Image credit. Continued from [The State] - [1c - Problems of Collective Action] - Violence, Trust, and Structures of maximal Power |
Power is never unconditional. This is rashly overlooked in those who operate under a strong presumption against the state - which is an attitude not uncommon among those presenting themselves as vociferous defenders of freedom. Understanding the sensitivities of the state to influences seeking its support is very important in recognising the possibility and need to instrumentalise government for the cause of liberty.
I have argued that any correct perception of liberty as a hallmark of our civilisation, any account of feasible freedom must be built on an affirmative notion of the state. This is why I insist that in a book on liberty, the reader should be made well acquainted with the features of the state that make it the indispensable companion of freedom.
Throughout history it is possible to trace examples of a rational interest on the part of the state in the well-being of its subjects. This has nothing do with an uncritical adulation of the state, rather I wish to demonstrate that fundamental features and requirements of maximal structures of power as embodied in states encourage and force government to open itself up to the demands of freedom.
A distorted, negatively biased conception of the state is always trailed by an oblique view of freedom.
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4. Zur Theorie des
Staats
Stationäre Banditen als
frühste Verkörperung staatlicher Macht
Olson charakterisiert Anarchie als einen Zustand, in dem umherstreifende Banditen produktive
Bevölkerungsteile überfallen und berauben.[1] Unter
diesen Bedingungen sind Umfang und Wachstum des zu verteilenden Wohlstands
stark beschränkt. Denkbar gering ist die Motivation zu investieren und Güter zu
produzieren, besonders solche, die leicht zu rauben sind. Spieltheoretisch
ausgedrückt sind die umherstreifenden
Banditen Gefangene eines suboptimalen Gleichgewichts. Ihre Raubzüge sind
weniger ergiebig als andere Formen der Beschlagnahme gesellschaftlicher
Ressourcen. Dabei ließe sich das Miteinander von Räubern und Beraubten für
beide Seiten verbessern. Wie?
Indem sich die Banditen als Raubmonopolisten niederlassen,
entwickeln sie unweigerlich ein gewisses Interesse daran, die
Produktionsbedingungen derer, denen sie ihren Wohlstand verdanken, ins Kalkül
zu ziehen. Die Ausbeutung wird sowohl ergiebiger für die Ausbeuter und als auch
weniger nachteilig für die Produzenten. Die stationären Banditen entwickeln -
in der Olsonschen Terminologie - ein „umfassendes Interesse“ (encompassing interest) an dem von ihnen
beraubten Gemeinwesen. Als ortsansässige „Inhaber“ eines territorial fest
umgrenzten Ausbeutungsreviers gebietet es ihnen der Eigennutz, für friedliche
und geordnete Verhältnisse und andere öffentliche Güter zu sorgen, selbst wenn
dies mit erheblichem eigenen Aufwand und beträchtlichen Zugeständnissen an die
Interessenlage der Beraubten verbunden ist.[2]
Olson weist darauf
hin, dass der Zivilisationsfortschritt bis in die jüngere Geschichte meist
unter der Ägide stationärer Banditen stattfindet. Deren Herrschaft wird
gelegentlich durch Perioden unterbrochen, in denen umherschweifende Banditen
die Oberhand innehaben. Von der Zeit der neolithischen Revolution bis zur
Französischen Revolution leben die Menschen größtenteils unter autokratischer
Herrschaft. Sie sind sehr hoher Besteuerung und erheblicher Ausbeutung
ausgesetzt. Seit der Zeit als Sargon mit seinen Eroberungen das akkadische
Imperium um 2300 v. Chr. im mesopotamischen Raum[3]
etabliert bis in die Epoche von König Ludwig XIV und Voltaire findet laut Olson
die Zivilisationsentwicklung fast immer unter der Herrschaft stationärer
Banditen statt. Dennoch bringt die Menschheit eine große Vielzahl bedeutsamer
Errungenschaften hervor. Olson sieht einen wesentlichen Grund für diese
Fortschrittsleistungen in der großen Überlegenheit, die das stationäre
Banditentum gegenüber der Anarchie auszeichnet.[4]
Die Staatstheorie von Mancur Olson verträgt sich durchaus
mit der Vorstellung, wonach staatliche Strukturen als Abgrenzungstechnologien
entstehen, die der sesshaften Landwirtschaft ausreichend Schutz gewähren, so
dass sich auf dieser Grundlage ein System differenzierter Arbeitsteilung und
ein bislang beispielloses Produktivitätsniveau ausbilden können. Staatliche
Strukturen sind nicht nur vereinbar mit gesellschaftlichem Fortschritt, sie
sind dessen unverzichtbare Voraussetzung. Freilich schreitet der Fortschritt
nicht linear voran; er mag lange nur geringfügig sein und Rückschläge erleiden;
aber der Entwicklungsweg der Gesellschaft ist immerzu gebunden an Strukturen Maximaler Macht, die
größtenteils die Form von Staatswesen und staatsähnlichen Gebilden haben (siehe
Theoreme zur Persistenz des Staats 1, 2, 3a und 3b).
Man sieht, Herrscher
haben gute Gründe, sich für das Allgemeinwohl einzusetzen. Doch auch die Beherrschten mögen ein Interesse daran
haben, sich staatlichen Herrschaftsstrukturen zu unterwerfen. Im Zustand der
Anarchie sehen sich die Menschen ständig durch Willkür, Raub und Gewalt
bedroht. Im Vergleich dazu haben
Institutionen, die den Frieden und andere öffentliche Güter gewährleisten,
einen enorm hohen Wert. Ein Umstand,
der umso leichter unterschätzt wird, desto selbstverständlicher der Frieden
erlebt wird. Wo aber Frieden abhanden kommt, zeigt die Bevölkerung eine hohe
Präferenz für eine Ordnungsmacht, die in der Lage ist, ihnen jederzeit Schutz
zu gewähren und den Frieden langfristig zu sichern. Die Bevölkerung wird dazu
neigen, primäre Präferenzen wie Sicherheit und Frieden so hoch zu bewerten,
dass die Nichterfüllung oder die weniger als optimale Erfüllung anderer
Präferenzen hingenommen wird und die betreffende Ordnungsmacht gleichsam
„unterm Strich“ ihren Zuspruch erfährt (Theorem zur Persistenz des Staats 3a).
Die Machtlosigkeit der
Macht
Ob Selbstzweck oder Mittel zu anderen Zwecken, die Macht hat
ihre Voraussetzungen. Es gibt immer Wirkgrößen, die grundlegender und stärker
als die Willkür eines Herrschers sind. Wer Macht ausüben möchte, muss sich
immer auch Bedingungen unterwerfen, die er nicht selbst bestimmt; was
gleichbedeutend damit ist, andere Interessen zu berücksichtigen,
fremdbestimmten Anforderungen nachzukommen, Abstriche zu machen an der Freiheit
des eigenen Ermessens. Macht will organisiert sein. Macht benötigt eine
physische und eine ökonomische Basis. Überdies ist Macht angewiesen auf soziale
Anerkennung, und sei es vornehmlich in der Form des bedingten Zuspruchs nur
weniger Koalitionspartner, die umworben werden, um Herrschaft praktikabel zu
gestalten.
Mittelbarer Staat und
unmittelbarer Staat
In mittelbaren
(mediaten) Staaten ist der Herrscher bei der Ausübung seiner Macht
angewiesen auf die Zusammenarbeit mit dezentralen Eliten, die über eine eigene
Machtbasis verfügen. Letztere sind aufgrund ihrer lokalen Dominanz in der Lage,
Herrschaftsfunktionen auszuüben, die man mit einem souveränen Staat modernen
Zuschnitts verbindet: Steuererhebung, Münzprägung, die Rekrutierung von
Soldaten, die Ausübung richterlicher Aufgaben und dergleichen mehr.
Im Gegensatz dazu werden solche Funktionen in unmittelbaren (immediaten) Staaten
moderner Art durch Institutionen ausgeübt, die über keine vergleichbare, eigene
Machtbasis verfügen. Diese unterstehen unmittelbar dem Herrscher und
ermöglichen ihm den direkten Durchgriff auf Wirtschaft und Gesellschaft. Der
Steuerpächter macht dem Finanzamt Platz.
Mittelbarer (mediater)
Staat
In frühen, mittelbaren
Staaten bilden sich Machtkerne durch die Konzentration militärischer
Schlagkraft, deren Zweck die Eroberung neuer Territorien ist. Der geografische
Umkreis, innerhalb dessen ein mediater Staat politische Herrschaft auszuüben
vermag, ist kleiner als der Radius seiner militärischen Eroberungen. Der
Umkreis, auf den sich die Eroberungsfeldzüge erstrecken, ist sehr ausgedehnt,
denn überall finden sich Opfer, die an ihre lokale landwirtschaftliche
Existenzgrundlage gebunden sind und sich deshalb den Eindringlingen nicht
entziehen können.[5]
Direkte Herrschaftsausübung durch diesen militärischen
Machtkern kann sich aus logistischen Gründen nur auf Teilgebiete erstrecken.
Mit der territorialen Ausweitung wachsen Angriffsflächen und
Verteidigungsbürde. Die Abwehr von Attacken und potenziellen Bedrohungen bindet
kritische Ressourcen, zwingt zu weiterer Expansion oder zu Wiedereroberung
verloren gegangenen Terrains. Koalitionen mit lokalen Kräften in Stadt und Land
sind unumgänglich; und so kommt ein Geflecht von Zweckbündnissen zustande, das
die dauerhaft ansässigen Notabeln einbindet, darunter etwa den örtlichen Adel,
Gutherren, Stammesfürsten, Gildenführer, religiöse Würdenträgern etc. Die
Ressourcenanspannung des militärischen Machtkerns und die relative Autonomie,
die eigenständige Machtbasis der Koalitionspartner haben zur Folge, dass sich
das Regieren in großem Maße in der Bewältigung der Konflikte um Rangordnung,
Verteilungs- und andere Ansprüche innerhalb dieser Machteliten erschöpft. Die
Bereitstellung öffentlicher Güter (Deiche, Brücken, Maßsysteme, etc.) durch die
Zentralmacht gestaltet sich nicht annähernd so umfassend und vielfältig wie in
modernen Staatswesen des immediaten Typs.
Dschingis Khans
Dilemma
In den Epochen des mediaten Staats sieht sich der Machthaber
also mit einem unüberwindlichen Dilemma konfrontiert: Als Eroberer muss er eine
Anforderung erfüllen - die Ballung
seiner Truppen -, die im Widerspruch steht zu einem Erfordernis, das beim
Verwalten der besetzten Gebiete auftritt: nämlich die Notwendigkeit, die herrschaftssichernden
Kräfte aufzuspalten, um sie an verstreuten Orten auch in diversen
nichtmilitärischen Funktionen einzusetzen.
Logistisch aufwendig und die Schlagkraft durch Zerstreuung
herabsetzend, kann sich die direkte Herrschaft bestenfalls auf Teile des
Imperiums erstrecken. Dschingis Khan wird die Sentenz zugeschrieben: Man kann
ein Reich nicht vom Rücken eines Pferdes regieren. Es führt kein Weg daran
vorbei, ortsansässige Eliten zu rekrutieren: andere Könige, Grundherren,
Statthalter – Notabeln verschiedenster Art, die gefügig gemacht werden wollen
durch allerlei Schachzüge, durch Zwang, Privilegien, Pfründe, kulturelle
Integration und Versippung. Doch eine wirkungsvolle Kooptation derer, die den
herrschaftlichen Einfluss an der Peripherie des Machtkerns sichern, verlangt,
dass ihnen eine eigene Machtbasis erhalten bleibt.
Lohn und Entlohnung sind gleichbedeutend mit Landvergabe und
mit Nebeneinkünften aus Ämtern, mit denen Tribute und Steuern vor allem in
Gestalt von Naturalien und Arbeit einhergehen[6] Ob
der Herrscher Befriedung, Verwaltung und wirtschaftliche Nutzung der eroberten
Regionen Angehörigen des eigenen Militärs überlässt oder ob er dazu auf fremde
Notabeln zurückgreift, es kommen unweigerlich Eigeninteressen und Einflusszonen
ins Spiel, die seiner Macht entgegenwirken. Die Autorität des Herrschers ist am
größten, wenn Krieg herrscht und wenn die Eroberung durch Aufteilung der Beute
ihren Höhepunkt findet. Danach ist politisches Lavieren gefragt. Denn der Staat
ist ein dynamisches Gebilde. Daran ändert sich nichts, wenn der immediate Staat
moderner Prägung zum Durchbruch gelangt.
Der mediate Staat
Der Übergang vom mediaten
zum immediaten Staat kann erst
gelingen, wenn zentralstaatliche Institutionen die Herrschaftsbeiträge
dezentraler Zwischenhändler der Macht (die Notabeln) ablösen und eine direkte
Verbindung mit den entsprechenden Bevölkerungsteilen herstellen. Im Zuge dessen
muss es dem immediaten Staat gelingen, Leistungen zu erbringen, die insofern
universell im doppelten Sinne sind, als sie (i) von dezentralen Knotenpunkten
der Macht nicht ohne weiteres, nur unzulänglich oder überhaupt nicht erbracht
werden können und (ii) hinausreichen über die Grenzen des lokalen und
regionalen Partikularismus, um eine übergreifende staatliche Gesamtheit zu
verwirklichen, z.B. eine einheitliche Hoch- und Schriftsprache, ein
gemeinsames, Identität stiftendes Bildungswesen etc.
Zu den besonders wirkungsvollen Eingriffsmöglichkeiten des
entstehenden immediaten Staats zählen die Fähigkeit, auf breiter, landesweiter
Basis,
(i) Ressourcen für große Infrastrukturprojekte zu
mobilisieren (Häfen, Brücken etc.),
(ii) Maßnahmen zur Marktausweitung durch verbesserte
Transaktionsbedingungen (landesweite Rechtssicherheit besonders in Gestalt justiziabler
Eigentumsrechte, Schutz der Handelswege, Normierung von Maßeinheiten etc.) zu
organisieren,
(iii) verteilungspolitische Interventionen durchzuführen,
sowie
(iv) die im Außenverhältnis wirksame Konsolidierung von
Macht zwecks Abgrenzung, Repräsentation und Durchsetzung gegenüber Fremdmächten
zu gewährleisten.
Der Territorialstaat, die Nation im modernen Sinne, die
staatliche Zentralmacht in etwa heutiger Form, sind letztlich Nebenprodukte taktierender Bemühungen,
die darauf abzielen, Strukturen Maximaler Macht durchzusetzen,
um (i) ein Maximum an fiskalischen und militärischen Ressourcen zu sichern,
(ii) sich gegenüber konkurrierende Machtaspiranten zu behaupten, und (iii)
Oppositionsbestrebungen in Schranken zu halten sowie das zur Machtausübung
nötige Maß an Zuspruch oder Duldung durch die Bevölkerung zu sichern.
Die allmähliche Herausbildung des immediaten Staats ist die
Folge fortlaufender, komplexer Verhandlungsprozesse zwischen den
Herrschaftsaspiranten und gesellschaftlichen Gruppierungen, die von
machtpolitischem Belang sind. Im Zuge dessen verändert sich der Kader der
teilnehmenden Kräfte und damit die Struktur der politischen Öffentlichkeit.
Die Abhängigkeiten des mittelbaren
Staats verschwinden nicht mit dem Aufkommen des unmittelbaren Staats, sie nehmen nur andere Formen an. Ob vom mediaten oder immediaten Typ, der Staat wird immer auch selbst geformt in einem
Schmelztiegel gesellschaftlicher Interdependenzen. Unvollkommen und mit
wechselndem Erfolg erweist der Staat sich als Gestaltungs- und
Verwirklichungsbedingung von Fortschritt und größerer Freiheit. Freilich ist
der Staat kein Garant für zivilisatorische Errungenschaften, aber wo sie sich
durchsetzen, ist er immer an ihnen beteiligt, sei es als passiver Ermöglicher,
sei es als Protagonist.
[1] Olson, M. (1993)
[2] Ebenda, 567.
[3] Mann, M. (1994), 218-228.
[4] Olson, M (1993), 569.
[5] Mann, M. (194), 236.
[6] Ebenda, 239.
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