Friday, 8 April 2016

LE (2) - Sparen und Entsparen - L(ingua) E(conomica)

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Sparen und Entsparen - Haushalte und Firmen

Haushalte und Firmen haben gute Gründe zu sparen. Ihre Kaufkraft ist begrenzt. Um ihre Kaufkraft zu einem künftigen Zeitpunkt zu erhöhen, haben sie die Möglichkeit, Kaufkraft von heute auf morgen zu verschieben - sie verzichten auf die Ausübung gegenwärtiger Kaufkraft, bewahren sie für morgen, meist indem sie sie gegen eine Gebühr (Zinsen) vorübergehend an Andere abtreten: das nennt man Sparen. Umgekehrt, wenn gesparte Kaufkraft ausgeübt wird, sprechen wir von Entsparen: das sprichwörtliche Schlachten des Sparschweins.

Haushalte und Firmen müssen sparen, weil sie nicht über unbegrenzte Kaufkraft verfügen und diese knappe Ressource nicht nur synchron (zu einem gegebenen Zeitpunkt - z.B. weniger für ein Auto, mehr für ein Haus), sondern auch diachron (zwischen verschiedenen Zeitpunkten) auf unterschiedliche Projekte verteilen möchten. So wollen wir also manchmal Kaufkraft, über die wir heute verfügen, in die Zukunft (diachron) verschieben, um dann umso mehr von ihr zu besitzen (als wenn wir nicht gespart hätten), z.B. wenn wir älter geworden sind und keine Einnahmen mehr aus einer Berufstätigkeit haben. In jungen Jahren sparen wir, auf unsere alten Tage entsparen wir.

Der Staat muss nicht sparen

Für den Staat besteht keine Notwendigkeit, Geld zu sparen, um ein  Mehr an Kaufkraft für die Zukunft anzuhäufen. Anders als Haushalte und Firmen ist er in der Lage, Geld zu erzeugen. Schließlich ist er der Emittent des Geldes, das wir verwenden. Es wäre widersinnig, wenn der Staat von dringenden Ausgaben absehen / ("sparen") würde, um deren Kaufkraft auf einen späteren Zeitpunkt zu verlagern. Er kann jederzeit, heute wie morgen, das Geld erzeugen, das er benötigt, um gewünschte Ausgaben zu tätigen. 

Er tut gut daran, nicht beliebige Mengen an Geld zu erzeugen - aber das ist ein anderes Thema.

Wir behandeln zurzeit die Frage, ob der Staat darauf angewiesen ist, Geld zu sparen, damit er morgen über mehr Geld verfügt, als er es täte, wenn er nicht sparen würde. Nein, der Staat ist nicht darauf angewiesen Kaufkraft anzusparen.

Staat und Privatwirtschaft - ein ganz einfaches Modell

Denken wir uns die Gesellschaft aus zwei Personen bestehend, wovon eine den Staat repräsentiert, und die andere die Privatwirtschaft. Betrachten wir den Fall eines ausgeglichenen Staats-Haushalts: der Staat nimmt 100 D(ukaten) an Steuern ein und tätigt Ausgaben in Höhe von 100 D. Für die Privatwirtschaft bedeutet das, alles, was sie verdient, gibt sie als Steuern ab. Damit ist auch ihr Haushalt ausgeglichen, sie hat weder Schulden, noch konnte sie Geld zurücklegen (staatlich emittiertes Geld ansammeln), d.h. sie weist weder eine Netto-Verschuldung (mehr Schulden als Einkommen und Vermögen) noch Netto-Ersparnisse (mehr zurückgehaltenes Geld als Ausgaben und finanzielle Verpflichtungen) auf.

Übrigens zum Begriff Netto-Ersparnisse: damit meinen wir, dass wir bei allen Ausgaben und Verpflichtungen, die wir haben mögen, insgesamt, dennoch Mittel übrig haben, die zum Sparen eingesetzt werden. Beispiel: Ein Sparer (100 000 D auf der hohen Kante zu 8%) könnte einen Kredit aufnehmen (in Höhe von 10 000 D zu 1%), z.B. um ein Auto günstiger zu kaufen, als wenn er gut verzinstes Geld zur Barzahlung verwenden würde (und einen unnötigen Zinsverzicht von 8% auf 10 000 D leisten würde). Trotz seiner Verschuldung in Höhe von 100 D pro Jahr verfügt er über Netto-Ersparnisse, die ihm 8 000 D pro Jahr einbringen.

Als nächstes betrachten wir den Fall eines defizitären Staats-Haushalts. Der Staat  gibt 120 D aus, nimmt aber nur  100 D an Steuern ein. Wo sind die 120 D gelandet? In der Privatwirtschaft. Diese muss weiterhin 100 D an Steuern bezahlen, hat aber 120 D vom Staat erhalten (weil sie in seinem Auftrag eine Autobahn gebaut hat). 

Der private Sektor verfügt somit in dem Maße über einen Überschuss wie der Staat sich verschuldet, oder besser gesagt: mehr Geld emittiert als er in Form von Steuern wieder aus der Wirtschaft zurücknimmt.

Jede Dukate, die der Staat mehr ausgibt als er an Steuern einnimmt, landet im nicht-staatlichen Sektor. Das Defizit des Staats ist der Überschuss des nicht-staatlichen Sektors. Dukate für Dukate. 

Und umgekehrt: alles, was der Staat aufgrund von Steuern mehr einnimmt als er durch Ausgaben in den nicht-staatlichen Sektor einschießt, sammelt sich bei ihm als Überschuss und im nicht-staatlichen Sektor als Defizit an.

Zurück zum Staatsdefizit: In diesem Fall überweist der Staat mehr Geld an die Privatwirtschaft als er von dieser in Form von Steuern zurücknimmt. Er erzeugt das benötigte Geld aus dem Nichts - das ist eben sein Privileg. Die Privatwirtschaft sieht, dass sie mehr auf dem Konto hat als sie an Steuern zu zahlen hat. Anders ausgedrückt: sie verfügt über ein positives Saldo an Netto-Finanz-Aktiva. Diese bestehen zurzeit aus staatlich emittiertem Geld, das die nicht unwichtige Eigenschaft hat, zum Zweck der Zahlung von Steuern vom Staat anerkannt zu sein. 

Um der Privatwirtschaft beim Sparen zu helfen, könnte der Staat Anleihen emittieren, die Zinsen zahlen. Das wäre eine reizvolle Ergänzung der Netto-Finanz-Aktiva, die dem privaten Sektor zum Sparen zur Verfügung stehen. Jetzt könnte zumindest ein Teil des Überschusses der Privatwirtschaft in diese Anleihen abwandern, die anders als Geld, eine Rendite abwerfen.

Zurück zum staatlichen Haushalts-Überschuss: In diesem Fall zieht der Staat mehr aus der Privatwirtschaft heraus, als er in sie hineingesteckt hat. Sagen wir, die Staatsausgaben belaufen sich auf 80 D, während die Steuereinnahmen 100 D betragen. Die Staats-Ausgaben, die dem Privatsektor zufließen, sind geringer als die Mittel, die der Staat per Steuerforderungen aus dem privaten Sektor abzieht.  

Jetzt schuldet der Privatsektor dem Staat Geld. Er bekommt ja nur 80 D, muss aber 100 D an den Staat zahlen. Es hilft alles nichts, die Reserven müssen angegriffen werden. Das Einlagenkonto mit dem Haben-Saldo von 20 D (aus der letzten Periode als der Staat ein Defizit und die Privatwirtschaft einen Überschuss verzeichnete) muss aufgelöst werden, um die Differenz zwischen Einnahmen und Steuerschulden auszugleichen. Oder man könnte auf jene andere Art von Finanz-Aktiven zurückgreifen, d.h. Staatsanleihen verkaufen, um die Steuerschuld zu begleichen. So oder so, der Überschuss (das Defizit) des Staats steigt und sinkt, Dukate für Dukate, mit dem Defizit (dem Überschuss) des Privat-Sektors. 

Dieses einfache (später mit weiteren Details auszustattende) Modell zeigt, dass staatliche Haushalts-Überschüsse auf Kosten der Einnahmen und des ersparten Vermögens der Privat-Wirtschaft gehen.  

Umgekehrt ist es erforderlich, dass der Staat ein Haushalts-Defizit "fährt", damit der Privat-Sektor Netto-Finanz-Aktiven ansammeln kann, um auf diese Weise Vermögen zu bilden und Kaufkraft für die Zukunft zu speichern.  

Fazit: Ohne Eimer kein Loch im Eimer

In meinem Garten steht eine Tonne, mit der ich Wasser "anspare", um später genügend davon fürs Gießen zu haben. Der Staat braucht keine derartige Tonne, er kann so viel Wasser in seinem Garten vergießen, wie er nur will. Er ist buchstäblich der Regenmacher. (Wie gesagt, er sollte dieses Privileg nicht missbrauchen und den Garten überschwemmen. Aber das Wasser, das er zu benötigen glaubt - das hat er - immer.)

Und doch, wie oft hört man von Löchern im Staatshaushalt, als gliche er meiner Wassertonne im Garten. Wie oft hört man in Deutschland von Leuten, die dabei ein besonders gescheites Gesicht aufsetzen, vom Problem der "Gegenfinanzierung". Wie oft hört man Klagen darüber, dass bestimmte notwendige Ausgaben unterlassen werden müssten wegen Löchern im Staatshaushalt. Allein, derartige Löcher gibt es nicht, weil ihnen die Tonne fehlt, in der sie stecken könnten. (Die Sache ist eine andere bei Landesregierungen, die keine Geld-Emittenten sind, und infolgedessen auf Zuwendungen der Zentralregierung angewiesen sind.)

Die allenthalben gebräuchlichen Redeweisen, die den Staat mit einem gewöhnlichen Haushalt gleichsetzen, sind schlechterdings unsachgerecht. Ein ausgeglichener Haushalt sei wünschenswert, der Staat solle nicht über seine Verhältnisse leben, ein sparsamer Umgang mit den Mitteln des Staats sei immer angeraten, ein staatlicher Haushalts-Überschuss zeuge von wirtschaftlicher Vernunft - all diese Wendungen sind insofern irreführend als sie unterstellen, dass der Staat in seinen Finanzmitteln in gleicher Weise beschränkt ist wie private Haushalte oder Firmen. 

Tatsächlich ist es aber so, dass geringere Defizite oder gar ein Überschuss des Staats-Haushalts nicht erforderlich sind, um staatliche Mittel anzusparen; ihr volkwirtschaftlicher Sinn besteht vielmehr in der Steuerung des Niveaus der wirtschaftlichen Aktivität eines Landes. 

Wenn z.B. Vollbeschäftigung erreicht ist, alle wirtschaftlichen Ressourcen im Einsatz sind, kann es sinnvoll sein, die Wirtschaft durch geringere staatliche Ausgaben oder höhere Steuern gezielt zu belasten und damit vor einer inflationären Überhitzung zu bewahren.

Solange aber eine derartige Ressourcenauslastung in weiter Ferne liegt, kann der Staat sein Haushalts-Defizit so kräftig ausbauen, wie es ihm beliebt. Wie wir auch in weiteren Posts sehen werden, wird in der Regel ein defizitärer Staats-Haushalt wünschenswert sein.

2 comments:

  1. Replies
    1. Gern geschehen. Wie gesagt, da kommt noch einiges. Ich springe zurzeit ständig zwischen den Blog-Beiträgen, die vorbereitende Gedanken zum Kapitel "politics" enthalten - ein riesiges Thema, puh - und den makro-ökonomischen Themen, die wiederum eine wichtige Vorbereitung auf das dritte Kapitel "economics" darstellen. Danke für dein Interesse.

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