Monday 4 September 2017

Misch-Ökonomie und MMT

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Fortgesetzt von hier.

In meinen Untersuchungen zum Thema Freiheit habe ich den radikalen Liberalismus, wie er insbesondere von der Österreichischen Schule um Ludwig von Mises und Friedrich Hayek vertreten wird, einer grundlegenden Kritik unterzogen. Diese kritischen Befunde sind nachzulesen in einem Vortrag, den ich an der Universität Witten/Herdecke unter dem Titel The Paradox of Freedom — Austrian Thought and the Crisis of Liberalism gehalten habe und in einem Vortrag betitelt Das Paradoxon der Freiheit, den ich vor dem Hayek Club Heidelberg präsentiert habe.

Ein zentraler Kritikpunkt beider Vorträge konstatiert, dass der Liberalismus klassischer Prägung ein wesentliches Merkmal der Freiheit ignoriert, nämlich dass die Wirtschaft sich überhaupt nur als Mischökonomie gestalten kann. Eine reine Marktwirtschaft, die „freie Marktwirtschaft“ per se kann es nicht geben.

Ob sie den Aspekt der Freiheit in ihrer Arbeit besonders berücksichtigen oder nicht, Ökonomen aber eben auch Theoretiker der Freiheit müssen dem Umstand Rechnung tragen, dass eine Wirtschaft nur im Zusammenspiel mit Politik denkbar ist. Politische Institutionen und Entscheidungen sind grundlegend für das wirtschaftliche Geschehen in jeder Gesellschaft, einschließlich solcher, die ein hohes Maß an Freiheit verwirklichen.

Ein weiterer Aspekt dessen ist die Unvermeidlichkeit von Strukturen Maximaler Macht und damit des Staats. Macht, Politik und Staat sind der Quell großer Gefahren, aber ebenso sind sie unverzichtbar in einer fortschrittlichen und freiheitlichen Zivilisation. Mehr darüber habe ich hier und hier (und deutsch hier) geschrieben.

Modern Monetary Theory (MMT) ist gerade deshalb interessant aus meiner Sicht, weil sie die Theorie einer gemischten Ökonomie liefert, die ich in meiner Kritik des Liberalismus gefordert habe. Außerdem versteht sich MMT als eine (praxisorientierte) Theorie der gemischten Wirtschaft. Sie beleuchtet die gemischte Wirtschaft wie sie als Instrument der politischen Zwecke des Staats und seines demokratischen Mandats („the public purpose“) fungiert. Unter besonderer Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge liefert sie Erklärungen dafür, wie politischer Einfluss in einer modernen Mischökonomie funktioniert, welche Möglichkeiten gezielter wirtschaftspolitischer Intervention offenstehen und welche Konsequenzen von derartigen Eingriffen zu erwarten sind.

Für mich ist Pluralismus in der Wissenschaft, in der Wirtschaft und in der Politik der Kern der Freiheit (soweit ich diese als Wert — genauer: als ein System durch Kompromisse kommunizierender Werte — anerkenne). MMT liefert einen Ansatz, der uns hilft zu verstehen, wie eine demokratisch verfasste Gemeinschaft ihre Zwecke in einer und durch eine moderne Mischökonomie verwirklichen kann.

Von der radikal-liberalen Auffassung einer freien Marktwirtschaft unterscheidet sich MMT darin, dass sie in der Wirtschaft ein natürliches Politikum sieht, oder immerhin vereinbar ist mit meiner These, wonach wir unweigerlich Politik betreiben, wenn wir Wirtschaft betreiben, da dass eine nicht ohne das andere zu haben ist.

Wir können die Wirtschaft nicht ihrer selbst überlassen. Diese radikalliberale Option besteht schon aus praktischen Gründen nicht. Denn um zu wirtschaften, müssen Menschen politische Entscheidungen durchsetzen. Unentwegt. Daher lohnt es, sich für Entscheidungsverfahren einzusetzen, die erstrebenswerter als andere sind. Wiederum eine Form politischen Handelns.

Auch in einer freien Gesellschaft bietet sich die Wirtschaft als Umsetzungshebel politischer Interessen an, freilich verbessert durch die Errungenschaft, dass alle Bürger auf der Berücksichtigung ihrer Interessen bestehen können. In einer freien Gesellschaft haben wir die Möglichkeit, die Wirtschaft im Sinne unserer Interessen zu beeinflussen und den Auftrag, dabei einen Interessenausgleich unter allen Teilnehmern der Gesellschaft zu bewirken. Keine einfache Aufgabe. Perfekte Lösungen sind nicht zu erwarten. Aber der Überschuss an Vorteilen gegenüber den Härten und Schwierigkeiten eines solchen Prozesses kann dennoch enorm sein.

Englischer Zwillings-Post.

Fortgesetzt hier.

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