Saturday, 28 July 2018

The Left Veils Itself Behind the Invisible Hand (Deutsch)

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Seit längerem trage ich mich mit dem Gedanken, eine Serie von Posts zu schreiben, die aufzeigen, dass das neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsbild in seinen grundlegendsten Annahmen inkonsistent und empirisch falsch ist.

Mir scheint dieser Nachweis deshalb besonders wichtig, weil im Zeitalter der politischen Korrektheit, also in einer Ära, da Politik, Sonderinteressen und die Medien dem gefügigen politischen Konsumenten das Denken vorschreiben - statt dass Politik die Interessen, die Auffassungen und den Widerspruch der Bevölkerung repräsentiert - das neoliberale Glaubensbekenntnis erstaunlicherweise  zum allgemeinen Kulturgut heran gereift ist, dem sich seine früheren Gegner mit Haut und Haaren angeschlossen haben: die Sozialdemokraten und andere Fraktionen der inzwischen reaktionär gewordenen Linken.

Dazu mehr unter The Left's Treason.

Dieser Schulterschluss aller politischen Kräfte unter der Ägide des Neoliberalismus hat folgenschwere Konsequenzen für die westlichen Gesellschaften.

Grob gesagt bestehen diese in zwei gesellschaftstransformierenden Offensivbewegungen gegen den allgemeinwohlorientierten demokratischen Nationalstaat. 

(1) Pragmatischer Pro-Kapitalismus

Traditionelle Befürworter des Neoliberalismus neigen dazu, Staat und Nation als Ordnungsprinzip so weit zu unterhöhlen, als dies ihren individuellen wirtschaftlichen Interessen entgegenkommt. 

Ein Trick, mit dem sie nationalstaatliche Widerstände auszuhebeln trachten, ist die Ermächtigung supranationaler Institutionen, die dem breiten Volk als Säulen eines hehren Friedensprojekts angepriesen werden, wie im Fall der EU - als ob die Länder des Nachkriegseuropa jemals in Gefahr waren, in kriegerische Handlungen untereinander verwickelt zu werden.

Supranationale, aber noch nicht nationale Institutionen verhelfen mächtigen Wirtschaftskräften zu einem privilegierten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern (siehe die EU, die die Bevölkerung entmündigt, um sich desto intensiver auf die Bedienung wirtschaftlich starker Sonderinteressen zu konzentrieren) unter dem falschen Vorwand, der Nationalstaat sei nicht mehr zeitgemäß und supranationale Konstruktionen seien der "neuen, globalisierten Welt" besser gewachsen. 

Ich spreche hier von einem pragmatischen "Pro-Kapitalismus" (vertreten vor allem durch mächtige Wirtschaftsinteressen), der Staat und Nation im Namen des Kapitalismus herabsetzt und zu demontieren sucht, um die Stellung der Arbeitnehmer zu schwächen, unliebsame  Regulierungen zu vermeiden oder abzustellen oder auf andere Weise, seine wirtschaftlichen Interessen zu befördern. 

In Wahrheit sind die typischen Vertreter des pragmatischen Pro-Kapitalismus sehr für Staat und Nation, wenn diese ihnen zur Verwirklichung ihrer Ziele verhelfen. In diesem Lager findet man auch (nicht-pragmatische) Gläubige, wie mich einst, die irgendwann. ohne dass ihre unmittelbaren Eigeninteressen davon profitierten, das neoliberale Glaubensbekenntnis angenommen haben - mir verhalf das Studium zum prägenden Erleuchtungserlebnis ( - die Wirtschaftswissenschaften spielen eine herausragende Rolle als Propagandainstrument, mehr dazu im Beitrag The Bad Conscience of an Economist).

(2) Linksreaktionärer Neoliberalismus

Inzwischen erfreut sich der Neoliberalismus neuen Zulaufs durch die sogenannte Linke, die ihre bis in die 1980er Jahre noch ausgeprägte Feindschaft gegenüber dieser Ideologie längst aufgegeben hat, nur um sich in ihre treusten Anhänger zu verwandeln.

Für die reaktionäre Linke bietet sich der Neoliberalismus als vortreffliches Hilfsmittel an, ihre zivilisationszerstörenden Wahnvorstellungen zu verwirklichen. Diese bedürfen der Schwächung des Nationalstaats, die Aushöhlung der volksvertretenden Demokratie, der Bildung nicht rechenschaftspflichtiger Machtnischen, kurzum: das Versanden der Wege, die vom Volk zur Macht führen.

Wie dem pragmatischen Pro-Kapitalismus dient der Neoliberalismus auch der demokratiefeindlichen reaktionären Linken dazu, Politik im großen Stile ohne das Volk zu machen und ihre teils laut schmetternden, teils schleichenden Bemühungen, die Politik auf ihre besonderen Ziele abwechselnd zu legitimieren und zu kaschieren.

(3) Neoliberalismus - die nützliche Magd

Der Neoliberale glaubt an eine Wirtschaftstheorie, derzufolge die freie Wirtschaft einen optimalen gesellschaftsbildenden Mechanismus darstellt, der von Staat und Nation nur behindert wird.

Das gegen den Nationalstaat gewendete Fazit des Neoliberalismus ist das gefundene Fressen für diese beiden Kräfte, die sich aus z. T. unterschiedlichen Beweggründen, von einem Staat befreien wollen, der für echten politischen Wettbewerb, für demokratische Einflussnahme gerade auch der wirtschaftlich weniger starken Gruppen einer Gesellschaft, für den Ausgleich unterschiedlich gewichtiger Gesellschaftskräfte (Kapital und Arbeit) steht, und in der Lage ist, Maßnahmen zu treffen, die die egoistischen Ambitionen von Sonderinteressen (mit Profitorientierung ohne Augenmaß oder totalitären Ansprüchen der grüner Weltrettung) zugunsten eines ausgewogenen Miteinanders der verschiedenen sozialen Kräfte einschränken.

Fasst man sie aber an, zeigt sich die neoliberale Brechstange ist aus Gummi. Denn das neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsbild ist falsch. Es beruht auf einem Komplex an Einzeltheorien (über den Gleichgewichtscharakter einzelner Märkte, z. B. des Arbeitsmarktes) und einer Theorie des optimalen Zusammenwirkens dieser Einzeltheorien (im Sinne eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, einer harmonischen Zusammenführung der in sich harmonischen Einzelmärkte). Im Zusammenspiel laufen diese Theorien auf ein verführerisches Eiapopeia hinaus: Bürgerinnen und Bürger, gebt auf, so die Hoffnung des Neoliberalen, was sich Generationen politisch hart erkämpft haben, überlasst euch einem Prozess, dem ihr weder überschauen, noch überwachen, noch steuern oder abändern könnt, willigt ein in neue Spielregeln, die Handlungsfreiheit für uns und gebundene Hände für euch bedeuten.

Was ich in künftigen Posts genauer aufschlüsseln möchte, ist, warum sowohl die theoretischen Einzelbestandteile des Neoliberalismus als auch sein sich aus ihnen ergebendes Gesamtbild der Wirtschaft (und deshalb angeblich auch der Gesellschaft) empirisch falsch sind: sich im Widerspruch zur Realität befinden.

Einen ersten Anlauf habe ich in diesen Posts gestartet: hier, hier, hier.

Mit zwei Gesichtspunkten möchte ich diesen Post beschließen: Erstens, der Neoliberalismus ermöglicht es dem pragmatischen Pro-Kapitalismus ebenso wie dem linksreaktionären Neoliberalismus, ihre Partikularinteressen am Staat, dem Garanten einer Gemeinwohlorientierung, die alle Bürger respektiert und zum Maßstab der Politik macht, vorbei zu verfolgen. Die einen eher, um ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen, wiewohl auf Kosten gesellschaftspolitischer Weitsicht, umzusetzen. Die anderen sehen den gewaltigen Hebeleffekt einer den Nationalstaat ablehnenden Ideologie bei der Umsetzung eines politischen Projekts, dass die bestehende Gesellschaftsordnung zerstören will.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, das die sogenannte, in Wahrheit heillos reaktionäre Linke, sich ausgerechnet des Märchens der unsichtbaren Hand bedient, um ihr Zerstörungswerk zu vollziehen.

Der pragmatische Pro-Kapitalismus stiftet Schaden, indem er das Gleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit unterminiert, was sich letztlich auch auf seine Vertreter negativ auswirkt oder auswirken wird, und beteiligt sich zunehmend unter der Führung de linksreaktionären Neoliberaslismus an der Zerstörung wichtiger gesellschaftlicher Traditionen und Institutionen. Das Kapital gerät immer mehr in das Fahrwasser und schließlich in den versenkenden Strudel der linken Reaktion, die letztlich auf die Zerstörung  des Kapitalismus abzielt. In Deutschland hat die Automobilindustrie längst angefangen, sich politisch korrekt selbst zu zerstören, weil sie nie in der Lage war, sich gegen den politischen Sexappeal grüner Spinnereien zu stellen.

Ähnlich wie die Autoindustrie, ihres Zeichen zugleich Speichellecker und Opfer der Grünen, ist inzwischen auch die Bevölkerung intellektuell dermaßen entwaffnet, dass sie sich vom Irrationalismus der linken Reaktion erziehen lässt.

Das Volk lässt sich in den Abgrund eines Wahns ziehen.

Natürlich ist der Neoliberalismus der linken Reaktion nur Mittel zum Zweck und nicht Bestandteil einer tiefen Überzeugung. Die regressive Linke ist zutiefst irrational, emotionsgetrieben und seit geraumer Zeit unangreifbar, weil sie durch eine Folklore abgesichert wird, die von allen Bürgern verinnerlicht worden ist. Solange nur die propagandistisch vorgeprägten, kulturell tief verankerten gefühlsmäßigen Reaktionsmuster des Durchschnittsbürgers mithilfe des politisch korrekten Vokabulars ausgelöst werden, genügt es  populäre Phrasen, am besten mit "grünem" Klang, (ohne Realitätssinn, Wahrheitsgehalt oder überprüfbare Bedeutung) beliebig zusammenzusetzen, um in des Volkes Augen riesigen Projekten zu Legitimität und Umsetzung zu verhelfen. Es genügt gegen jede Empirie aus der hohlen Hand zu erklären: "Diesel ist nicht öko, Diesel tötet" und schon ist eine der größten Errungenschaften des Landes zum Tabu geworden und dazu verurteilt, nicht mehr als entwicklungsfähig angesehen zu werden. "Diesel" interessiert nur noch insofern, als ein neues Stichwort gefunden ist, mit dem der politische Konsument darauf abgerichtet wird mit Angst und engagierter Ablehnung zu reagieren.  

Der linksreaktionäre Neoliberalismus ist insofern besonders gefährlich als er einem Hass- und Vernichtungsprojekt dient, dessen Irrationalismus ungerichtet ist; er weiß nicht genau, was er eigentlich will. So wenig wie der Nationalsozialismus wusste, welche Realität, welche erzielbaren Ergebnisse sich hinter seinen Phrasen ("Volk ohne Raum", "deutscher Herrenmensch", "heute Deutschland, morgen die ganze Welt") einst ergeben würden. Er musste vor allem wüten und toben, bis alles in Schutt und Asche lag. Das war seine Bestimmung, das war seine Lebensenergie. Wie der Nationalsozialismus will die regressive Linke vor allem, Hass zum Ausdruck bringen. Wie sich dieser Hass entlädt, welcher Projekte er dazu bedarf und welche ideologischen Attitüden zu diesem Zweck eingenommen werden - das sind äußerst veränderliche, unberechenbare Größen.

Zum Abschluss will ich es noch einmal sagen: En vogue ist nicht nur beim pragmatischen Kapitalismus sondern längst auch bei der linken Reaktion die unsichtbare Hand - ein Mythos, der geeignet ist, den breiten Massen den besten Schutz gegen gefährliche politische Alleingänge unkontrollierter Machteliten und das Instrument, das die Interessen der Schwachen gegenüber denen der Starken behauptet, zu entreißen: den demokratischen Nationalstaat.

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