Thursday 2 February 2017

2017-02-03 — Diary 1 (Surpluses, Deficits, and Interest Rates) — Aus dem Tagebuch eines Ökonomen / From the Diary of an Economist

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In einem Blog-Beitrag vom 4. September 2008 beschwert sich der australische Ökonom Bill Mitchell, dass die bisherigen Regierungen und der amtierende Finanzminister seines Landes offenbar nicht verstanden haben, dass ein Überschuss des Staatshaushalts eher für höhere Zinsen sorgt und ein Staatsdefizit eher von niedrigeren Zinsen begleitet wird.  

Stein des Anstoßes ist eine Äußerung, in der der Finanzminister  behauptet der Staatsüberschuss sei es, der es der Regierung gestatte, Ausgaben zu tätigen — nach dem Motto: die Regierung hat ja Geld auf der hohen Kante, das sie nun ausgeben kann. Ein Abschmelzen des Überschusses würde bedeuten, dass die Mittel knapper werden und die Regierung bald gezwungen sei, Mittel an den Kreditmärkten (dazu zähle ich die Anleihemärkte) aufzunehmen, in welchem Fall die Zinsen, wegen der stark steigenden Nachfrage nach Kreditmitteln, unfehlbar steigen würden.  

Ich verstehe, warum Mitchell sich über diese "Theorie" echauffiert.  Laut Mitchell ist es so, dass weder Kreditmittel, schon gar nicht die, welche dem Staat zur Verfügung stehen, eine endliche Größe darstellen, um deren Nutzung staatlicher und nichtstaatlicher Sektor wetteifern müssen, so dass insbesondere ein "crowding out" des Privatsektors am Kreditmarkt durch den Staat zu beobachten ist, wenn letzter dort verstärkt tätig wird. 

Man schaue sich nur die Entwicklung der Staatsverschuldung in Japan oder den Vereinigten Staaten an und nehme zur Kenntnis, dass im Gegensatz zur Schulmeinung der Ökonomen, der Anstieg der Staatsverschuldung über lange Zeiträume mit sinkenden und sehr niedrigen Zinsen einhergeht.

Der Staat kann grundsätzlich das Zinsniveau unabhängig vom Verschuldungsgrad steuern. Warum und wie im einzelnen (durch Offenmarkt-Politik oder durch Festlegung von Ober- und Untergrenzen für Zinssätze, zu denen die Zentralbank am Interbanken-Markt auftritt), das soll das Thema eines anderen "Diary"-Eintrags sein.

Was mich heute beschäftigt, ist Mitchells These, wonach:
[§ 1] ... surpluses put upward pressure on interest rates, other thing[s] equal, while deficits put downward pressure.
Mir ist nicht unmittelbar einsichtig, aus welchen Gründen dieser Zusammenhang besteht.

Ich vermute, fürs erste, dass gemeint ist: ein Haushaltsüberschuss (der Staat nimmt mehr ein, als er ausgibt), zumindest in einer geschlossenen Wirtschaft (ohne Außenwirtschaft), zwingt dem nichtstaatlichen Sektor ein Defizit auf: die private Wirtschaft wird gezwungen mehr auszugeben, als sie einnimmt, mehr an den Staat abzugeben, als sie von diesem erhält. Der Überschuss des staatlichen Sektors ist das Defizit des nichtstaatlichen Sektors, und umgekehrt.

Und was hat das mit dem Zinsniveau zu tun? Warum sollten die Zinsen bei einem Überschuss des Staatshaushalts eher höher sein als bei einem Defizit? 

Ist dies die Erklärung? Die Nettoverschuldung des nichtstaatlichen Sektors übt Druck auf das Zinsniveau aus und puscht es in die Höhe. Es wird eben mehr geborgt. Ein Staatsdefizit bedeutet: staatliche (Ausgabe-)Impulse bleiben aus. Soll die Wirtschaft wachsen, muss der Privatsektor sich stärker verschulden. Ich nehme einstweilen an, dass dies der Grund ist, warum ein Haushaltsüberschuss, höhere Zinsen bedeutet. Ceteris paribus, d.h. wenn wir andere gegenläufige Faktoren ausgeschaltet denken.

Wenn hingegen aufgrund eines Haushaltsdefizits Impulse gesetzt werden, die die Wirtschaft stimulieren, und der Privatsektor Netto-Ersparnisse (Überschuss des nichtstaatlichen Sektors) aufbauen kann in Gestalt staatlicher Verbindlichkeiten (Staatsdefizit), ist die Bonität der Kreditnehmer aus der Privatwirtschaft besser, Selbstfinanzierung spielt eine größere Rolle, der Zwang, sich zu verschulden ist geringer und die Kreditaufnahme erfolgt nicht zwangsläufig im Rahmen einer auf Dauer nicht durchzuhaltenden Kreditblase.

Ich gebe die Unsicherheit zu Protokoll, die ich bei dieser Deutung verspüre und bin gespannt, welche Erkenntnisse künftige Tagebucheinträge hierzu ergeben. 


In this diary entry I am putting myself on notice, as it were, that my understanding of why a government surplus is apt to give rise to higher interest rates than a governenment deficit—ceteris paribus (and against received wisdom)—is shaky and in need of substantiation.

It is clear to me, but not to mainstream economists, that a government surplus is not required to improve a government's spending ability. What I do feel uncertain about is my tentative explanation of Mitchell's thesis — see [§ 1] above. According to my provisional explanantion, a surplus, espcially an enduring one, undermines the private sector's ability to produce growth without incurring a net debt position, which latter undermines the social functions of government and puts the private sector on a path to an unsustainable credit bubble. Rather than the state supporting the private economy by spending, the private sector is yielding substance to feed a government surplus that has no constructive function, and in particular is not needed for the government to be able to spend [whether sensibly or not].

Let's see how my understanding of the matter develops.

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