Wednesday 6 April 2016

LE (1) Ursachen der Krise - am Beispiel Australiens - L(ingua) E(conomica)

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Betrachtet man die drei Sektoren, aus denen die Volkswirtschaft aus der Perspektive der Gesamtrechnung besteht - den binnenwirtschaftlichen Staats-Sektor, den binnenwirtschaftlichen Privat-Sektor und den Außenhandel -, so zeigt sich, dass in der fraglichen Zeit, dem Vorlauf zur 2008 einsetzenden Krise, ab Anfang der 1990er Jahre die Handelsbilanz Australiens ein wachsendes Defizit und der Staatshaushalt einen zunehmenden Überschuss ausweisen. Wenn also mehr importiert als exportiert (Außenhandels-Defizit) wird und der Staat mehr aus der Wirtschaft durch Steuern herauszieht als er per Staatsausgaben in sie einschießt (was den staatlichen Haushalts-Überschuss ergibt), muss der dritte Wirtschaftbereich, der Privat-Sektor, ein korrespondierendes Defizit ausweisen. Die sich im Betrachtungszeitraum so ergebende erhebliche und steigende Netto-Verschuldung der Privat-Wirtschaft bedingte, dass die Volkswirtschaft in eine labile Lage geriet, die schließlich in eine Überschuldungskrise mündete. Eine dauerhafte und steigende Netto-Verschuldung des nicht-staatlichen Sektors bedeutet, dass Wirtschaftswachstum nur mehr abhängig ist von der Fähigkeit der Privatwirtschaft, immer größere Schulden anzuhäufen.



Schließlich häufen sich Insolvenzen, so dass ein spürbarer Rückgang der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage um sich greift. Bei in etwa konstantem Handelsbilanz-Defizit ist es zur Heilung des Problems erforderlich, dass der Staat mehr in die Wirtschaft per Staatsausgaben einschießt als er auf dem Wege der Besteuerung aus ihr herausnimmt. Mit anderen Worten: der Haushalts-Überschuss muss sich in ein Haushalts-Defizit drehen. 

Was weiterhin zur australischen Schieflage beitrug war die wirtschaftspolitische Begünstigung der Arbeitgeber durch Maßnahmen, die die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer merklich herabsetzten. Von der Umleitung größerer Gewinnanteile zugunsten der Arbeitgeber hatte man sich einen Investitionsschub erhofft, der jedoch ausbleiben sollte. Indessen tat sich über die Jahre eine beträchtliche Schere zwischen dem deutlichen Produktivitätszuwach und dem geringen Anstieg der Reallöhne ( = Kaufkraft der Lohnempfänger) auf.


Dies war gleichbedeutend mit einer Umverteilung des volkswirtschaftlichen Einkommens zugunsten des Kapitals. Über einen Zeitraum von zwanzig Jahren nahm der Anteil der Löhne am BIP merklich ab.

Es lohnt sich, genauer der Frage nachzugehen, wie denn Wirtschaftswachstum zustande kommen kann, wenn die Ursache wirtschaftlicher Besserstellung, nämlich der Zuwachs der Produktivität (Ausstoß pro Einheit eingesetzter Arbeit), keinen Niederschlag in der Kaufkraft der Lohnempfänger findet, von deren Ausgaben doch die wirtschaftsstimulierende Nachfrage abhängt? 

Bislang war es so, dass die Arbeitgeberseite über kurz oder lang dazu übergehen musste, Produktivitätsgewinne in gewissem Maße an die Arbeiter in Gestalt höherer Löhne und größerer Kaufkraft weiterzugeben, so dass die gesamtwirtschaftlichen Ausgaben, wovon die Ausgaben der Arbeiter einen beträchtlichen Teil ausmachen, eine kontinuierliche Absatz- und Gewinnsteigerung gewährleisteten.

Inzwischen aber hatte man einen neuen Weg gefunden, der es gestattete, einen größeren Teil des volkswirtschaftlichen Einkommens für die Arbeitgeber abzuzweigen, ohne dass deren Gewinnaussichten darunter leiden mussten. Statt höhere Löhn zu zahlen, warf man mit Hilfe einer neuen Sparte des Bankwesens die Produkte des "financial engineering" auf den Markt, um den Verbrauchern das Schuldenmachen schmackhafter und leichter zu machen. Von niedrigeren Zinsen bis zum Entgegenkommen bei Hypothekenkrediten, die z.T. ausgereicht wurden, ohne dass vernünftige Relationen gegeben waren zwischen dem Schuldenbetrag und der Fähigkeit des Kreditnehmers, die entsprechenden Forderungen zu bedienen. Immer riskantere Kreditformen kamen in Gebrauch. Gleichzeitig waren große Teile der Bevölkerung stärker als früher auf Kreditmittel angewiesen, um ihren Lebensstandard angesichts der staatlichen Zurückhaltung bei wirtschaftsstimulierenden Ausgaben und dem geringen Anstieg der Reallöhne  zu halten.

Es kam zu einem langfristigen und starken Anwachsen der Verschuldung der privaten Haushalte relativ zum deren Einkommen. Die Schuldendienstquote der Verbraucher, gemessen als Anteil des Schuldendiensts am verfügbaren Haushalts-Einkommens, verzeichnete einen sehr deutlichen Anstieg. Infolgedessen reduzierte sich nicht nur der Lebensstandard vieler Verbraucher, parallel zum fortwährend steigenden staatlichen Haushalts-Überschuss geriet die Sparquote der Haushalte immer tiefer in den negativen Bereich. Ohne ausreichende Lohnsteigerungen verschuldeten sich die Haushalte, um ihren Konsum zu finanzieren, der die Tragfähigkeit der Firmengewinne weiter gewährleistete. Allein, dieser Weg war nur für eine bestimmte Zeit gangbar, bis er sich als eine ziemlich unschöne Sackgasse erweisen sollte.

Ein unentwegt wachsender Schuldenberg lieferte den Treibstoff für das einstweilige Florieren der Wirtschaft. Nach diesem Wachstumsmodell musste die Lage der privaten Haushalte immer prekärer werden, bis schon geringe Zinsschwankungen oder andere kleinere Einkommenseinbußen bei vielen Haushalten die Insolvenz herbeiführen konnten.

Der erste Schritt zur Genesung ist ein höheres staatliches Haushalts-Defizit. Denn es ist die Verschuldung des Staats gegenüber dem Privat-Sektor, welches das Sparen der privaten Haushalte und somit eine solide Struktur ihrer Bilanzen ermöglicht. Überdies ist es erforderlich, dass Löhne im Einklang mit der Produktivitätsentwicklung angehoben werden, so dass die Ausgaben der privaten Haushalte wieder in einem vernünftigen Verhältnis zu deren Verschuldung stehen. Denn anders als der Staat ist der private Sektor der Wirtschaft, wie wir sahen, außerstande, auf Dauer zu entsparen. 

3 comments:

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  2. Danke für den Beitrag. Nach kurzes Diskussion mit meinem Vater, ist jetzt soweit alles klar. Der letzte Satz hat ein wenig für Verwirrung gesorgt.

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    1. Herzlich willkommen. Mein erster Follower. Danke für dein Interesse. Ich hoffe, wir werden noch viele interessante Stunden in diesem Blog gemeinsam verbringen.

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