Friday 4 March 2016

Das Paradoxon der Freiheit (16) - Ein Vortrag

Fortsetzung des fünfzehnten Teils.

Indem er uns auf starre Prinzipien verpflichten möchte, zweigt der ideologische Liberalismus von der Route ab, die uns durch die Welt der realen Freiheit führt. Denn so wie sich die Freiheit historisch ausgeprägt hat, stellt sie ein offenes, Ideologien and Einzelstandpunkte überspannendes, sehr elastisches System dar, an dessen Gestaltung sich alle Bürger beteiligen dürfen, ungeachtet ihrer ideellen Nähe zu den Maximen dieser oder jener Variante des Liberalismus. 

Fordert der minarchistische Liberalismus so wenig Staat und Politik wie möglich, so bedeutet der Genuss der realen Freiheit, dass die Menschen sich tatsächlich so viel Staat und Politik nehmen, wie sie brauchen, um als politisch emanzipierte Bürger handlungsfähig zu sein.


Die Freiheit lässt sich nicht in die Zwangsjacke einer Ideologie stecken. Dass die liberale Ideologie Hayekscher Prägung sich durch eine recht unbewegliche Ablehnungshaltung gegenüber Staat und Politik zu profilieren sucht, dass sie daher eher politische Enthaltsamkeit als Mut zur gesellschaftlichen Gestaltung predigt, hat zur Folge, dass sie im Endeffekt selbsteliminierend ist. Zwangsläufig überlässt sie das Ausformen der Freiheit ihren politisch aktiveren Rivalen - und wiegt sich - wenn der polemische Zungenschlag gestattet sei - in schummrigem Winkel abseits vom Rampenlicht des politischen Trubels meckernd in ihrem Schaukelstuhl.



Freilich sind Maximalforderungen griffiger und wirken selbst nachdem der erste Knalleffekt längst verklungen ist überzeugender als bedingte Argumente. Das trifft auch auf die Parolen des minarchistischen Liberalismus zu. "Mindestlohn - wo bleibt da die Vertragsfreiheit!" Das klingt zunächst einleuchtend. Doch muss man den Mindestlohn nicht im größeren Kontext auch anderer Rechte bewerten, die ein kompliziertes Netz von trade-offs bilden? Solche Komplikationen sind schwer auf Anhieb zu vermitteln. Mit Schlagworten ist man im Vorteil.

Doch  der ernsthafte Umgang mit den Belangen der Freiheit verlangt uns die Geduld zu Differenzieren ab. Wir dürfen nicht vergessen, dass Freiheit ein Gemeinschaftsprodukt ist, an dessen Erstellung auch Andersdenkende und darunter unsere politischen Gegner zu Recht beteiligt sind. Was Freiheit wirklich erfordert liegt beileibe nicht immer unmittelbar auf der Hand und kann nicht entschieden werden, ohne die Gesichtspunkte unserer Rivalen einzubeziehen. Deshalb wird Freiheit meist weniger von dem enthalten, was wir uns erhoffen, sie wird häufig bedingter, kompromisshafter und umständlicher verklausuliert sein, als wir es uns spontan vorstellen.


Realistisch ist daher eine minimalistische Freiheitsdefinition - eine, die der Bereitschaft entspringt, andere Ansichten und Interessen in Rechnung zu stellen, um nur jene Elemente der Freiheit zu identifizieren, die absolut unverzichtbar sind. Das ist es, was ich mit robusten Bedingungen der Freiheit meine. Und diese robusten Bedingungen der Freiheit bilden ein Netzwerk, dessen Knotenpunkte, die wichtigsten Freiheitsrechte, auf einander einwirken, auf einander reagieren, da keines von diesen Rechten absolut ist, sondern relational, bezogen auf die vielen Implikationen und Erfordernisse anderer Rechte.


Der ideologische Idealismus neigt dazu, die Freiheitsrechte als absolut anzusehen, daher eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Einschränkungen eines für sich herausgehobenen, isoliert betrachteten Rechts, wie z.B. dem Vertragsrecht.

Freiheitsrechte als absolute Ansprüche eines vom gemeinschaftlichen Diskurs befreiten Individuums aufzufassen, vereinfacht das Bild der Freiheit macht sie leicht fassbar anhand eingängiger Stereotypen. Indem er sich auf den festen Gleisen seiner Voreingenommenheiten zwischen uns bewegt, weiß der liberale Ideologe um Ursache und Lösung eines Problems oft schon bevor es ihm präsentiert wird. Doch er irrt,

Die Rechte, die unsere Freiheit ausmachen, sind nicht starre Privilegien, die dem Individuum von Geburt an unabänderlich innewohnen, sondern öffentliche Güter, an deren Bereitstellung wir gemeinsam arbeiten, fortlaufend, oft mit guten, aber so gut wie nie mit vollkommenen Resultaten. Freiheit ist daher kein Bestand an unveräußerlichen Rechten, sondern ein Verfahren, eine Methode, gemeinsam die Menge ihrer robusten Bedingungen zu identifizieren und fortwährend, in Anerkenntnis veränderlicher Umstände, sinnvoll auf einander zu beziehen.

Freiheit als Methode, bedeutet, dass man sich um eine gewissenhafte Fall-zu-Fall-Prüfung bemüht, immer auf der Suche nach der besten Konstellation zwischen den elastischen Beziehungen, in denen die Freiheitsrechte zu einander stehen. Daher sollte es kaum überraschen, dass Freiheit als Methode viel Platz für Entwicklungen lässt, die der ideologische Liberalismus, wie etwa viele Leistungen des Sozialstaats, empört verwirft.


Fortsetzung folgt.

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