Sunday 21 August 2016

Ökonomie und Finanzwirtschaft (1) — Über einen maßgeblichen Unterschied



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In einem bemerkenswerten Papier gehen die Autoren Bezemer und Hudson der Frage auf den Grund, warum die wirtschaftliche Entwicklung seit den 1980er Jahren und besonders seit 2008 durch starke Polarisierung zwischen Gewinnern und Verlieren geprägt ist, indes die Verschuldung von Städten, wichtigen Verwaltungsregionen (wie Bundesstaaten, Provinzen etc.) und Staaten dramatisch, mitunter bis zur Insolvenz, angestiegen ist. Wie ist zu erklären, fragen sie, dass wir uns so stark verschulden konnten, ohne dass die Realeinkommen und der Lebensstandard gestiegen sind. Die Autoren argumentieren, dass tragfähige Antworten auf diese Fragen Voraussetzung dafür sind, dass endlich Maßnahmen ergriffen werden, die es gestatten, sich aus der Schuldenkrise herauszuwinden. Freilich ist eine einfache Rückkehr zur Normalität nicht zu erwarten. 


Die Malaise ist fundamentaler Art. Und das theoretische Rüstzeug, mit dem wir uns an die Analyse der Lösungsmöglichkeiten begeben, enthält vieles, das irrig ist.

Das volkswirtschaftliche Denken der letzten 25 Jahre leidet an Selbstüberschätzung. Oliver Blanchard, Ben Bernanke, Gordon Brown, und andere Größen lobten, die von ihnen gewählte geldpolitische Marschroute, als Ursache für die bemerkenswert niedrige Inflation und das stabile Wachstum dieser Periode, für das Bernanke den Ausdruck “The Great Moderation” geprägt hat — „die Große Konjunktur-Glättung“. Im Jahre 2007 sprach Gordon Brown vom “Ende des Boom und Bust”. Dabei war es doch gerade der Zeitraum von Mitte der 1980er Jahre bis 2007, der die rasanteste und zerstörerischste Inflation im volkswirtschaftlichen Kernbereich der Wohnungswirtschaft und an den Aktien- und Anleihemärkten seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu verzeichnen hatte.

Hervorgerufen wurde diese Inflation der Vermögenswerte („assets“) fast ausschließlich durch die Hebelwirkung höherer Verschuldung — „Hebelwirkung“ will sagen: man leistet sich per Kredit, (Spekulationen und einen Lebensstandard) wozu einem sonst das Geld fehlen würde.

Geld und Kredit wurden nicht in erster Linie für die Investition in produktivitätssteigernde Kapitalien ausgegeben, und bewirkten infolgedessen auch keine Anhebung des Verdienstniveaus der breiten Bevölkerung. 

Die analytischen Kategorien der herkömmlichen Makro-Ökonomie taugen nicht, um diesen Umstand aufzuspüren; die klassische geldtheoretische Formel vom MV = PT nimmt Vermögenswerte und ihre Preise nicht zur Kenntnis; und auch nach den 1980er Jahren hat der letzte Schrei unter den volkswirtschaftlichen Modellen immer noch keinen Platz in seinem Bild der Wirtschaft für Kredit, Verbindlichkeiten oder den Finanzsektor. Was nimmt es Wunder, dass sie die Modelle derer sind, die die Große Finanzkrise von 2008 „nicht hatten sehen kommen“.

Benzemer und Hudson schicken sich an, die Grundbausteine einer Alternative zu den unzureichenden Modellen des ökonomischen Establishments vorzustellen. Bei ihren Forschungsergebnissen sehen sie sich stark inspiriert von John Stuart Mill, Joseph Schumpeter, und HymanMinsky. Sie gelangen zur Schlussfolgerung, dass in Wirklichkeit maßlose Verschuldung hinter dem steckt, was als „Große Mäßigung“ („the Great Moderation“) verkauft wurde. Ein Verschuldungsexzess führte zu dem, was besser als die „Große Polarisierung“ zwischen Schuldnern und Gläubigern bezeichnet werden sollte.

Die Aufblähung der Finanzierungsvolumina schuldete sich in viel größerem Maße Bemühungen, Renten (=Renditen aus unproduktiver Geldüberlassung/Investition) aus der Wirtschaft abzusaugen, als Gewinnen, die aufgrund produktiver Tätigkeit erwirtschaftet werden — ein maßgeblicher Umstand, der jedoch kein Echo in der dominierenden volkswirtschaftlichen Literatur findet. 

Die blinden Flecken der Theoretiker sind damit zu erklären, dass die heute üblichen Modelle einfach nicht in der Lage sind, Bilanzen, Kredite und Verbindlichkeiten abzubilden, obwohl diese ganz ausschlaggebende Informationen über den Zustand der Wirtschaft enthalten. Ohne angemessene Berücksichtigung dieser Kategorien sind die Schuldenkrise und die sie beleitenden Rezessionen einfach nicht zu verstehen — weswegen Benzemer und Hudson im Folgenden bemüht sind zu zeigen, wie diese Phänomene in die volkswirtschaftliche Theorie integriert werden können.

Quelle

Fortgesetzt hier.

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