Saturday 16 January 2016

[The State] - [1b - Origins of the State] - Violence, Trust, and Maximal Structures of Power

Image credit. Continued from [The State] - [1b - Persistence Theorems] - Violence, Trust, and Maximal Structures of Power

In the above first instalment, I have offered a theory of why the state has been a constant of human civilisations to this day. Below, I offer a sketch of the historical emergence of the state.

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3. Über den Ursprung des Staats

Nachdem der Mensch unterscheidbar geworden ist von anderen Tieren, vergehen mehr als eine Million Jahre, in denen er seine Existenz als Jäger und Sammler bestreitet. Sein Dasein spielt sich in kleinen Verbänden ab, die in Höhlen hausen oder gar im Offenen leben. Er ist ausschließlich auf das naturgegebene Nahrungsangebot angewiesen. Die Horde zieht weiter, wenn sich das örtliche Nahrungsangebot an Tieren und Pflanzen erschöpft hat. [1]

Erst vor ungefähr 10 000 Jahren beginnt sich die sesshafte Landwirtschaft auszubreiten. Also erst ganz zum Schluss der bisherigen Menschheitsgeschichte, in einem Zeitraum der weniger als 1% der etwa 1,6 Millionen Jahre ausmacht, seit denen Menschen den Planeten bewohnen.[2] Der Prozess der Agrarisierung nimmt selbst tausende von Jahren in Anspruch. Für Europa ist eine Ausbreitungsgeschwindigkeit von 1 Kilometer pro Jahr geschätzt worden.[3]

Indem die Menschheit dazu übergeht, Viehwirtschaft zu betreiben, Tiere und Pflanzen zu züchten und Land urbar zu machen, um ihre Ressourcenbasis und insbesondere das Nahrungsangebot über das Naturgegebene auszuweiten, setzt sie eine Revolution in Gang, die die materielle Grundlage für eine beschleunigte wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung schafft. In den letzten zehn Minuten der 23 Stunden und 50 Minuten der Menschheitsgeschichte ereignen sich weitaus mehr Neuerungen als davor.

Die Einführung der sesshaften Landwirtschaft, auch als neolithische Revolution bezeichnet, ermöglicht einen enormen Produktivitätszuwachs, der die wirtschaftliche Voraussetzung für eine zunehmend arbeitsteilige Lebensweise ist. Die höheren landwirtschaftlichen Erträge gestatten es, den Lebensunterhalt von Spezialisten zu sichern, die sich nicht mehr an der Beschaffung von Nahrungsmitteln beteiligen müssen. Es entstehen neue Handlungsfelder, die das gesellschaftliche Miteinander verändern; so etwa staatliche und tauschwirtschaftliche Strukturen, darunter auch der Handel mit Fremden. Eine Gesellschaft, in der sich Arbeitsteilung fortlaufend entfalten kann, lernt mehr und schneller als ein Verband von Jägern und Sammlern, dessen Lebenszyklen sich in einem stabilen ökologischen Rahmen mit auskömmlichem Nahrungsangebot wiederholen und dabei nur wenig verändern. Erste Anzeichen eines Wandels der ökologischen Ordnung, die die Epoche der Jäger und Sammler prägt, beobachtet man anhand (a) des Aussterbens von 200 Großtiergattungen (wie dem Mammut, dem Mastodon oder dem Riesenfaultier - möglicherweise z. T. die Folge von Überjagung durch den Menschen - im späten Pleistozän, das dem Holozän, der Jetztzeit unmittelbar  vorausgeht, sowie anhand von (b) Veränderungen in der Ernährungsweise: Großtiere spielen darin nun eine weniger wichtige Rolle, wohingegen kleinere Tiere, Federvieh, Schalentiere, Schnecken, aber auch Nüsse und Beeren an Bedeutung gewinnen.[4]

Solange das Nahrungsangebot insgesamt noch sehr reichhaltig und durch fortwährenden Ortswechsel auf einem ausreichend hohen Niveau zu halten ist, besteht kein Anlass Sozialtechniken zu entwickeln, kostspielig durchzusetzen, aufrechtzuerhalten und auszubauen, die wirkungsvollen Schutz vor Raubbau an der Ressourcenbasis gewährleisten und gleichzeitig Kultivierungsverhalten honorieren, das geeignet ist, das Arsenal an Rohstoffen auszuweiten und qualitativ zu verbessern. Doch dies ändert sich als der Wettbewerb um lebenswichtige Ressourcen zunimmt. Über einen Zeitraum von mehr als einer Million Jahren, in der sich die Menschen als Jäger-und-Sammler betätigen, liegt die Fruchtbarkeitsrate zwar nur geringfügig über der Sterblichkeitsrate, aber die Weltbevölkerung nimmt stark genug zu, um wichtige neue Entwicklungen anzustoßen.

Wachstum und zunehmende Dichte der Bevölkerung geben Anlass zu vermehrten Kollisionen zwischen Gruppen. Es ergibt sich eine Wettbewerbsanspannung zwischen den umherstreifenden sozialen Verbänden, insbesondere unter Bedingungen abnehmender Erträge aus der bisher hauptsächlichen Form der Existenzsicherung, dem Jagen und Sammeln. Eine alternative Wirtschaftsform beginnt sich anzubieten: die stationäre landwirtschaftliche Produktion, die sich bei geeigneten institutionellen Rahmenbedingungen durch konstante und sogar steigende Erträge auszeichnet.

Die Ressourcenverknappung in Folge von Bevölkerungswachstum, Überjagung und Übernutzung begünstigt Gruppen, denen es gelingt, in einer Welt zunächst unbeschränkter Verfügungsrechte ihren Interessen Geltung zu verschaffen, indem sie Fremdgruppen von der Nutzung bestimmter Bereiche ausschließen. Es entsteht ausschließendes Gemeineigentum, das sich durch Bereiche auszeichnet, von deren Nutzung alle ausgeschlossen sind, außer den Angehörigen der ausschließenden Gruppe. Die neuen Eigentumsrechte erlauben eine genauere Zuordnung von Kosten und Nutzen, womit es gelingt, der Ressourcenauszehrung, die bei unbeschränktem Zugang auftritt, Einhalt zu gebieten, die Erhaltung und Pflege lebenswichtiger Ressourcen deutlich zu verbessern und ihre produktivitätshebende Kultivierung oder Domestizierung zu ermöglichen.

Freilich machen Schutz und Verfeinerung der neuen Wirtschaftsweise soziale Abgrenzungstechnologien erforderlich, insbesondere in Gestalt wirksamer Eigentumsansprüche. Eigentumsrechte setzen natürlich die Fähigkeit voraus, andere Parteien von der Ausübung exklusiver Eigenansprüche auszuschließen. Es entwickeln sich Institutionen, mit deren Hilfe es möglich ist, Eigentumsrechte zu spezifizieren, zu ordnen, intern durchzusetzen. Im Vorteil sind Institutionen, die überdies wehrhaft und schlagfertig genug sind, um unwillkommene Fremdansprüche abzuwehren oder den Geltungsbereich der eigenen Ansprüche auszudehnen. Der entstehende Selektionswettbewerb um Strukturen Maximaler Macht bringt letztlich den Staat als Machtmonopolisten und überlegenen Gewaltspezialisten hervor.

Die ersten Staaten – habitative Umgrenzung

Während der ersten zwei Millionen Jahre der Existenz unserer Gattung leben die Menschen ausschließlich in autarken Stammesgemeinschaften oder dorfähnlichen Siedlungen. Erst seit dem 5. Jahrtausend v. Chr. beginnen sich größere politische Einheiten zu formieren.

Der US-amerikanische Anthropologe Robert L. Carneiro (geb. 1927) datiert die Entstehung der ersten Staaten auf etwa 4 000 v. Chr.

Den entscheidenden Grundtatbestand seines Modells der Staatsbildung bezeichnet Carneiro als habitative Umgrenzung (environmental circumscription): die völlige Eingeschlossenheit menschlicher Gemeinschaften innerhalb geo-ökologischer Überlebenszonen, die nach allen vier Himmelsrichtungen hermetisch abgeriegelt sind durch unüberwindliche geografische Barrieren in Form von Meeren, Gebirgen und Wüsten.

Alle Regionen der Welt, in denen die ersten Staaten anzutreffen sind, weisen nach Carneiro die Charakteristika habitativer Umgrenzung auf: die Zivilisationsregionen um Nil, Euphrat und Tigris und Indus, sowie die betreffenden Tal- und Küstengegenden von Mexiko und Peru.

So gehören zu den weltweit am schärfsten abgegrenzten Habitaten etwa die küstennahen Talregionen Perus, die eingeschlossen sind zwischen Hochgebirge, Meer und den trockensten Wüsten der Welt.

Wie bereits erwähnt ist in Gemeinschaften des Neolithikum nicht selten ein bescheidenes Bevölkerungswachstum zu beobachten, was immer wieder zu Aussiedlungswellen Anlass gibt. So auch in Peru: Neue Gemeinschaften entstehen in jenen Teilen der scharf umschriebenen Überlebenszone, die noch unbesiedelt sind. Erst als der besiedelbare und landwirtschaftlich verwertbare Raum erschöpft ist, kommt es zu produktivitätssteigernden agrotechnischen Anpassungsneuerungen. Die Bewirtschaftung wird intensiviert, man versucht, neues Land zu bebauen bzw. bestehendes Terrain durch Terrassierung und neuartige Bewässerungssysteme effektiver zu nutzen.

Im Kampf um Land häufen sich die kriegerischen Auseinandersetzungen und nehmen an Intensität zu.

Die besiegten Gruppen haben keine Ausweichmöglichkeiten. Sie müssen den Preis der Unterwerfung unter ihre neuen Herren zahlen, sofern sie nicht getötet oder in die unwirtlichen Randregionen abgedrängt werden, um dort vermutlich größtenteils zugrunde zu gehen oder elende Randexistenzen zu fristen.

Um aus ihnen Nutzen zu ziehen, müssen die eroberten Territorien und Gruppen integriert und verwaltet werden. Diejenigen, die sich bei der militärischen Eroberung hervortun, übernehmen führende Rollen bei der Integration und Verwaltung der neuen Gebiete und Bevölkerungsteile. Es erfolgt eine soziale Stratifikation zwischen einer herrschenden Oberschicht und einer Unterschicht bestehend aus den Unterworfenen, die als Diener, Knechte und Sklaven beschäftigt werden.

Es ist oft beobachtet worden, dass kleinere politisch-landwirtschaftliche Einheiten (vereinzelte Stämme) unter Bedingungen der Autonomie und günstiger Anbaubedingungen einen geringeren landwirtschaftlichen Ertrag erwirtschaften als ihnen möglich wäre. Im Zustand der Unterwerfung werden diese Produktivitätsreserven angezapft, um Naturalsteuern zu erheben, die es gestatten, den Herrschaftsapparat zu stützen, Straßen, Festungen, Paläste und Tempel zu bauen,  sowie Herrschern, Kriegern, Beamten, Priestern und anderen Mitgliedern der Oberschicht einen Lebensunterhalt zu sichern, der es gestattet Funktionen auszuüben, die nicht Erfordernissen der unmittelbaren Existenzsicherung dienen.

Die die Bildung von Staaten begünstigenden Auswirkungen eines habitativen Einschlusses können auch dort wirksam sein, wo es noch weitläufige Rückzugsgebiete gibt, wie etwa lange Zeit im Großraum des Amazonas. Doch dort zeigt sich, dass auch ohne Einschluss durch schwer überwindliche geografische Hindernisse, habitativ überlegene Zonen – klimatisch-geologisch bevorzugte „Fruchtbarkeitsinseln“ – eine vergleichbare Abhängigkeit von bestimmten lokalen Bereichen verursachen können. Bei entsprechendem Bevölkerungsdruck kann auch in diesen ökologischen Nischen der bewirtschaftbare Raum knapp und Anlass zu kriegerischen Konflikten geben, die das Entstehen sozialer Beziehungen begünstigen, die über die Dorfgemeinschaft hinausgehen und die Entwicklung sozial stratifizierter Staatsgebilde nach sich ziehen.


[1] North, D.C. (1981), 73 - 74.
[2] Smith, V.L. (1985), 1.
[3] North, D.C. (1981), 74.
[4] Smith, V.L. (1975), 728 f.

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