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In einem brillant geschriebenen Artikel (siehe unten) warnt uns Peter Schmidt, Präsident des Deutschen Arbeitgeber Verbands, davor, dass wir im Begriff seien, das reiche Erbe, das uns unsere Vorgängergenerationen hinterlassen haben, leichtfertig zu verspielen.
Ich bin nicht so pessimistisch wie Schmidt. Und zwar gerade, weil ich seine Prämisse teile:
Der natürliche Drang des Menschen, die Begrenzungen des Hier und Jetzt zu überwinden – dieser natürliche Drang hat sich zu allen Zeiten Bahn gebrochen. Kreativität, Neugier, Forschungsdrang: dies alles ist dem Menschen mitgegeben.
Dieser natürliche Drang enthält die Überlebensformel des Menschen. Wie ich in Theorie und Praxis ausführe, enthält unser Planet nicht einen einzigen Rohstoff, nicht eine einzige verwertbare Ressource. Es sei denn, der Mensch wandelt seine Umwelt dank dieses natürlichen Drangs um, so dass aus den gleichgültigen Requisiten der Natur Ressourcen werden, die ihm das Überleben und einen wachsenden Wohlstand ermöglichen.
Natürlich sind wir vor Rückschlägen nicht gefeit. Freilich, ist die Bandbreite der Rückschläge eng genug — wofür eine freiheitliche Gesellschaftsordnung sorgt, — könnte man sogar sagen, dass wir uns den Fortschritt durch Rückschläge sichern. Denn in einer offenen Gesellschaft sind unterschiedliche Auffassungen von der richtigen Politik — nicht anders als der wissenschaftliche Dissens oder der Wettbewerb unternehmerischer Visionen, übrigens auch der Heilverfahren —, ihrerseits ein Ressourcen-Pool, aus dem wir das Material schöpfen, das unserer Gemeinschaft zugleich Stabilität und Anpassungsfähigkeit verleiht. Und was sind die politischen Erfolge unserer Gegner, wenn nicht Rückschläge für uns? Während umgekehrt unsere Opponenten Zeichen unseres Reüssierens als Rückschläge erleben.
Solange robuste Bedingungen der Freiheit herrschen — siehe Das Paradoxon der Freiheit (2) —, solange unsere Gesellschaft politisch offen und somit lernfähig und korrigierbar bleibt, solange dürften wir uns in einem Korridor des Erfolgs bewegen, der zwar volatil ist, aber immer schön nach oben führt — jedenfalls nicht auf Dauer nach unten.
Peter Schmidt erinnert uns zu Recht daran, dass menschliche Schöpferkraft an Bedingungen gebunden ist:
Inwieweit er diese Eigenschaften auch wertschöpfend und nutzbringend einbringen kann hängt aber in starkem Masse von den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ab.
Auch ich sehe uns von drohenden Rückschlägen vermeintlicher und wahrhaftiger Art umgeben. Ich teile einige von Schmidts Befürchtungen; für besonders bedenklich halte ich die politische Steuerung "wissenschaftlicher" Inhalte (global warming) und die Schwächung demokratischer Kontrolle (in der EU oder hierzulande durch den Schulterschluss einer großen Koalition), denn dies rührt ans Herz einer freien Gesellschaft. Dennoch meine ich, dass sich diese unguten Trends nicht zur Auflösung der Offenheit unserer Gesellschaften verdichten. Zum einen scheitern die fehlgehenden Maßnahmen über kurz oder lang an der unerbittlich richtenden Zweckrationalität einer freien Gesellschaft (sowohl die Energiewende als auch die EU stehen für meine Begriffe vor einer Umkehr).
Ich muss dabei an meinen Unternehmer-Freund denken, der auf der Fahrt in
seine Firma Brandreden gegen den Kapitalismus hält, um den Rest des
Tages damit zu verbringen, seine Bilanz zu optimieren und möglichst hohe Gewinne
einzufahren.
Zum anderen bringt der sich in mehreren Dimensionen abspielende Wettbewerb einer freien Gesellschaft eine unentwegt erneuerte Vielfalt an Alternativen und neuen Trends hervor, denen gegenüber auch jene von uns zu Recht oder zu Unrecht als Rückschläge apostrophierten Sachverhalte keineswegs immun sind.
Während frühere Epochen geprägt waren von dem unbedingten Willen, die Mühsal des Daseins zu überwinden, zu forschen und auszuprobieren, "mit heißem Bemühn" hinter die Geheimnisse der Welt zu kommen und Risiken als notwendiges, aber nicht behebbares Übel hinzunehmen hat sich die Grundeinstellung in den beiden letzten Generationen grundsätzlich gewandelt.
Hier vertrete ich eine abweichende Einschätzung. Vor allem, was die Frage eines grundsätzlichen Wandels betrifft. Zwar weist Schmidt völlig zu Recht auf betrübliche Erscheinungen hin. Legte man es jedoch darauf an, könnte man auch eine große Zahl an vielverheißenden Entwicklungen ins Feld führen.
Es erweist sich mehr und mehr, dass die Wissenschaft sich nicht mundtot machen lässt durch politischen Druck. Auf dem ganzen Kontinent zeigt sich die Öffentlichkeit imstande, der verordneten Euro-Harmonie zu widerstehen. In den Bereichen, mit denen ich mich zurzeit beschäftige, glaube ich ebenfalls willkommenen Wandel zu erkennen: das Monopol der Neoklassik in den Wirtschaftswissenschaften gerät ins Wanken, unermüdlich unterlaufen von konstruktiven Neuentwicklungen, etwa im Bereich der Geldtheorie und der Makro-Ökonomie — übrigens alles Ansätze, die ausgelöst werden durch die Rückschläge, mit denen der Status Quo uns peinigt.
Es erweist sich mehr und mehr, dass die Wissenschaft sich nicht mundtot machen lässt durch politischen Druck. Auf dem ganzen Kontinent zeigt sich die Öffentlichkeit imstande, der verordneten Euro-Harmonie zu widerstehen. In den Bereichen, mit denen ich mich zurzeit beschäftige, glaube ich ebenfalls willkommenen Wandel zu erkennen: das Monopol der Neoklassik in den Wirtschaftswissenschaften gerät ins Wanken, unermüdlich unterlaufen von konstruktiven Neuentwicklungen, etwa im Bereich der Geldtheorie und der Makro-Ökonomie — übrigens alles Ansätze, die ausgelöst werden durch die Rückschläge, mit denen der Status Quo uns peinigt.
Und da ich gegenwärtig an einem Manuskript zum Thema Freiheit und Politik arbeite, will ich die pauschale These nicht unwidersprochen lassen, wonach Politiker realitätsfern und inkompetent seien und daher ihr Gewicht zugunsten spinnerter Illusionen in die Waagschale legten.
Journalisten und Politiker, also Menschengruppen die von der realen Arbeitswelt meist maximal entfernt sind und deren betriebswirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ausbildungsstand – ebenfalls zumeist – eher rudimentär ausgeprägt ist, erträumen sich ein wenig hilfreiches Bild von Industrie 4.0. Gepaart mit der üblichen Hysterie, die allem Neuen gegenüber heute üblich ist, werden Risiken überfokussiert und der Angst eine Schneise geschlagen.
Natürlich gibt es Politiker, auf die diese Charakterisierung zutrifft, aber das ist nicht die ganze Story. Eine Technokratisierung der Politik hilft nicht weiter. Der Expertenkult ist ein Holzweg. Nicht, dass ich Schmidt zeihe, ein Anhänger technokratischer Politik zu sein. Ich möchte lediglich hervorheben, dass wir Politik vor allem deshalb brauchen, weil es große Fragen gibt, die uns alle angehen, in denen aber keiner von uns Experte sein kann, und aus gutem Grunde jeder ein Recht haben sollte, seine Interessen und Auffassungen einzubringen. Vielleicht erfüllt sie ihre Aufagbe mehr schlecht als recht, aber in einer freien Gesellschaft nimmt die Politik den Charakter eines Entdeckungsverfahrens an, nicht anders als der wirtschaftliche Wettbewerb — ein Entdeckungsverfahren, das seine Berechtigung aus dem Unwissen zieht, das uns allen gemein ist, und das wir nur durch offene, alle einschließende Kommunikation zurückzudrängen vermögen.
★★★
Hier der vollständige Text von Peter Schmidt, den ich hier entnehme:
Als Buzzword, zu gut deutsch Schlagwort, bezeichnet man einen Ausdruck, mit dem beim Zuhörer um besondere Beachtung gebuhlt wird. Noch sprechender scheint der synonyme Ausdruck catchword: mit Worten fangen. Einlullen also.Zu den wesentlichen, derzeit gebräuchlichsten, Buzzwords zählt zweifellos Digitalisierung. Im Kontext mit Begriffen wie Industrie 4.0, connected enterprise und unzähligen Abwandlungen dazu werden Unternehmer als auch Verbraucher vor eine Nebelwand gestellt der bangen Frage: bin ich für die neue Zeit gerüstet?Für den deutschen Mittelstand dürfte die Antwort lauten: viel besser, als man glauben sollte und oftmals selbst vermutet.Wie das?"Digitalisierung" – entkleidet von allen Voodoo-Kostümen, mit denen es gerne ausstaffiert wird, bedeutet ja nichts anderes als: Rationalisierung durch Technik.Rationalisierung war das Bestreben des Menschen, seit es Menschen gibt. Der Faustkeil war möglicherweise die erste Rationalisierung. Mit seiner Hilfe überwand der Mensch die Beschränkungen der eigenen Hand. Er konnte härter und gezielter zuschlagen, war weniger verletzungsanfällig, konnte sich besser wehren gegen die Unbill der Natur.Es würde langweilen, all die Millionen weiterer Stufen auf dem Weg des Menschen "nach oben" aufzuführen. Auch Computer und Informationstechnologie sind letztlich nichts anderes als weitere solcher Stufen.Der natürliche Drang des Menschen, die Begrenzungen des Hier und Jetzt zu überwinden – dieser natürliche Drang hat sich zu allen Zeiten Bahn gebrochen. Kreativität, Neugier, Forschungsdrang: dies alles ist dem Menschen mitgegeben.Inwieweit er diese Eigenschaften auch wertschöpfend und nutzbringend einbringen kann hängt aber in starkem Masse von den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ab.Während frühere Epochen geprägt waren von dem unbedingten Willen, die Mühsal des Daseins zu überwinden, zu forschen und auszuprobieren, "mit heißem Bemühn" hinter die Geheimnisse der Welt zu kommen und Risiken als notwendiges, aber nicht behebbares Übel hinzunehmen hat sich die Grundeinstellung in den beiden letzten Generationen grundsätzlich gewandelt.Risikoaversion und – korrelierend zu einem immer geringeren Bildungsstand im naturwissenschaftlichen Bereich – auch völlige Unfähigkeit zu einer angemessenen Risikobeurteilung bestimmt den politischen und medialen Raum und hat zu weiten Teilen auch den ideellen Mainstream der Bevölkerung erfasst. Wer wüsste nicht aus eigenem Erleben im Freundes- und Verwandtenkreis, dass Globuli und Wünschelrutengänge deutlich mehr "klammheimliche Bewunderer" haben als es einer aufgeklärten Gesellschaft gut täte? Dass Physik, Biologie und Chemie weitgehend unter dem Generalverdacht stehen, den Menschen von der Natur zu entfernen – so irre es auch sein mag in einer Zeit, in der Menschen die längste Lebenserwartung haben seit es unsere Spezies gibt.Machen Sie doch spaßeshalber einmal das Experiment, in Ihrem Bekanntenkreis nachzufragen, wie viele Menschen noch wissen, dass ohne CO2 Leben auf dieser Erde unmöglich ist. Es kann ein Erweckungserlebnis werden.Journalisten und Politiker, also Menschengruppen die von der realen Arbeitswelt meist maximal entfernt sind und deren betriebswirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ausbildungsstand – ebenfalls zumeist – eher rudimentär ausgeprägt ist, erträumen sich ein wenig hilfreiches Bild von Industrie 4.0. Gepaart mit der üblichen Hysterie, die allem Neuen gegenüber heute üblich ist, werden Risiken überfokussiert und der Angst eine Schneise geschlagen.Auf diese Weise haben wir schon viele Zukunftsindustrien, wahrscheinlich unwiederbringlich, verloren – Gentechnik als Beispiel ebenso wie die Elektrochemie.Es scheint nicht überzogen, die alte Volksweisheit im Hinblick auf den Erhalt von Vermögen auch auf den Zustand unseres Landes zu übertragen:"Der Opa erstellt's, der Vater erhält's,
beim Sohn verfällt's".20. April 2016
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