Friday 12 August 2016

Prozess und Ergebnis — Einige Lehren aus der Architektur

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In seinem Buch 101 Things I Learned in Architecture School erklärt Matthew Frederick, warum Architekten im Umgang mit komplexen Herausforderungen gut beraten sind, von einer statischen Fixierung auf Ergebnisse abzurücken.

Machbare Lösungen sind prozesshaft. Sie entstehen aus klugen Anpassungsschritten. Der Weg zum Erfolg führt über veränderliche Abläufe.

Natürlich ist die Ziel-Vision wichtig. Doch sie muss vereinbar sein mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen.

Immer ist das Ziel selbst Teil des Wegs, auf dem man es erreicht.

Es sind nicht gerade viele Gewissheiten, auf die sich der Architektur-Student stützen kann. Der Lehrplan ist ein ziemlich renitentes Vieh, das ihn vor verwirrende Aufgaben stellt; der Arbeitstag ist lang; die Dokumente, mit denen die Architektin es zu tun hat, sind vollgepackt mit schwierig zu verstehenden, kompliziert zusammenhängenden Inhalten, und oft sind die Anforderungen und Vorschriften, die zu beachten sind, verquer oder schlechterdings dämlich.

Die Lektionen, welche die Architektur bereithält, sind jedoch häufig nur deshalb so faszinierend, weil sie mit endlosen Ausnahmen und Vorbehalten beladen sind. Den Student beschleichen immer wieder Zweifel, ob er denn irgendetwas Greifbares aus seinem Studium mitnehmen kann.

Nicht selten haben die Herausforderungen, mit denen sich die Architektin konfrontiert sieht, keine eindeutigen, von Natur aus vorgegebenen Lösungen — mit der zwiespältigen Konsequenz, dass sie es zwar mit zahllosen faszinierenden Optionen zu tun bekommt, aber eben auch mit dem Gefühl, dass Architektur eher auf Treibsand steht als auf festem Boden.

Daher besteht die größte Herausforderungen für den Architekten darin, prozess-orientiert zu arbeiten. Das bedeutet:

1. Ein unbeirrtes Bemühen, das eigentliche Planungs-Problem zu verstehen, bevor man mit Lösungen aufwartet.

2. Auf keinen Fall "bewährte" Lösungen zu früheren Problemen einfach über die neuen Probleme stülpen.

3. Sich davon freimachen, Gefühle des Stolzes in das Projekt zu investieren, und sich nur so zögerlich wie möglich in die eigenen Ideen verlieben.

4. Untersuchungen und Entscheidungen sollten ganzheitlich (mehrere Aspekte auf einmal berücksichtigend) erfolgen und nicht squenziell (einen Aspekt abschließend behandelnd, bevor der nächste betrachtet wird).

5. Planungsentscheidungen sollten prinzipiell unter dem Vorbehalt der Revidierbarkeit stehen — das heißt, es sollte einem bewusst sein, dass sie sich als unzweckmäßig herausstellen können und abgeändert werden müssen — und zwar während man noch auf den Endzustand hinarbeitet.

6. Ein Gefühl dafür entwickeln, wann es richtig ist, an einer getroffenen Entscheidung festzuhalten, und wann sich von ihr zu lösen.

7. Mit der Furcht, nicht zu wissen, was zu tun ist, als etwas Normalem umgehen.

8. Im fließenden Übergang wechseln zwischen dem großen Maßstab des Projekts und den kleineren Maßstäben der Details, um jederzeit nachzuspüren, wie sich die unterschiedlichen Betrachtungsebenen vertragen, "was sie sich sagen" und was sie einander abverlangen.

9. Jederzeit die Frage stellen " Und was, wenn..." — unabhängig davon, wie zufrieden man mit dem aktuellen Stand der Planung ist.

Ich finde, diese Einsichten in das prozesshafte Vorgehen des Architekten sind von erheblichem Erkenntniswert für Umsetzungsbemühungen auch auf ganz anderen Gebieten.


Hat tip to Ben Carlson.

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