Tuesday 1 March 2016

Das Paradoxon der Freiheit (14) - Ein Vortrag

Fortsetzung des dreizehnten Teils.

Ich hatte mir in diesem Vortrag vorgenommen, über das Paradoxon der Freiheit zu sprechen. Damit meine ich, dass wir seit Mitte des 19. Jahrhunderts über lange Zeiträume Freiheit genießen durften, ja mehr noch: einen steten Zuwachs an Freiheit, obwohl nicht die Matadore des Liberalismus, sondern deren Gegner - fast überall Sozialdemokraten, auch wenn nicht immer dem Namen nach - das politische Denken und Handeln in den begünstigten Ländern bestimmten.

Bei diesem Befund kann einen der Verdacht beschleichen, dass die spontane Ordnung der Freiheit womöglich anders funktioniert als sich das Hayek vorstellte. Der konservative Britische Denker Michael Oakeshott hat das geflügelte Wort von "Hayek's plan to end all planing" in die Welt gesetzt. 

Man kann es drehen und wenden wie man will, die ausgeklügelten Rezepte, mit denen Hayek uns davor bewahren will, in die spontane Ordnung der Freiheit einzugreifen, stellen selbst planvolle Eingriffe dar, wie wir uns anhand von drei der Hayekschen Theorien überzeugen konnten. Doch Hayeks Interventionen bleiben zahnlos und ohne Resonanz, denn sie gehen an der Wirklichkeit der wahren spontanen Ordnung vorbei. In deren Kern finden wir ein pulsierendes Getriebe an Menschen, die, sich ihrer politischen Emanzipation erfreuend, darum wetteifern, am politischen Prozess teilzunehmen, mit der sich die Gesellschaft, in der sie leben gestalten lässt. Freiheit erweist sich als Demokratisierung und damit als Massenproduktion von Dissens zwischen Bürgern, die im Wege des Wettbewerbs und des Verhandelns an der gemeinsam bewohnten, formbaren Welt mit dem Handwerkszeug ihrer Erkenntnisse, Werte und Interessen unentwegt feilen und schrauben.

Freiheit heißt politische Freiheit. Mit der politischen Emanzipation des Bürgers wird die Freiheit zu einer offenen Ordnung. Freiheit ist nicht mehr durch ein geschlossenes Gedankenkonstrukt, nicht mehr durch eine Ideologie abzubilden, anders als der Liberalismus dies uneingestanden und einigermaßen wirkungslos anstrebt.



Im Mittelpunkt dessen, was wir unter Freiheit verstehen, steht natürlich die Ausweitung des Raums für persönliche Autonomie. Der Liberalismus hat das autonome Individuum gefordert und bewiesen, dass eine vernünftige Ordnung, sogar eine bessere, zu erzielen ist, wenn der Einzelne sich erst einmal der Bevormundung durch die Obrigkeit entledigt. Allerdings hat er sich  in der Erwartung vertan, dass die neu gewonnene Privatsphäre das politische Tier in uns einhegen und von den öffentlichen Arenen abziehen wird. Mitnichten. Unter den Bedingugnen wachsender Freiheit vervielfältigt sich Die Anzahl der politischen Tiere, die in den Kampf um das gesellschaftliche Sagen ziehen. Freiheit verlangt und erzeugt politische Vielfalt und politischen Wettbewerb. Dieser wiederum verwandelt das freiheitliche Denken, und somit auch den Liberalismus, in ein mehrdeutiges, umstrittenes, veränderliches Gewebe von Ideen. Mehr denn je wirft der Liberalismus um sich her Schatten an Liberalismen. Versuche, die Freiheit zu fassen, bilden einen Kanon an Hypothesen, von denen viele durch die Freiheit widerlegt werden.


Ob man es einsieht oder nicht, das Weltgetriebe bestimmt: Freiheit und Liberalismus sind nicht identisch. Der Liberalismus will eine liberale Welt, die Freiheit will eine pluralistische Welt, eine, in der die Stimme des Liberalismus in einem großen Chor aufgeht. Freiheit toleriert, ja begünstigt Kräfte, die der Liberale ablehnt. Die spontane Ordnung neuzeitlicher Gesellschaften sorgt dafür, dass Freiheit niemals ein liberales Projekt allein sein kann. Wenn Visionen zu Ideologien herabsinken hält die Freiheit in ihrem Arsenal allemal Gegenmittel der Gewaltenteilung und der Dämpfung ideeller Gewalt vor - darunter auch die List der Bekämpfung des Ideologischen durch ideologische Vielfalt.


Fortsetzung folgt.

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