Sunday 8 May 2016

Staatsverschuldung (2) - Abhängigkeit von ausländischen Investoren

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Fortgesetzt von hier.

Welche Gefahr droht den USA, wenn ausländische Gläubiger US-Schuldtitel en masse abstoßen?

Was würde geschehen, wenn Saudi Arabien oder China plötzlich den Entschluss fassen würden, ihren ganzen Bestand an US-Anleihen abzustoßen?

Ich möchte behaupten, es würde eine ähnliche Situation entstehen wie wenn ein Großaktionär von Siemens die 5% der Aktien dieses Unternehmens, die sich in seinem Besitz befinden, mit einem Schlag auf den Markt werfen würde.

Nicht viel.

Unter Umständen. Und zwar unter solchen, die für unsere eigentliche Frage relevant sind.

Die Anteilseigner haben gewechselt. Nun, schön. Irgendjemand hat ja die Aktien dem Verkäufer abgekauft.

Jetzt aber das Wichtige. 

Solange die fundamentalen Daten des Unternehmens vor und nach der Verkaufsaktion unverändert solide sind, dürfte sich der Kurs höchstens kurzfristig verändern. Wenn der Markt merkt, dass jemand gezwungen ist, Aktien dringend in großen Mengen abzustoßen, nutzt er die Zwangslage aus, oder besser gesagt, die geringe Nachfrage für den Wert zum bisherigen Preis treibt ihn nach unten, bis sich genügend Käufer finden. Nach einer Weile jedoch sollte sich der Preis wieder auf das Niveau zurückbewegen, das den fundamentalen Unternehmensdaten entspricht. Im geschilderten Fall ist also eher davon auszugehen, dass der Verkäufer in Schwierigkeiten geraten ist, nicht der Emittent der Aktien.

Chinesischer Ausverkauf

Solange sich nicht der Schatten einer außergewöhnlichen Verschlechterung, insbesondere einer bedenklichen Inflation über die amerikanische Wirtschaft legt, würden wir es mit einer vergleichbaren Situation zu tun haben, wenn China mit einem Mal seinen Bestand an US-Staatsanleihen abstoßen würde.

Es ist nützlich, sich folgendes klar zu machen: China hat gewissermaßen zwei Konten bei der amerikanischen Zentralbank — ein Girokonto und ein Sparkonto. Wenn China Waren an die Amerikaner verkauft, sammeln sich US-Dollars auf Chinas Girokonto bei der Fed an. Niemand kann China daran hindern, diese Gelder unverzinst auf seinem Girokonto herumliegen zu lassen. Niemand kann China daran hindern, dieses Haben-Saldo herunterzufahren, um Käufe zu finanzieren. Aber China hat auch die Möglichkeit, die Dollars auf seinem Girokonto auf ein Sparkonto zu übertragen. Der Erwerb von US-Staatsanleihen ist in der Sache identisch mit der Einzahlung von Geld auf ein Sparkonto. Eine derartige Umschichtung hat für China den Vorteil, dass es nun Zinsen auf seine Einlagen erhält.

Wenn China seine US-Dollar-Ersparnisse aufgeben wollte, würde insofern nichts dramatisches geschehen, als dies der gleiche Vorgang ist, wie wenn Sie Ihr Sparkonto auflösen und das Guthaben auf Ihr Girokonto überweisen. Deswegen geht Amerika nicht pleite.

China würde eine reizvolle Einnahmequelle an andere Investoren abtreten, und unterhielte stattdessen Dollar-Guthaben, die keine Rendite abwerfen und täglich ein wenig an Kaufkraft verlieren.

Was zählt sind die fundamentalen Wirtschaftsdaten, und solange die unverändert bleiben, und die Regierung der USA sich per Steuererhebung gütlich tun kann an 22% des weltwirtschaftlichen Ausstoßes — so viel produzieren die Amerikaner — dürfte die Portfolio-Umschichtung der Chinesen den Wert der US-Anleihen langfristig kaum beeinflussen. Jedenfalls würde eine solche Umschichtung die USA nicht Bankrott machen und wäre per se auch nicht imstande, die weiterhin stärkste Wirtschaft der Welt grundlegend zu erschüttern. Es ist davon auszugehen, dass sich andere Investoren finden, die ihre zinslosen Dollars gerne gegen rentierliche Anleihen eintauschen. Im Übrigen sind die USA nicht von ausländischen Investoren für die Finanzierung ihrer Staatsausgaben abhängig. Wenn ausländische Investoren ihr Interesse an der US-Wirtschaft verlieren, dann deshalb, weil sie, wie Kanarienvögel in einem Kohleschacht, anzeigen, dass etwas Grundsätzliches mit dieser Wirtschaft im Argen liegt — dafür ursächlich sind aber nicht die ausländischen Investoren als solche, und schon gar nicht ihre Anlage-Entscheidungen.

Man darf ja auch nicht vergessen, dass ausländische Anleger eine zusätzliche, starke Nachfrage nach US-Anleihen von sich aus erzeugen, weil sie Handel mit den USA betreiben und — wie wir oben gesehen haben — eine rentierliche und risikolose Anlageform für die ihnen zufließenden Dollars suchen. Es ist nicht etwa so, dass die amerikanische Regierung partout darauf angewiesen ist, dass Chinesen amerikanische Anleihen kaufen. Vielmehr würden die Chinesen einen Nachteil erleiden, wenn sie auf unrentierlichen Dollarbeständen sitzenblieben.

Überhaupt, warum sollten die Chinesen sich einem Land gegenüber feindselig gebärden, das ihnen ausgiebig Gelegenheit bietet, die eigene Wirtschaft zu entwickeln. Pekings Handelsbilanzüberschuss ist eine Investition ins China des 21. Jahrhunderts.

Natürlich können die Vereinigten Staaten schwere wirtschaftspolitische Fehler begehen, die ihre volkswirtschaftliche Bonität herabsetzen. Natürlich ist es möglich, dass Amerika einen wirtschaftlichen Niedergang erleidet. Aber das ist ein anderes Thema, dem wir uns in anderen Posts widmen.

Fortgesetzt hier.

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