Monday, 18 January 2016

[History] - [1b - Pre-History of Freedom] - Evolving Forms of the State - Hansa, City State, National State



Image credit. Continued from here and here.

Freiheit kann nie vollkommner sein als die politischen und staatlichen Strukturen, die ihr ihren Rahmen geben und ihre Ausübung gestatten.

Liberty can never be more perfect than the political and the state structures that provide her framework and allow her to to be exercised. 

From the below excerpt of my manuscript "Freiheit verstehen", Kapitel 4 "Politik und Staat". 

The below sketch of the evolution of different forms of the state is a history of emergent liberty. We find evidence that the modern state is more effective when it concedes freedom in judicious measure both in international affairs and domestically. At the same time, to be such an effective instrument, the state needs to be a sovereign force. A state capable of organising greater freedom must be a powerful sovereign and at the same time sensibly restrained to be most usefully powerful. A weak state cannot sustain liberty.


Nationalstaat, Hanse und Stadtstaat

In der ausgedehnten Phase des Übergangs vom Feudalismus zur Neuzeit entwickeln sich drei Strukturvarianten Maximaler Macht: Städtebünde wie die Hansa, Stadtstaaten wie vor allem in Italien und der souveräne, zentralistische Nationalstaat.

Diese drei Staatsformen stehen in einem evolutionären Wettbewerb zueinander, und nur eine wird sich auf Dauer durchsetzen. Wir behandeln im Folgenden diese selektive Entwicklung, einerseits, um hinter unseren drei Thesen von der Persistenz des Staats einen anschaulichen Hintergrund aufzuspannen.[1] Andererseits aber auch, um übertriebene Ansichten hinsichtlich des Charakters des Staats zu dämpfen. So wollen wir anhand der nachfolgenden historischen Beispiele verdeutlichen, dass Staaten entstehen und vergehen in einem Korridor evolutionärerer Möglichkeiten, die sowohl den zuträglichen Leistungen staatlicher Strukturen als auch ihrer Dysfunktionalität und Destruktivität Grenzen setzt.

In ihrer experimentell verlaufenden Entwicklung sind die verschiedenen Staatsformen einem evolutiven Wettbewerb ausgesetzt. Soll ein Staatsmodel in diesem Wettbewerb bestehen, so kann es nicht beliebig destruktiv und dysfunktional sein. Es liegt im Eigeninteresse des Staats, das Leistungsvermögen des Gemeinwesens zu verbessern. Schon aus diesem Grund widerspricht es schlechterdings den Tatschen, den Staat grundsätzlich als unzweckmäßig, defekt, zerstörerisch und moralisch verwerflich zu portraitieren. Der Staat ist ein mit Stärken und Schwächen behaftetes Evolutionsprodukt, dem wir uns nicht entziehen können. Mit ihm zusammen entwickeln sich die Bedingungen der Freiheit – eben nicht mit einem Mal, sondern schrittweise, in Fragmenten, zyklisch, reversibel, mit unterschiedlicher, pulsierender Intensität, ambivalent und zwiespältig, oft bei gleichzeitiger Begünstigung freiheitsförderlicher und freiheitswidriger Umstände und Geschehnisse. Es kann Aspekte des Staats und historische Staatsregimes geben, die inakzeptabel sind; aber derlei darf nicht den Umstand vergessen machen, dass uns staatliche Strukturen immer begleiten, die selbst dann noch ihren Sinn und guten Zweck haben oder der heilenden Gestaltung durch uns bedürfen und zugänglich sind. Die Pointe der Freiheit besteht darin, die zivilisatorische Konstante Staat daran zu hindern, Tyrannis und Willkür zu üben, d.h. Menschen gegen ihren Willen zum Mittel des Zwecks anderer zu machen.

[Nachtrag, anderthalb Jahre später: Hier betone ich noch den einseitigen Standpunkt, dass dem Staat Beschränkungen auferlegt werden müssen, um ihn an der quasi natürlichen Tendenz zum Missbrauch seiner Macht zu hindern, statt in diesen Beschränkungen eine Ingenieurleistungen zu sehen, die das natürliche Potenzial des Staat fördern, als wohltätige Institution wirksam zu werden. 18.01.2016]

Freiheit kann nie vollkommner sein als die politischen und staatlichen Strukturen, die ihr ihren Rahmen geben und ihre Ausübung gestatten.

Städtebünde

Als sich Europa langsam von den chaotischen Nachwirkungen des Zusammenbruchs des Karolingischen Reichs zu erholen beginnt, kommt es allenthalben zu einer Wiederbelebung urbaner Zentren. Die Städte gestalten sich zunehmend zu Inseln einer eigenständigen, kommerziell orientierten Rechtskultur in einem eher wirtschaftsaversen feudalistischen Ozean. In der urbanen Welt brechen sich neue Vorstellungen Bahn: Bürgerfreiheit, Gleichheit vor dem Recht, das Recht der Gesetzgebung, neuartige Regelungen im Umgang mit Eigentum und Kapital.

In Frankreich finden die Städte im König einen Partner, mit dessen Hilfe sie sich gegen Feudalfürsten, Klerus und Kaisertum abgrenzen und durchsetzen. Den deutschen Städten bleibt diese Möglichkeit versagt. Die deutschen Könige/Kaiser verfolgen ihre Interessen schwerpunktmäßig in Italien und überlassen die deutschen Städte den Machtambitionen lokaler Feudalherren. Im Gegenzug suchen die Städte durch den Zusammenschluss in Bünden an politischem Gewicht und militärischer Stärke zu gewinnen.

Bei allem Erfolg erweist sich jedoch gerade der Bündnischarakter, die konfederierte Struktur dieser Allianzen als von unzureichender Durchschlagskraft. Ohne eine ausreichend straffe Hierarchie mangelt es auch der mächtigsten Allianz, der Hanse, an Schlagkraft und Konsequenz im Vollzug ihrer Gesetze und Beschlüsse. Unter den Angehörigen der Hanse finden sich immer auch solche, die ausscheren hinsichtlich der von ihnen erwarteten militärischen, steuerlichen oder anderen vertragsrechtliche Verpflichtungen auch gegenüber gemeinsamen Handelspartnern. Unerlässliche Staatsfunktionen bleiben unentwickelt: die Vereinheitlichung von Maßnormen, die Durchsetzung eines einheitlichen Rechts, einer gemeinsamen Währung und eines System regelmäßiger und verlässlicher Steuererhebung. Der französische König wird zur Integrationsfigur nationaler Interessen, zum Schlichter und Moderattor sozialer Konflikte, sein Amt wandelt sich zu einer öffentlichen Funktion: der König agiert als persona publica, als Sachwalter der res publica. Er folgt nicht mehr alleine seiner privata voluntas. Er bekleidet ein öffentliches Amt, das es ihm ermöglicht, öffentliche Güter zu befördern und bereitzustellen, gegebenenfalls unter Aufbietung unüberwindlicher Macht und echter Zustimmung in breiten Kreisen. Die Hanse ist vergleichsweise vielstimmig, von einer Vielfalt gegensätzlicher Meinungen und Interessen gekennzeichnet. Macht und politischer Wille sind polyzentrisch, nicht immer zwingend durchsetzbar, oft unfähig, mit einer Stimme zu sprechen, einen Willen, eine Strategie im Inneren wie im Aussenverhältnis zu verkörpern. Sie ist zum Scheitern verurteilt.

Stadtstaaten

In Italien spielen urbane Zentren selbst nach dem Niedergang der karolingischen Zentralmacht weiterhin eine verhältnismäßig wichtige Rolle. Lokale Machthaber, besonders Bischöfe, machen sich in diesen Städten Regalien zueigen: Hoheits- und Sonderrechte eines Königs oder sonstigen Souveräns. Doch Mitte des 11. Jahrhunderts lehnen sich die Städte gegen deren Herrschaft auf und entledigen sich kirchlicher und fürstlicher Kontrolle, um an alte römische Regierungsformen anzuknüpfen.

Im Übrigen ist der Landadel Italiens schon sehr früh stadtansässig, um auch kommerziellen Unternehmungen nachzugehen und sich an Koalitionen mit dem Bürgertum zu beteiligen. Sie unterstützen und schützen mit ihrer traditionellen militärischen Stärke den Fernhandel, der in keinem Konflikt steht mit ihren wirtschaftlichen Interessen im Bereich des lokalen Handels und der lokalen Produktion.

Freilich verkörpern die italienischen Stadtstaaten eine Staats- und Regierungsverfassung, die zu allererst im Dienste einiger mächtiger Familien und besonderer Interessensgruppen steht. Diese betrachten den Stadtstaat als ein Instrument zur Befriedigung ihrer Interessen. Diese Gruppierungen stehen zueinander in einem Verhältnis fortwährender Rivalität. Die Erlangung der Macht, ihre Ausübung und Erhaltung sind stark geprägt von Partikularinteressen, die sowohl Bündnissen mit anderen Staaten und Städten als auch der Ausprägung eines mächtigen und effektiven Zentralstaats im Wege stehen. In Ermangelung einer souveränen Vollzugsmacht, die stabil installiert ist und Kontinuität gewährleistet, lässt auch der Ausbau sinnvoll vereinheitlichter Strukturen (Maße und Normen, Währung, Rechtsordnung) zu wünschen übrig.

Bedrängt durch den türkischen Machtaufschwung und die Konkurrenz durch Portugal und Spanien suchen die Stadtstaaten ihr Glück in der territorialen Expansion in Italien. Aber diese Ausdehnung ihres Einflussbereichs bleibt problematisch: die Integration der neuen Regionen will nicht glücken, zum einen, weil eine starke Neigung besteht, die neuen Herrschaftsgebiete auszubeuten, zum anderen, weil die unterworfenen Regionen nach Kräften um Unabhängigkeit von ihren neuen Herren bemüht sind. So bleibt es schließlich nicht aus, dass langfristig nur jene Stadtstaaten überleben, die sich in kleine, souveräne Staaten verwandeln.


[1] Wir folgen der Darstellung in Spruyt, H. (1994), insbesondere 109-149.

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