Freiheit seinen Ausdruck als Gegenkraft zu politischen Strategien und staatlichen Strukturen, die Willkür und Tyrannis zulassen. [...]

Von Anfang an bedeutet also Freiheit eine kritische Auseinandersetzung mit, eine Verteidigungslinie gegen Gefahren, die aus Politik und Staat drohen. Die Lehre von der Freiheit ist so gesehen immer auch mehr oder weniger ausdrücklich eine Theorie des politischen Handelns und der staatlichen Strukturen, die vereinbar sind mit der Freiheit. [...]
Politik und Staat organisieren Macht. Selbst die Normen, die Freiheit bedeuten, sind ein Spezialfall machtbestimmter Regeln. Sollen sie an Einfluss gewinnen, muss man sie auf dem Felde der Politik bewerben, erstreiten und verteidigen und in den maßgeblichen Institutionen der Gesellschaft, besonders im Charakter des Staats verankern. Letztlich gelangen wir mit Hilfe von Politik und Staat zur Freiheit. Deshalb gehen wir im ersten Teil des vorliegenden Kapitels ausführlich auf Politik und Staat ein. [...]

Abhängigkeit der Freiheit von der Politik

Nicht alle Regeln kommen in Gebrauch, weil Menschen sie bewusst ersinnen und in Kraft setzen. Aber viele der Regeln, die große Tragweite für uns besitzen, entstehen auf diese Weise. Das Spiel, das gespielt wird, um derartige Regeln auszuhandeln, zu lancieren und durchzusetzen, hat einen Namen: Politik. Politik ist der Prozess, durch den bestimmt wird, wer effektiv Einfluss auf Bestimmung und Vollzug solcher Regeln übt.

Nehmen wir das Beispiel der freien Wirtschaft. Der Markt funktioniert, indem seine Teilnehmer bestimmte Regeln befolgen. Allerdings kann die freie Wirtschaft nicht selbst dafür sorgen, dass jene Regeln, die ihrer Logik und Leistungsfähigkeit zur Entfaltung verhelfen, auch tatsächlich obwalten. Warum nicht? Weil es wirksam organisierten Einflusses, weil es der Macht bedarf, um Regeln zur Geltung zu verhelfen. [...]
Die Politik ist die Achillesferse der Freiheit. Freiheitliche Ordnungsgebilde, wie die katallaktische [die freie, sich selbst organisierende] Wirtschaft, bedürfen begünstigender Machtkonstellationen. Die Organisation von Macht aber ist ein Vorgang, der stets außerhalb dieser zum Teil eben aus ihr abgeleiteten Ordnungsstrukturen abläuft. Warum – das sehen wir gleich.
Der große Unterschied: Produkte des Marktes versus Produkte der Politik
Stellen wir uns einen Supermarkt vor. Darin befindet sich ein sehr langes Regal mit vier Produkten: A, B, Y und Z. Die Produkte sind in Flaschen abgefüllt. Ununterbrochen laufen Scharen von Kunden an den Regalen vorbei, um sich aus ihnen gelegentlich Flaschen herauszugreifen. Der Kunden-Zuspruch ist gleichmäßig auf die einzelnen Produkttypen verteilt. Kunden, die A und B kaufen, werden gebeten, an Kasse 1 zu zahlen; wer Y und Z gewählt hat, wird aufgefordert, sich zu Kasse 2 zu begeben. An Kasse 1 kommt die lange Schlange zügig voran, an Kasse 2 entsteht ein Stau, in dem sich bald Unruhe unter den Kunden bemerkbar macht, schließlich lautes Gestikulieren und dann sogar heftige verbale Auseinandersetzungen. Was ist geschehen? Die Antwort geben uns die Produkttypen: A ist „alkoholfreies Bier“, B steht für „alkoholhaltiges Bier“, Y für „Prohibition“ und Z für „Freier Alkoholkonsum“.
Die Produkte A und B haben einander ausschließende Produktmerkmale, da Bier nicht zugleich alkoholhaltig und alkoholfrei sein kann.



Die Produkte Y und Z haben ebenfalls einander ausschließende Produktmerkmale, da es nicht möglich ist, ein wirkungsvolles Alkoholverbot zu verhängen und gleichzeitig den freien Alkoholgenuss zu gestatten.

Im Falle des Produktpaars A und B ruft der Konsum von Gütern mit einander ausschließenden Merkmalen keinen Konflikt zwischen den Konsumenten hervor – wer A (alkoholhaltiges Bier) konsumiert, hindert niemanden daran, B (alkoholfreies Bier) zu konsumieren, und umgekehrt. Im Gegensatz dazu kann man in den Genuss von Y (einem allgemeinen Alkoholverbot) nur kommen, wenn gleichzeitig jedermann der Genuss von Z (freiem Alkoholkonsum) untersagt wird. Und umgekehrt: die Zulassung freien Alkoholkonsums ist unvereinbar mit einem prohibitionistischen Regime. Daher der Stau und die Aufregung an Kasse 2. Man streitet sich darüber, welches der beiden Produkte denn wirklich wie versprochen funktionieren wird, und wieso der Supermarkt Y und Z verkauft, wenn doch nur jeweils eines der beiden Produkte konsumiert werden kann, nicht beide.

Es gibt also einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Produkten des Marktes und Produkten der Politik.

Ein Produkt, dessen Konsum verlangt, dass Menschen, trotz unterschiedlicher Neigungen und Absichten, das gleiche vorgeschriebene Verhalten an den Tag zu legen haben, so dass gegebenenfalls Zwang gegen Zuwiderhandelnde ausgeübt werden muss, ist ein politisches Produkt. Es ist unvereinbar mit dem, was einen freien Markt ausmacht, an dem nur Transaktionen stattfinden, zu denen die beteiligten Parteien aus freien Stücken bereit sind.
Es ist freilich nicht so, dass Politik gleichbedeutend mit Zwang ist. Es gibt auch viele Ergebnisse der Politik, die freiwillig zustande kommen oder überhaupt erst Anlass zu freiwilligem Verhalten geben, also die Notwendigkeit von Zwang und Gewalt bei der Bewältigung von Konflikten aufheben - zum Beispiel, wenn wir uns darauf einspielen, die Macht im Lande aufgrund von Wahlen sequentiell aufzuteilen - nach dem Motto: mal du, mal ich -, statt bis aufs Blut um die absolute und permanente Vorherrschaft zu kämpfen.

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